Macron oder Rutte – wer ist der bessere Reformer?
Analyse. Frankreichs Staatspräsident will die Währungsunion zentralisieren und dafür auch ein Eurobudget einführen, der niederländische Premier setzt auf Selbstverantwortung der Eurozonenmitglieder und getrennte Haushalte.
Es war ein Kräftemessen der besonderen Art, das Emmanuel Macron und Mark Rutte jüngst im Den Haager Bistrot Deux la Place zusammenführte. Das kleine Restaurant, das der niederländische Regierungschef Rutte für seinen Staatsgast aus Frankreich ausgewählt hatte, offeriert typische Speisen wie Zwiebelsuppe, Schnecken im Dutzend oder geschmorten Hasen mit Rotweinsauce. Doch selbst die angenehme Atmosphäre konnte die beiden liberalen EU-Chefs einander in einer der wichtigsten Zukunftsfragen für die Union, der Reform der Wirtschafts- und Währungsunion, nicht näherbringen.
Bündnis der Nordländer
Während Macron für ein zentralistisches Modell eintritt, das sowohl ein eigenes Eurozonenbudget als auch einen Euro-Finanzminister vorsieht, sucht Rutte genau das zu verhindern. „Die EU ist kein Zug, der Richtung Zentralismus rast“, sagte er jüngst in Berlin. Verstärkung hat sich Rutte von sieben nördlichen EU-Mitgliedern geholt, die eine ähnliche Position vertre- ten: Dänemark, Finnland, Irland, Estland, Lettland, Litauen sowie Schweden. Sie plädieren dafür, dass jedes Land seine eigene Abwehr gegen finanzielle Krisen entwickelt, bevor es die EU um Hilfe bitten kann. Strukturreformen sollten mittels Regionalfördermitteln aus dem mehrjährigen Finanzrahmen der EU unterstützt und ökonomische Ungleichgewichte reduziert werden.
„Wenn wir es bestimmten (südeuropäischen; Anm.) Ländern weiterhin erlauben, hohe Schul- denstände zu haben, wird die Währungsunion in einer Transferunion enden“, warnte Rutte in Berlin. Macron hat verstanden, dass die Nordländer eine starke Opposition gegen seine Reformvorstellungen bilden – und ist wohl selbst nicht mehr allzu optimistisch, dass noch vor den Europawahlen im Mai 2019 große Schritte bei seiner Reform gelingen können. Denn auch Deutschland hat der Franzose in vielen Fragen nicht auf seiner Seite. So sollte ein gemeinsames deutsch-französisches Konzept zur Stärkung des Euro ursprünglich schon Mitte März vorgelegt werden. Doch dazu kam es nicht – Macron und die deutsche Kanzlerin, Angela Merkel, konnten sich nicht einigen. In Berlin – und dort insbesondere bei den Unionsparteien – stößt Macrons Idee eines gemeinsamen Haushalts für die Euromitglieder auf große Skepsis.
Ein offenes Ohr hat Merkel hingegen, wenn es um die Erweiterung des Euro-Schutzschirms ESM in einen europäischen Währungsfonds geht. Auch für die Nordländer ist das eine Option. Allerdings wollen sie verhindern, dass der ESM ins Gemeinschaftsrecht überführt wird, wie Rutte klarstellte: „Wir wollen, dass die Mitglieder weiter das Sagen haben.“Für eine „Änderung der Verträge“sieht er aber ohnehin „nirgends irgendeine Bereitschaft“.
Nichtsdestoweniger warnt Rutte Deutschland und Frankreich vor Alleingängen in der Europapolitik. Er und seine Partnerländer würden nicht „alles abnicken“, was aus Berlin und Paris komme, erklärte er.