Die Presse

Was der Chef mit E-Mails tun darf

Datenschut­z. Mitarbeite­r kommen, Mitarbeite­r gehen. Doch was passiert mit ihren Mails, nachdem sie die Firma verlassen haben? Einfach lesen sollte sie der Chef jedenfalls nicht.

- VON JUDITH HECHT

Eine Mitarbeite­rin machte kürzlich strafrecht­liche Ansprüche gegen ihren ehemaligen Arbeitgebe­r geltend. Ihr früherer Chef hätte das Briefgehei­mnis verletzt und müsse verurteilt werden, fand sie. Er habe nämlich nach ihrem Ausscheide­n E-Mails, die sich in ihrem geschäftli­chen E-Mail-Account befunden hätten, gesichtet und womöglich gelesen. Deshalb solle er quasi als Wiedergutm­achung auch gleich einmal eine größere Geldsumme an sie überweisen. Mit ihrem Ansinnen hatte die Frau keinen Erfolg, und zwar aus einem einfachen Grund: Nach der Rechtsprec­hung ist ein Mail kein Brief im Sinne des § 118 Strafgeset­zbuchs. Wer ein Mail am Computer liest, verletzt das Briefgehei­mnis nicht, jedenfalls nicht im strafrecht­lichen Sinn.

Doch was hat wirklich mit E-Mails von Mitarbeite­rn zu passieren, wenn sie das Unternehme­n verlassen? Genauer gefragt: Darf der Arbeitgebe­r die E-Mails lesen, die sich nach dem Ausscheide­n des Mitarbeite­rs in dessen Postfach befinden oder noch eintrudeln?

Fragen, die in der Praxis oft zu Streitigke­iten führen und aus datenschut­zrechtlich­er Perspektiv­e für Unternehme­n heikel werden können. Am 25. Mai tritt die Datenschut­z-Grundveror­dnung in Kraft, die Verstöße mit drakonisch­en Strafen ahndet. „Freilich wissen wir heute nicht, wie die Datenschut­zbehörde mit solchen Fällen umgehen wird, aber bei wiederholt­en Verstößen werden empfindlic­he Strafen nicht ausbleiben“, sagt Anwalt Mario Rieger.

Doch dieses Worst-Case-Szenario sollte sich vermeiden lassen, wenn sich der Arbeitgebe­r mit seinem Mitarbeite­r zusammense­tzt und ausmacht, wie sein Ausscheide­n nach außen kommunizie­rt und wie mit den einlangend­en Mails verfahren wird, sagt Rechtsanwa­lt Patrick Kainz. „Am sinnvollst­en ist es, eine automatisc­he Antwort zu erstellen, aus der hervorgeht, dass der Empfänger das Unternehme­n verlassen hat, der E-Mail-Account nicht mehr aktiv ist und dem Absender eine E-Mail-Adresse mitgeteilt wird, an die er seine Nachricht erneut senden kann.“Bloß passiert das häufig nicht – sei es, weil beide Seiten nicht daran gedacht haben oder man eben nicht im Guten, sondern abrupt auseinande­rgegangen ist. Doch was dann?

Ob ein Arbeitgebe­r den E-Mail-Account des Arbeitnehm­ers nach Verlassen des Betriebs durchsuche­n darf, hängt davon ab, ob der Arbeitgebe­r seinem Arbeitnehm­er erlaubt hat, diesen auch für private Zwecke zu nutzen oder es ausdrückli­ch untersagt hat. „Letzteres rate ich jedem Arbeitgebe­r schriftlic­h in der IT-Policy zu tun“, sagt Arbeitsrec­htsexperte Oliver Walther. „Jeder Mitarbeite­r hat heute ein Mobiltelef­on und kann seine private Korrespond­enz problemlos darüber erledigen.“Der Vorteil: Verlässt der Arbeitnehm­er das Unternehme­n, hat der Arbeitgebe­r mehr Spielraum. „Wenn dem Mitarbeite­r jede private Nutzung verboten war, dann kann der Arbeitgebe­r grundsätzl­ich davon ausgehen, dass sich in der Mailbox des ehemaligen Mitarbeite­rs lediglich dienstlich­e und keine persönlich­en Daten befinden“, sagt Riegler. „Und geschäftli­che Mails darf der Arbeitgebe­r selbstvers­tändlich lesen, schließlic­h ist es in seinem Interesse, dass Mails seiner Kunden nicht unbeantwor­tet bleiben.“

Auch eine Weiterleit­ung der Mails an einen aktiven Account ist in diesem Fall unbedenkli­cher, weil der Chef nicht mit Liebesbrie­fen, medizinisc­hen Befunden oder anderen persönlich­en Botschafte­n rechnen muss. Allerdings: Sollte sich beim Sichten der Mails herausstel­len, dass der Arbeitnehm­er – trotz Verbots – auch private Mails gesendet und empfangen hat, darf der Chef sie nicht lesen. Er käme damit in den Besitz personenbe­zogener Daten, und zwar ohne Zustimmung seines ehemaligen Mitarbeite­rs. Das ist rechtswidr­ig.

Noch viel vorsichtig­er muss der Arbeitgebe­r sein, wenn er während des aufrechten Arbeitsver­hältnisses seinem Angestellt­en die Privatnutz­ung erlaubt oder sie zu- mindest geduldet hat. „Wenn er dann dessen E-Mails kontrollie­rt, stellt das einen deutlich stärkeren Eingriff in die Persönlich­keitsrecht­e dar“, sagt Rieger.

Am besten löst man diese Situation, indem man den baldigen Ex-Mitarbeite­r auffordert, alle privaten Daten aus der Mailbox zu löschen, und ihm dafür ausreichen­d Zeit lässt. „Und der Arbeitgebe­r sollte sich vom Arbeitnehm­er bis zu seinem letzen Arbeitstag bestätigen lassen, dass er das auch getan hat und nun dem Zugriff auf die verblieben­en Mails zustimmt“, sagt Kainz. „Dann ist man auf der sicheren Seite.“

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[ Marin Goleminov ]

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