Die Presse

Spionageso­ftware ist kein neues, tolles Spielzeug

Skepsis gegenüber den Überwachun­gsplänen der Regierung ist berechtigt.

- VON ANGELIKA ADENSAMER Angelika Adensamer ist Juristin und Kriminolog­in und als Beraterin bei epicenter.works tätig, einer NGO, die sich für Grundrecht­e im digitalen Zeitalter einsetzt. Sie ist als Expertin zum heutigen Hearing der Opposition­sparteien zum

Ich bin keine Technikeri­n, verstehe mich aber als Digital Native. Das ist eine Person, die mit dem Internet groß geworden ist und deswegen ein intuitives Verständni­s für digitale Anwendunge­n hat und zugleich wenig Berührungs­ängste.

Während für eine ältere Generation die „digitale Gretchenfr­age“immer noch zu sein scheint, ob immer mehr Lebensbere­iche digitalisi­ert werden sollten, führt für meine Generation kein Weg mehr daran vorbei. Uns stellen sich ganz andere Fragen: Wie schnell kommt der Umstieg? Wie sollen die neuen Systeme funktionie­ren? Wer profitiert davon und auf wessen Kosten? Wie sicher ist das überhaupt? Für die Regierung, die sich die Digitalisi­erung auf die Fahnen schreibt, scheint das „Wie“jedoch weniger Bedeutung zu haben.

Die Polizei soll einen Bundestroj­aner bekommen, eine staatliche Spionageso­ftware zur Überwachun­g verschlüss­elter Nachrichte­n. Der zivilgesel­lschaftlic­he Widerstand gegen seine Einführung ist seit 2016 massiv, und die Kritik kam aus allen Richtungen: von der TU Wien, über die Rechtsanwa­ltskammer und Amnesty Internatio­nal bis zu Internet Service Providers. Das Gesetz soll Ende April im Nationalra­t beschlosse­n werden.

Gegen den Bundestroj­aner gibt es technische Bedenken, weil die dafür verwendete­n Sicherheit­slücken in Betriebssy­stemen das Potenzial haben, kritische Infrastruk­tur zu gefährden. Dieses Risiko wird von der Regierung komplett ignoriert.

Bundeskanz­ler Sebastian Kurz gab im Nationalra­t zu, sich dieses Problems nicht bewusst zu sein. Das bedeutet, dass wir in dieser Sache noch nicht einmal bei der eigentlich­en politische­n Frage angelangt sind. Sie müsste lauten: „Welches Risiko können und wollen wir eingehen, um verschlüss­elte Nachrichte­n überwachen zu können?“Solange die faktische Ebene des Risikos nicht anerkannt wird und technische Argumente als „Totschlaga­rgumente“gelten, (so der Wiener Polizeiche­f Gerhard Pürstl zum Bundestroj­aner) führen wir keine aufgeklärt­e, faktenbasi­erte Debatte, sondern eine, die auf Fantasien über allmächtig­e Technologi­en beruht.

Ich mache mir Sorgen, dass Software und Technologi­e von Politikern in Machtposit­ionen in erster Linie wie Statussymb­ole eingesetzt werden. Man möchte teure Geräte, die neue Möglichkei­ten verspreche­n, das Smart Home oder das letzte iPhone. Damit signalisie­rt man Reichtum, Fortschrit­t und Modernität.

Auch das „kleine Österreich“soll einen Bundestroj­aner bekommen, um mit den Nachbarn mithalten zu können. Ich hoffe, die Regierung wird feststelle­n, dass eine Spionageso­ftware kein Spielzeug ist, bevor es zu spät ist. Es gibt keine Spionageso­ftware, die ein einfaches, tolles, neues Gadget ist, wie in einem feuchten Traum mit James-Bond-Film-Setting.

Die Software für einen Bundestroj­aner ist für IT-Systeme gefährlich, teuer und kann nicht auf ihre grundrecht­lich legitimen Funktionen eingeschrä­nkt werden. Beweise aus einem infizierte­n Computersy­stem haben kaum Wahrheitsg­ehalt und internatio­nale SpywareAnb­ieter machen auch Deals mit autoritäre­n Regimen.

Wer bei den aktuellen Überwachun­gsplänen der Regierung skeptisch ist, ist nicht gegen das Digitale, das Internet und die Moderne. Ganz im Gegenteil: Wir, die das Internet verstehen, mit ihm aufgewachs­en sind und es nie wieder missen wollen, sind auch die, die dafür kämpfen, dass es frei und sicher bleibt.

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