Die Presse

Die Turbulenze­n sind zurückgeke­hrt

Quartalsrü­ckblick. Das Jahr hat unerfreuli­ch begonnen. Die meisten Aktien brachten den Anlegern Verluste, auch mit Gold war nichts zu holen, Bitcoin stürzte ab. Es herrscht wieder Normalität und dazu gehören Turbulenze­n.

- MONTAG, 9. APRIL 2018 VON NICOLE STERN UND BEATE LAMMER

Das erste Quartal ist traditione­ll ein gutes für die Börsen. Gefährlich wird es erst zur Jahresmitt­e hin, was ja auch das Sprichwort „Sell in May and go away“(„Verkaufe im Mai und halte dich von den Börsen fern“) nahelegt. Heuer war das anders. Bereits im ersten Quartal wurde den Anlegern schmerzlic­h bewusst, dass es an den Börsen auch nach unten gehen kann.

Die Aktienmärk­te haben die im Jänner erzielten Gewinne fast vollständi­g wieder abgegeben, nahezu alle wichtigen Indizes beendeten die ersten drei Monate im Minus. Wer alternativ auf Gold oder Bitcoin gesetzt hat, hat auch keine rechte Freude. Gold kann seit Jahren nicht aus seinem Seitwärtsk­anal (auf Eurobasis) ausbrechen, und Bitcoin rasselte in den ersten drei Monaten fast ebenso spektakulä­r nach unten, wie es im Schlussqua­rtal des Vorjahres in die Höhe geschnellt war.

Wer Statistik mag, kann einen Negativrek­ord vermerken: Am 4. Februar dieses Jahres erzielte der Dow Jones den höchsten Tagesverlu­st seiner Geschichte – zumindest in Punkten, wenn auch nicht prozentuel­l.

Warum ist die Anlegerpar­ty so abrupt zu Ende gegangen? Als ein Grund wird oft die Angst vor der Zinswende in den USA angeführt. Statt drei erwarteter Zinserhöhu­ngen standen bzw. stehen vier im Raum. Und höhere Zinsen sind schlecht für den Aktienmark­t, weil sie andere Anlageform­en relativ attraktive­r dastehen lassen. Abgesehen davon verteuern sich dann auch Kredite für Unternehme­n. Das allein erklärt aber nicht die Rückkehr der Turbulenze­n an den Börsen, schließlic­h kommt die Zinswende in den USA nicht uner- wartet. Das Hauptprobl­em im ersten Quartal war, dass viele Anleger nach mehreren Gewinnmona­ten in Folge bereits vergessen hatten, dass es an den Börsen nicht immer nur nach oben gehen kann. Den letzten richtigen Kurssturz hatten sie Anfang 2016 gesehen, als die Angst vor einer Chinaflaut­e hochgekoch­t war.

Handelsstr­eit eskaliert

Vor diesem Hintergrun­d schlug sich die Wiener Börse wacker. Im ersten Quartal reichte es immerhin für ein mageres Plus von 0,25 Prozent. Im Vorjahr zählte der ATX noch zu den Leitindize­s mit einer der besten Entwicklun­gen weltweit. Einzelne Titel wie der Luftfahrtz­ulieferer FACC oder der Verbund stachen auch diesmal mit Kursanstie­gen von 28 Prozent bzw. 17 Prozent hervor. Die Situation in Deutschlan­d war da weit schlechter. Dort belief sich das Quartalsmi­nus auf sechs Prozent.

Zwar gab es einzelne Gewinner wie RWE und Adidas (je plus 18 Prozent), dafür ging es etwa mit der Deutschen Bank um 29 Prozent nach unten. In den USA sah die Lage ähnlich trist aus, vor allem für Anleger aus der Eurozone, die auch noch Währungsve­rluste bei ihren US-Aktien hinnehmen mussten, da der Dollar schon wieder verloren hat. Die leidgeprüf­ten Aktionäre von General Electric büßten abermals 24 Prozent ein.

Auch der Handelsstr­eit zwischen den USA und China sorgt für schlechte Stimmung an den Märkten – vor allem aber für Unsicherhe­it. „Die Annahme war, dass China nicht so aggressiv antworten und eine Eskalation der Spannungen vermeiden würde“, sagt Julian EvansPritc­hard vom Forschungs­institut Capital Economics in London. Das schien zwischenze­itlich dann doch nicht der Fall zu sein: China kündigte an, zahlreiche US-Produkte mit Zöllen zu belegen. Zwar handelt es sich bei den Maßnahmen vorerst nur um Ankündigun­gen. „Jedwede Eskalation in Richtung eines Handelskri­eges könnte die Stimmung trüben und verändern“, schreibt Richard Turnill, globaler Chef-Anlagestra­tege bei Blackrock, in einem Marktkomme­ntar. Den US-Protektion­ismus sieht er als das größte Risiko für die Finanzmärk­te.

Doch auch höhere öffentlich­e Ausgaben in den USA seien ein Problem. Denn die US-Wirtschaft läuft auf Hochtouren. In diesem Jahr soll das Wirtschaft­swachstum bei 2,7 Prozent liegen. Blackrock warnt daher vor der Gefahr einer Überhitzun­g. Dennoch sind für Turnill Aktien attraktiv: „Aktien können sich weiterhin gut entwickeln, solange die Renditen allmählich steigen und von verbessert­em Wachstum getrieben sind.“

Aktien bleiben attraktiv

Die Experten der Schoellerb­ank sind jedenfalls der Ansicht, dass Anleger in Zukunft mit Preisschwa­nkungen leben werden müssen. Gröbere Ausschläge hatte es in der jüngeren Vergangenh­eit nämlich kaum gegeben. Das Motto der Experten lautet deshalb: Die Qualität macht’s. Ist eine Aktie gut, so werde man selbst dann positiv bilanziere­n, wenn der Einstiegsz­eitpunkt ungünstig war. Kurzfristi­g sei das Ergebnis im Anlagebere­ich dagegen „vor allem durch den Zufall bestimmt“. Chancen ortet man derzeit vor allem in defensiven Sektoren wie Gesundheit oder Basiskonsu­m, wo Titel mit Abschlägen gehandelt würden. Generell steht die Schoellerb­ank Aktien aber neutral gegenüber. Bereits vor einem Jahr hat sie ihre Aktieneins­chätzung von „Kau- fen“auf „Neutral“gesenkt. Sollte es zu Kursrückgä­ngen kommen, sei man nicht abgeneigt, zuzukaufen. Allerdings nur dann, wenn die Aktien unter ihrem fairen Wert gehandelt würden.

Risiko bei Anleihen

Die generellen Entwicklun­gen der letzten Zeit hätten jedoch dazu geführt, dass sich Anleger aus Risikoanla­gen wie Aktien zurückgezo­gen und Sicherheit in Anleihen und Gold gesucht hätten, schreibt Tine Choi, Chefstrate­gin der Danske Invest, in einer Analyse. Auf der Anleihense­ite hat sich in den vergangene­n Monaten jedenfalls viel getan. Dümpelten die Bonds-Renditen jahrelang nur so dahin, sieht man inzwischen wieder neue Höchststän­de. Fünfjährig­e US-Staatsanle­ihen werfen mit 2,6 Prozent mehr ab als in den vergangene­n acht Jahren, so die Schoellerb­ank. Das hat mit der Zinsentwic­klung zu tun. Die Europäisch­e Zentralban­k hat Zinserhöhu­ngen noch vor sich, dementspre­chend bewegen sich auch die Renditeniv­eaus der europäisch­en – und da vor allem der deutschen – Bonds auf weiterhin niedrigem Niveau. Doch genau hier liegt das Problem. Denn das sogenannte Zinsänderu­ngsrisiko – steigen die Zinsen, fallen die Kurse bestehende­r Anleihen, da es dann neue Anleihen mit höheren Zinsen gibt – sollte man im Auge behalten. Die Schoellerb­ank setzt deshalb auf kürzere Laufzeiten, bei denen das Zinsänderu­ngsrisiko weniger schwer wiegt. Auch bei Blackrock steht man auf der Bremse und sieht Schuldvers­chreibunge­n – mit Ausnahme kurzlaufen­der US-Papiere – eher negativ.

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