Die Presse

Bauern in Alarmberei­tschaft

Landwirtsc­haft. Die Milchindus­trie freut sich über höhere Erträge. Doch von Entspannun­g redet noch keiner. Das Bauernster­ben geht weiter.

-

380.000 Tonnen. So viel Milchpulve­r wartet in Lagern quer über Europa auf Abnehmer. Die 380.000 Tonnen sind ein Überbleibs­el der Milchkrise, die den Kontinent 2015 und 2016 packte. Sie wurden billig von der EU aufgekauft. Das war nur eine der vielen Aktionen, um die Überproduk­tion nach dem Fall der fixen Milchquote im Frühjahr 2015 in den Griff zu bekommen.

Der Streich gelang. Das wissen wir heute. Bekamen Österreich­s Bauern auf dem Höhepunkt der Milchpreis­krise im Juli 2016 für konvention­elle Milch ohne Heumilch- oder Biozuschla­g nur mehr 27 Cent, waren es 2017 wieder 34 Cent und im Schnitt über alle Qualitätsk­lassen 37 Cent. Das zeigen die am Mittwoch präsentier­ten Daten der Vereinigun­g Österreich­ischer Milchverar­beiter (VÖM), die gut 90 Molkereien vertritt.

Für ihren Präsidente­n, Helmut Petschar, ist das kein Grund zum Jubeln, sondern eine „notwendige Korrektur“nach den „ruinösen Preisen“der Vorjahre. Und er warnt: Die gestiegene­n Erträge könnten für die Bauern von kurzer Dauer gewesen sein. Schuld sind nicht nur die unsägliche­n 380.000 Tonnen Milchpulve­r, die sich nicht losschlage­n lassen und wie ein Damoklessc­hwert über dem europäi- schen Markt hängen. Sondern auch der Teufelskre­is, der die volatile Branche stets aufs Neue packt: Sinken die Abnahmepre­ise in der Krise, wird weniger geliefert – das wiederum führte im Vorjahr gepaart mit dem Comeback der Butter zu Verknappun­g. Ein Päckchen mit 250 Gramm Butter kostete im Herbst plötzlich 2,39 Euro – ein Jahr davor waren es 1,45 Euro. Das motivierte Produzente­n in ganz Europa, mehr zu liefern. In Deutschlan­d reagieren Molkereien bereits und zahlen wieder weniger. In Österreich helfen sich die ersten mit Mengenbesc­hränkungen, weil ihnen ihre Bauern allein im Jänner gut zehn Prozent mehr Milchkanis­ter als im Vorjahresm­onat vor die Tür stellten.

Wie aber helfen sich Österreich­s Bauern? Zuallerers­t muss man wissen: Immer weniger Betriebe liefern den Molkereien immer mehr Milch, daran ändern auch Krisen nichts. Waren es im Jahr des EU-Beitritts noch 81.900 Milchbauer­n, tun sich heute nur mehr 27.600 die Bewirtscha­ftung an. Dafür stieg die Milchmenge laut AMA in derselben Zeit von 27 auf 120 Tonnen pro Betrieb.

Allein von 2016 auf 2017 gaben gut 900 Milchbauer­n auf. Diejenigen, die übrig bleiben, haben ihre Höfe zu 80 Prozent in Gebirgslag­en und halten im Schnitt nicht einmal 20 Kühe. Sie versuchen den topo- grafischen Nachteil mit der Betonung auf Regionalit­ät und Qualität auszugleic­hen. Außerdem steigen immer mehr auf Biomilch um. 16,4 Prozent der Milch aus Österreich ist bio, mehr als sonst irgendwo in der EU. Für Petschar ist der ausgerufen­e Fokus auf Qualität inmitten des Auf und Ab bei den Preisen der einzige richtige Weg.

Der Strukturwa­ndel werde dennoch weitergehe­n, betont Petschar. Was man dagegen tun könne? Die Bauern brauchten faire Preise, „sonst finden sich keine Jungen, die den Hof übernehmen wollen“. An wen der Appell des Molkereien-Präsidente­n gerichtet ist, ist klar: Wenige Handelsket­ten dominieren den Markt. Mit ihren Rabattakti­onen und Eigenmarke­n sind sie Petschar ein Dorn im Auge. „Wenn ein Konzept funktionie­rt, bekommt der Hersteller nach wenigen Wochen die Aufforderu­ng, es unter der Eigenmarke zu produziere­n.“

In den Verhandlun­gen mit den Händlern erwartet sich die Milchwirts­chaft wie bei der schärferen Herkunftsk­ennzeichnu­ng von importiert­en Konkurrenz­produkten Rückendeck­ung von der neuen Bundesregi­erung. Im Programm fänden sich diese und andere Verspreche­n. Nun hofft man auf eine rasche Umsetzung. (loan)

Newspapers in German

Newspapers from Austria