Platzt die Immobilienblase in den nächsten fünf Jahren?
Wohnen. In Wien zeige sich eine Überhitzung, meint ein Experte. In den nächsten fünf Jahren dürften die Preise stagnieren oder gar sinken.
Der Zuzug in die Städte, eine erhöhte Nachfrage nach Wohnraum und die Geldschwemme der Notenbanken haben dazu geführt, dass die Immobilienpreise weltweit gestiegen sind. Auch in Wien. Matthias Ortner, Partner beim Beratungsunternehmen Advicum, sieht dennoch Anzeichen einer Überhitzung. Zwar gebe es einen starken Zuzug in diese Stadt, dieser allein könne aber die hohen Preissteigerungen nicht erklären.
Zudem würden derzeit noch gar nicht alle Möglichkeiten ausgeschöpft, um zusätzliches Wohnangebot zu schaffen: Bis zu 80.000 Wohnungen stünden leer, viele würden kurzfristig (über Airbnb) oder gar nicht vermietet. Dem könnte man mit einer Leerstandsabgabe, aber auch mit einer Lockerung des Mietrechts beikommen. Auch könnte mehr in den Neubau investiert werden. Würde all das passieren, wäre die Kluft zwischen Nachfrage und Angebot nicht mehr so groß. Und dann würde sich noch deutlicher zeigen, dass eine Überhitzung vorliegt.
Ein Signal für eine solche sei, wenn die Kaufpreise stärker steigen als die Mieten. Das war in der österreichischen Bundeshauptstadt in den vergangenen Jahren der Fall. Allerdings handelt es sich in Wien um einen stark geschützten Mietermarkt. Der Anteil an Gemeindewohnungen und Genossenschaftswohnungen ist hoch, hinzu kommen Altbauwohnungen, für die eine Mietobergrenze gilt. Wenn die Kaufpreise steigen, können die Vermieter das nicht in einem ähnlich starken Ausmaß an die Mieter weitergeben. Doch auch ohne diesen Faktor würden die Kaufpreise stärker steigen als die Mieten, schätzt Ortner.
Auch beinhalten die meisten Mietverträge eine Indexklausel, wonach Mieterhöhungen nach dem Verbraucherpreisindex erfolgen. Die Kaufpreise haben sich zuletzt aber stärker verteuert. Neue Mieter müssen dafür oft tiefer in die Tasche greifen als solche mit bestehendem Mietvertrag.
Zweites Anzeichen für eine Überhitzung ist der wellenartige Verlauf der Preisanstiege: Zuerst hätten sich die Preisanstiege auf A-Lagen beschränkt, dann sei die Welle auf mittlere Lagen und schließlich auf Randlagen übergeschwappt. „Das Geld sucht nach neuen Möglichkeiten“, erklärt Ortner. Laut der Oesterreichischen Nationalbank (OeNB) verteuerten sich Wohnimmobilien in Wien zuletzt weniger stark als im Rest Österreichs. Im vergangenen Jahr hat sich der Preisauftrieb sogar ein wenig abgeflacht (siehe Grafik).
Ortner sieht jedoch ein weiteres Warnzeichen: Der Fremdfinanzierungsanteil sei zuletzt gestiegen, vor allem bei institutionellen Investoren, die ganze Wohnimmobilienpakete erwerben.
Solange die Zinsen niedrig bleiben, ist das kein Problem. Noch fährt die Europäische Zentralbank (EZB) eine Nullzinspolitik. Das dürfte sich in den nächsten Jahren aber ändern. Steigen die Zinsen, steigen auch die Tilgungsraten für Kreditnehmer, sofern sie einen variablen Kredit haben. Das könnte institutionelle Investoren, die knapp kalkuliert haben, in Zugzwang bringen. Es könnte häufiger zu Immobilienverkäufen kommen, zudem wür- den sich Neuinvestitionen weniger rechnen. Die Folge: Die Immobilienpreise würden sinken.
Doch wäre das nicht positiv für Wohnungssuchende, die an einem Eigenheim interessiert sind? Ja, meint Ortner. Aber primär für solche, die ihr neues Heim mit einem hohen Eigenmittelanteil finanzieren können. Die anderen müssen sich auf höhere Zinsen für ihren Kredit einstellen.
Doch soll man als Wohnungssuchender jetzt überhaupt ein paar Jahre warten, bis sich eine Abkühlung eingestellt hat? Kommt darauf an. Wenn Wohnbedarf gegeben sei und man eine Zinsabsicherung habe, spiele der Kaufzeitpunkt keine so große Rolle. „Man sollte aber wissen, dass jetzt sicher nicht der günstigste Zeitpunkt ist.“Die Preise in europäischen Ballungszentren könnten – je nach Lage – um bis zu 30 Prozent sinken.
Doch tendenziell steigen die Preise für Immobilien langfristig – wie auch jene für Aktien. Zwischenzeitlich kann es aber nach unten gehen. Wer also eine Wohnung zu Spekulationszwecken kauft, um sie nach fünf Jahren gewinnbringend abzustoßen, könnte sich die Finger verbrennen.