Was der Chef mit E-Mails tun darf
Datenschutz. Mitarbeiter kommen, Mitarbeiter gehen. Doch was passiert mit ihren Mails, nachdem sie die Firma verlassen haben? Einfach lesen sollte sie der Chef jedenfalls nicht.
Eine Mitarbeiterin machte kürzlich strafrechtliche Ansprüche gegen ihren ehemaligen Arbeitgeber geltend. Ihr früherer Chef hätte das Briefgeheimnis verletzt und müsse verurteilt werden, fand sie. Er habe nämlich nach ihrem Ausscheiden E-Mails, die sich in ihrem geschäftlichen E-Mail-Account befunden hätten, gesichtet und womöglich gelesen. Deshalb solle er quasi als Wiedergutmachung auch gleich einmal eine größere Geldsumme an sie überweisen. Mit ihrem Ansinnen hatte die Frau keinen Erfolg, und zwar aus einem einfachen Grund: Nach der Rechtsprechung ist ein Mail kein Brief im Sinne des § 118 Strafgesetzbuchs. Wer ein Mail am Computer liest, verletzt das Briefgeheimnis nicht, jedenfalls nicht im strafrechtlichen Sinn.
Doch was hat wirklich mit E-Mails von Mitarbeitern zu passieren, wenn sie das Unternehmen verlassen? Genauer gefragt: Darf der Arbeitgeber die E-Mails lesen, die sich nach dem Ausscheiden des Mitarbeiters in dessen Postfach befinden oder noch eintrudeln?
Fragen, die in der Praxis oft zu Streitigkeiten führen und aus datenschutzrechtlicher Perspektive für Unternehmen heikel werden können. Am 25. Mai tritt die Datenschutz-Grundverordnung in Kraft, die Verstöße mit drakonischen Strafen ahndet. „Freilich wissen wir heute nicht, wie die Datenschutzbehörde mit solchen Fällen umgehen wird, aber bei wiederholten Verstößen werden empfindliche Strafen nicht ausbleiben“, sagt Anwalt Mario Rieger.
Doch dieses Worst-Case-Szenario sollte sich vermeiden lassen, wenn sich der Arbeitgeber mit seinem Mitarbeiter zusammensetzt und ausmacht, wie sein Ausscheiden nach außen kommuniziert und wie mit den einlangenden Mails verfahren wird, sagt Rechtsanwalt Patrick Kainz. „Am sinnvollsten ist es, eine automatische Antwort zu erstellen, aus der hervorgeht, dass der Empfänger das Unternehmen verlassen hat, der E-Mail-Account nicht mehr aktiv ist und dem Absender eine E-Mail-Adresse mitgeteilt wird, an die er seine Nachricht erneut senden kann.“Bloß passiert das häufig nicht – sei es, weil beide Seiten nicht daran gedacht haben oder man eben nicht im Guten, sondern abrupt auseinandergegangen ist. Doch was dann?
Ob ein Arbeitgeber den E-Mail-Account des Arbeitnehmers nach Verlassen des Betriebs durchsuchen darf, hängt davon ab, ob der Arbeitgeber seinem Arbeitnehmer erlaubt hat, diesen auch für private Zwecke zu nutzen oder es ausdrücklich untersagt hat. „Letzteres rate ich jedem Arbeitgeber schriftlich in der IT-Policy zu tun“, sagt Arbeitsrechtsexperte Oliver Walther. „Jeder Mitarbeiter hat heute ein Mobiltelefon und kann seine private Korrespondenz problemlos darüber erledigen.“Der Vorteil: Verlässt der Arbeitnehmer das Unternehmen, hat der Arbeitgeber mehr Spielraum. „Wenn dem Mitarbeiter jede private Nutzung verboten war, dann kann der Arbeitgeber grundsätzlich davon ausgehen, dass sich in der Mailbox des ehemaligen Mitarbeiters lediglich dienstliche und keine persönlichen Daten befinden“, sagt Riegler. „Und geschäftliche Mails darf der Arbeitgeber selbstverständlich lesen, schließlich ist es in seinem Interesse, dass Mails seiner Kunden nicht unbeantwortet bleiben.“
Auch eine Weiterleitung der Mails an einen aktiven Account ist in diesem Fall unbedenklicher, weil der Chef nicht mit Liebesbriefen, medizinischen Befunden oder anderen persönlichen Botschaften rechnen muss. Allerdings: Sollte sich beim Sichten der Mails herausstellen, dass der Arbeitnehmer – trotz Verbots – auch private Mails gesendet und empfangen hat, darf der Chef sie nicht lesen. Er käme damit in den Besitz personenbezogener Daten, und zwar ohne Zustimmung seines ehemaligen Mitarbeiters. Das ist rechtswidrig.
Noch viel vorsichtiger muss der Arbeitgeber sein, wenn er während des aufrechten Arbeitsverhältnisses seinem Angestellten die Privatnutzung erlaubt oder sie zu- mindest geduldet hat. „Wenn er dann dessen E-Mails kontrolliert, stellt das einen deutlich stärkeren Eingriff in die Persönlichkeitsrechte dar“, sagt Rieger.
Am besten löst man diese Situation, indem man den baldigen Ex-Mitarbeiter auffordert, alle privaten Daten aus der Mailbox zu löschen, und ihm dafür ausreichend Zeit lässt. „Und der Arbeitgeber sollte sich vom Arbeitnehmer bis zu seinem letzen Arbeitstag bestätigen lassen, dass er das auch getan hat und nun dem Zugriff auf die verbliebenen Mails zustimmt“, sagt Kainz. „Dann ist man auf der sicheren Seite.“