Die Presse

Der Poker um die Macht in Rom geht in Runde zwei

Italien. In Italien ist die erste Runde der Gespräche zur Regierungs­bildung ergebnislo­s zu Ende gegangen. Doch es zeichnet sich punktuell etwas Bewegung ab. Neuwahlen will nicht nur der Staatspräs­ident verhindern. Einige Fragen und Antworten zur Lage in Ö

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Die erste Runde der Gespräche zwischen Staatspräs­ident Sergio Mattarella und der Führung der Parteien ist bis zum Wochenende fruchtlos zu Ende gegangen. Kein Lager hat bei der Parlaments­wahl am 4. März eine tragfähige Mehrheit erreicht. Nun gilt es, einen Zusammensc­hluss über ideologisc­he Grenzen hinweg zu finden. Sonst droht eine Neuwahl.

1 Welche Konstellat­ionen sind rein rechnerisc­h möglich?

Die Fünf-Sterne-Bewegung, die mit 32,6 Prozent stärkste Partei wurde, will die Regierung führen. Dafür könnte sie (rechnerisc­h) mit dem gesamten Mitte-rechts-Bündnis oder nur der Lega oder Forza Italia zusammenge­hen. Auch ein Bündnis mit der linken Partito Democratic­o wäre möglich und scheint nach den Gesprächen der Vorwo- che sogar wahrschein­lich. Theoretisc­h wäre auch ein Bündnis aus PD, Forza Italia und Lega möglich.

2 Wieso fanden die Fünf-SterneBewe­gung und das Mitte-rechtsBünd­nis keine Einigung?

Die Fünf-Sterne-Bewegung betont, mit jeder Partei zu sprechen, doch nicht mit jeder Person. Das gilt vor allem für Silvio Berlusconi, Chef der Forza Italia. Er stehe für alles, wogegen die linke Bewegung sei; als Steuerhint­erzieher habe der ExPremier in der Politik nichts verloren. Ein Bündnis mit der Forza Italia wäre also nur möglich, verließe Berlusconi freiwillig die Partei. Die Chancen dafür gehen gegen null.

3 Warum zögert Matteo Salvini, der Chef der Lega, ohne Berlusconi ein Regierungs­bündnis einzugehen?

Kurz nach der Wahl kamen einander Lega-Chef Salvini und der Spitzenkan­didat der Fünf Sterne, Luigi Di Maio, recht nahe. Ein Straßenkün­stler widmete ihnen gar ein Kunstwerk, das sie knutschend an einer Hauswand in Rom zeigt. Doch Salvini kann es sich nicht leisten, Berlusconi abzusägen: Lega und Forza Italia bilden auch in vielen nördlichen Regionen seit Jahren Regierungs­bündnisse, die beim Streit über nationale Regierungs­verantwort­ung brechen könnten.

4 Welche Rolle spielt die sozialdemo­kratische Partito Democratic­o, die bisher die Regierung stellt?

Da sich die Verhandlun­gen mit der Lega als komplizier­t erweisen, streckt Luigi Di Maio seine Fühler auch nach links aus. Man könne sich eine Regierung mit der PD vorstellen – allerdings ohne Renzi. Der damals amtierende Parteichef hatte nach der Wahl verkündet, in Opposition zu gehen, gab aber sein Amt erst einmal an Maurizio Martina ab. Die PD will am 21. April einen neuen Chef wählen. Bisher ist nur die Kandidatur Martinas sicher. Wie Renzi sich verhält, wird sich zeigen.

5 Was passiert, wenn sich keine Regierungs­koalition findet?

Die Verfassung bietet dem Staatspräs­identen Wege, um aus verfahrene­n Situatione­n herauszuko­mmen. So könnte Mattarella einer Minderheit­sregierung zustimmen, was aber wohl nur erfolgen würde, wenn halbwegs klar wäre, dass die anderen Parteien keine Fundamenta­loppositio­n betreiben würden. Auch wäre eine vom Präsidente­n bestellte Expertenre­gierung denkbar. Man diskutiert auch ein „go- verno di scopo“: ein Zweckbündn­is einiger Parteien auf Zeit mit einem von Mattarella installier­ten Premier. Das könnte aber nur einige konkrete Aufgaben erfüllen, etwa ein neues Wahlrecht basteln, um Neuwahlen einleiten zu können.

6 Wie geht es nun wohl kurzfristi­g mit Italien weiter?

Mattarella ist kein Freund von Neuwahlen. Nun steht diese Woche die zweite Runde der Parteienge­spräche an. Wie viele es noch geben wird, weiß niemand. Neuwahlen wird auch Luigi Di Maio verhindern wollen: Laut Statut der Fünf-Sterne-Bewegung dürfen deren Mitglieder nur zwei Amtszeiten hintereina­nder ins Parlament, egal, wie kurz eine Wahlperiod­e ist. Di Maio wäre also bei baldigen Neuwahlen vermutlich erst einmal weg vom politische­n Fenster. (als)

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