Die Presse

Ex-Präsident ging ins Gefängnis

Brasilien. Lula da Silva (72) gab nach kurzem Widerstand gegen den letztinsta­nzlichen Haftbeschl­uss in der Nacht auf Sonntag auf. Der Sozialist soll wegen Korruption zwölf Jahre absitzen.

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Der wegen Korruption letztinsta­nzlich zu zwölf Jahren und einem Monat Haft verurteilt­e brasiliani­sche Ex-Präsident Luiz Inacio´ Lula da Silva hat sich in der Nacht auf Sonntag (MESZ) nach einigem Hin und Her der Polizei gestellt. Lula hatte am Samstagabe­nd das Gebäude der Metallerge­werkschaft in Sao˜ Bernardo do Campo im südlichen Bundesstaa­t Sao˜ Paulo verlassen und wurde von Beamten der Bundespoli­zei in Gewahrsam genommen.

Auf Liveaufnah­men war zu sehen, wie sich der 72-Jährige mithilfe seiner Leibwächte­r den Weg durch eine Menge von Anhängern bahnte, die sich in und vor dem Gebäude versammelt hatten. Er stieg in ein Auto der Bundespoli­zei, das, begleitet von anderen Einsatzfah­rzeugen, Richtung Autobahn fuhr. Demonstran­ten hatten sich die ganze Zeit über Zusammenst­öße mit der Polizei geliefert.

Vergleichs­weiser Luxus

Lula wurde wenig später nach Curitiba im Staat Parana´ noch weiter südlich geflogen, wo er vorerst im lokalen Hauptquart­ier der Bundespoli­zei in einer 15 Quadratmet­er großen Einzelzell­e mit Balkon und Waschraum untergebra­cht ist. Der frühere Präsident (2003–2011) dürfte aber nach noch unbestimmt­er Zeit in eine Anstalt in Sao˜ Paulo oder in das nicht unluxuriös­e, krankenhau­sartige Gefängnis Complexo Medico-´Penal de Pinhais nahe Curitiba gebracht werden.

Lula hatte, nachdem das Oberste Gericht des Landes seine letzten Rechtsmitt­el verworfen hatte, am Samstag nach anfänglich­er Weigerung angekündig­t, dass er sich stellen werde. Der Politiker und „Held“der Arbeiterpa­rtei war im Vorjahr wegen Korruption und Geldwäsche rechtskräf­tig zu besagten zwölf Jahren und einem Monat Gefängnis verurteilt worden.

Brasiliani­schen Medien zufolge könnte er aber schon 2020 Hafterleic­hterungen erhalten, etwa Freigang untertags, und bei guter Führung, wegen Gesundheit­sproblemen oder durch eine Begnadi- gung des jeweils amtierende­n Staatschef­s früher freikommen.

Am Samstag hatte Lula noch eine Messe für seine im Vorjahr verstorben­e Frau besucht und danach eine flammende Rede vor Tausenden Anhängern gehalten: „Je mehr sie mich angreifen, desto mehr wächst meine Beziehung zum brasiliani­schen Volk“, sagte er unter anderem.

Dem Urteil zufolge ließ er sich als Präsident von der größten brasiliani­schen Baufirma OAS eine Luxuswohnu­ng in der Küstenstad­t Guaruja im Teilstaat Sao˜ Paulo finanziere­n und ausbauen sowie eine große Summe in bar schenken. OAS soll im Gegenzug bei Verträgen mit dem staatliche­n Ölkonzern Petrobras begünstigt worden sein.

Lula weist die gegen ihn erhobenen Vorwürfe nach wie vor zurück und wertet das Verfahren als Versuch, seine Präsidents­chafts- kandidatur für die Wahl im Herbst zu verhindern. Er galt bisher als aussichtsr­eichster Kandidat für den Urnengang im Oktober.

Ein Riesenland als Riesensump­f

Auch gegen den amtierende­n Präsidente­n, Michel Temer von der konservati­ven Partei der demokratis­chen Bewegung, werden Korruption­svorwürfe erhoben. Mehrere Minister seiner Regierung (seit 2016) mussten zurücktret­en. Der frühere Vizepräsid­ent war zum Zug gekommen, nachdem Lulas Nachfolger­in und Parteikoll­egin Dilma Rousseff wegen Verstößen bei der Gebarung der Staatsfina­nzen abgesetzt worden war. (wg/ag.)

(*1945 in Garanhuns, Bundesstaa­t Pernambuco) wuchs als eines von sieben Kindern armer Eltern auf, ab 1952 in Sao˜ Paulo. Er ging nur wenige Jahre zur Schule und war lange Tagelöhner. Nach einer Lehre zum Metallfach­arbeiter arbeitete er in einem Metallwerk, wurde Gewerkscha­ftschef in Sao˜ Paulo, gründete 1980 die Arbeiterpa­rtei, war ab 1986 Kongressmi­tglied. Regierte als Präsident 2003 bis 2011.

Je mehr sie mich angreifen, desto mehr wächst meine Beziehung zum brasiliani­schen Volk.“ Ex-Präsident Lula da Silva

 ?? [ Reuters, APA ] ?? Ex-Präsident Lula da Silva wurde in der Nacht auf Sonntag von der Polizei nach einem Abschiedsa­uftritt in einem Gewerkscha­ftshaus abgeführt.
[ Reuters, APA ] Ex-Präsident Lula da Silva wurde in der Nacht auf Sonntag von der Polizei nach einem Abschiedsa­uftritt in einem Gewerkscha­ftshaus abgeführt.
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