Handelsstreit USA/ China spitzt sich zu
Strafzölle. Die 50-Milliarden–Liste soll Chinas ehrgeizige Pläne bremsen. Nach dem prompten Gegenschlag könnte der Handelskrieg voll ausbrechen – oder Peking ändert sein Geschäftsmodell.
US-Präsident Donald Trump hat seine Drohung wahr gemacht: Das Weiße Haus erstellte eine Liste mit 1300 chinesischen Importprodukten im Wert von 50 Mrd. Dollar, die mit einem Strafzoll von 25 Prozent belegt werden sollen. Peking reagierte prompt mit einer Liste von US-Waren, die ein gleich hohes Volumen an Importen nach China repräsentieren. Damit rückt ein echter Handelskrieg näher. Allerdings laufen in den USA bis Mitte Mai öffentliche Anhörungen, womit die Zölle erst frühestens Ende Mai in Kraft treten könnten. Damit bleibt ein relativ langer Zeitraum für Verhandlungen, die im Hintergrund weiter intensiv laufen. Die USA beschuldigen China, geistiges Eigentum an sich zu reißen oder zu stehlen. Ein besonderer Dorn im Auge ist ihnen, dass ausländische Investoren Joint Ventures mit chinesischen Partnern eingehen müssen.
Diplomaten finden stets gesittete Worte. „Es ist nur höflich, sich zu revanchieren“, bemühte Chinas Botschafter in Washington ein Sprichwort aus seiner Heimat. Soeben hatte Peking verkündet, welche US-Importe im Wert von 50 Mrd. Dollar es mit Strafzöllen von 25 Prozent bedroht – als spiegelbildliche Vergeltung für die Liste mit 1300 Produkten, die das Weiße Haus nur elf Stunden davor publik gemacht hatte, um China im Handelsstreit in die Knie zu zwingen.
Beides, Schlag und Gegenschlag, waren angekündigt. Dennoch: Was bisher nur ein eher symbolisches Geplänkel war, steuert nun konkret auf einen voll ausgewachsenen Handelskrieg zu, wie ihn die Welt seit Jahrzehnten nicht erlebt hat. Im Hintergrund aber laufen die Verhandlungen weiter. Für sie bleibt Zeit: Bis Mitte Mai kann die US-Öffentlichkeit zu den Strafmaßnahmen Stellung nehmen, frühestens Ende Mai könnten die Zölle in Kraft treten – und Chinas Retourkutsche anrollen.
Die US-Maßnahmen sind ein ausdrücklicher Angriff auf die Strategie „Made in China 2025“, mit der die zweitgrößte Volkswirtschaft staatlich gelenkt auch zur technologischen Supermacht aufsteigen will, mit hausgemachten Produkten in Sparten wie Industrierobotik, Raumfahrt, Pharma, Halbleiter, Elektroautos und Hochgeschwindigkeitszügen. Die Liste zielt deshalb großteils auf anspruchsvollere Waren ab.
Ein Algorithmus hat sie erstellt und einfache Güter wie Kleidung und Schuhe ausgespart, um die Kaufkraft der US-Konsumenten zu schonen. Betroffen wären hingegen viele US-Industrieunternehmen, für die sich Vorprodukte aus China verteuern – was sie bald an die Kunden weitergeben müssten. Pekings Liste zielt breiter auf USGüter ab: Agrarprodukte wie Soja und Hirse, Autos, Flugzeuge (wie ältere Boeing-Modelle) und Symbolstarkes wie Whiskey und Wein. Freilich: US-Präsident Trump kann den Chinesen schwerlich verbieten, sich wie alle anderen für die Zukunft zu rüsten. Der Vorwurf lautet, dass sie es auf unfaire Weise tun, indem sie amerikanischen (und europäischen) Unternehmen ihren technologischen Vorsprung „absaugen oder stehlen“.
Historischer US-Kurswechsel
Stein des Anstoßes ist vor allem, dass Direktinvestoren nur im Rahmen von Joint Ventures mit einem 51-Prozent-Partner vor Ort Fuß fassen dürfen. Dieser eigne sich dann typischerweise mit staatlichem Rückhalt das fremde Knowhow „durch Zwang“an – was Peking freilich vehement bestreitet.
Dazu kämen, laut einem vom Weißen Haus beauftragten Gutachten, häufige Cyberspionage und massive Subventionen für chinesische Konkurrenten in strategisch wichtigen Branchen. Tatsächlich klagen US-Firmen über solche Praktiken. Aber ihre Verbände wollen das wie gewohnt am Verhandlungstisch lösen. Sie halten einen Handelskrieg, der alle schädigt, für den falschen Weg.
Trumps Strafmaßnahmen sind der aggressivste Schritt, den ein US-Präsident seit Jahrzehnten im Handel mit China gesetzt hat – genauer seit Anfang der 1970er-Jahre, als Nixon die diplomatischen Beziehungen mit Maos Reich normalisierte. Die drei Vorgänger Trumps hatten das konträre Ziel, China immer stärker in den geordneten globalen Handel einzubinden. Sie geleiteten das Land in die Welthandelsorganisation (WTO) und verhandelten, langwierig und mühsam, über eine schrittweise Öffnung des großen Marktes überall dort, wo es auch die chinesische Seite für sinnvoll hielt.
Das alles geht Trump nun viel zu langsam. Er will das US-Handelsdefizit mit China – es betrug im Vorjahr 375 Mrd. Dollar – um 100 Mrd. Dollar reduzieren. Das ist auf die Schnelle nur durch einen echten Handelskrieg möglich, der massiven Schaden anrichten und nur Verlierer zurücklassen würde. Sehr wohl denkbar ist, dass China sein Geschäftsmodell in kleinen Teilen korrigiert und Trump gerade soweit entgegenkommt, dass er vor der Midterm-Wahl Ende des Jahres damit trommeln kann.
Peking könnte die Anforderungen für Direktinvestoren lockern, vor allem im Finanzsektor und im Gesundheitswesen, wo Kapital von außen dringend benötigt wird (dazu liefen bereits Gespräche). Und man könnte mehr Lizenzen für fremdes geistiges Eigentum zahlen. Das alles könnte Trump als Sieg verkaufen. Freilich hätte es keinen unmittelbaren Einfluss auf das Handelsdefizit, sondern verbesserte nur mittelfristig die Chancen im Wettbewerb – auch für Europa, das vorerst einmal mehr auf der Zuschauerbank sitzt.