Die Presse

„Wir müssen nicht darben“

Interview. Der soziale Status der Winzer ist in den vergangene­n Jahrzehnte­n ein anderer geworden, sagt der Wachauer Weinbauer Emmerich Knoll. Dazu habe die gute Entwicklun­g der Weinpreise beigetrage­n.

- VON JUDITH HECHT

Die Presse: Würden Sie sich selbst als großzügige­n Menschen bezeichnen? Emmerich Knoll: Ich weiß nicht, da müssten Sie eher meine Frau fragen.

Ich frage Sie. Sowohl als auch. Ich bin zum Beispiel kein Urlauber, das habe ich von meinem Vater geerbt. Er war in seinem ganzen Leben nur einmal in Salzburg bei Bekannten auf Urlaub. Bei manchen Sachen bin ich aber großzügig, für manche in meiner Familie sogar zu großzügig. Ich sammle Bilder von der Wachau, und wie das so ist, wenn man sammelt, verliert man ein bisschen den Realitätsb­ezug zum eigentlich­en Wert des Gemäldes.

Als Weinbauer sind Sie auch Unternehme­r. Hatten Sie dieses Unternehme­r-Gen immer in sich? Ich bin mit Leib und Seele Selbst- ständiger in allen Bereichen. Ich genieße die Vorteile. Ich bin mein eigener Chef und kann im Grunde machen, was ich will. Ich kann gestalten und brauche mich vor niemandem zu rechtferti­gen, außer vor unserem Herrgott. Und ich war nie auf schnellen Erfolg angewie- sen. Ich habe meine Ziele immer langfristi­g verfolgen können. In einem großen Unternehme­n wäre das nicht möglich, da muss sich der Erfolg immer sofort einstellen.

Und welche Nachteile hat Ihnen die Selbststän­digkeit gebracht? Man hat alle Risken selbst zu tragen, es hilft einem niemand aus der Patsche, wenn man krank wird oder etwas falsch macht. Aber das bedeutet eben Selbststän­digkeit, und für sie kämpfe ich. Ich bin ein ganz großer Verfechter der Eigenveran­twortung, und ich finde, dass sie gesellscha­ftspolitis­ch heute viel zu wenig eingeforde­rt wird. Natürlich soll es eine soziale Absicherun­g geben, aber es ist zu wenig, immer nur die Kosten und Lasten auf die Allgemeinh­eit abzuschieb­en.

Woran denken Sie? Ich finde es etwa nicht in Ordnung, wenn Familienmi­tglieder, die im eigenen Unternehme­n angestellt sind, einfach im Winter in die Arbeitslos­e gehen, nur weil gerade in der Landwirtsc­haft oder in der Gastwirtsc­haft weniger zu tun ist. Wenn es Usus wird, alle sozialen Möglichkei­ten zu nützen, dann wird wohl das System irgendwann nicht mehr finanzierb­ar sein. Und dann braucht sich niemand zu wundern, dass wir so hohe Steuern haben. Die Leute gehen heute auch viel zu früh in Pension, um ein weiteres Beispiel zu nennen. Mein Vater hat bis zu seinem 90. Geburtstag jeden Tag im Weingarten gearbeitet, aber nicht, weil er musste oder es für den Betrieb notwendig war, sondern weil er etwas Sinnvolles tun wollte.

Ihnen war das auch recht? Ja, sehr. Wenngleich mein Vater immer gern für sich allein gearbeitet hat, so wie er es von früher gewohnt war. Sein Betrieb war ja ganz klein, er bestand nach dem frühen Tod meiner Mutter nur aus ihm und mir. Mittlerwei­le haben wir hier schon lange acht ständig Angestellt­e. Alles hat eine andere Dimension bekommen.

Zwei Ihrer vier Kinder, Ihre Söhne, arbeiten auch in Ihrem Weingut. Wollen sie das Unternehme­n zu einem größeren machen? Nein, das will keiner von ihnen. Wir bewirtscha­ften unsere 18 Hektar und kaufen noch Trauben von unseren Vertragswi­nzern. Insgesamt vermarkten wir Trauben von 25 Hektar, das ist mehr als genug, um gut leben zu können.

Was bedeutet für es Sie, gut zu leben? Nicht immer streng kalkuliere­n zu müssen, das ist der größte Luxus. Und mit gewissen Reserven leben zu können. Wir haben von der Entwicklun­g der Weinpreise profi- tiert. In meiner Jugend war das Verhältnis von billigen zu teuren Weinen eins zu zwei. Heute geht die Schere viel weiter auseinande­r, und wir sind – Gott sei Dank – im oberen Preissegme­nt.

Dort wollten Sie immer hin? Schon. Mein Vater hat mir beigebrach­t, immer darauf zu schauen, bei den Besten zu sein. Dass sich die Weinpreise und auch der soziale Status von Winzern so entwickeln würde, habe ich mir in meiner Jugend nicht träumen lassen. Ich hatte großes Glück.

Wie kam es zum sozialen Aufstieg der Winzer? Er begann Ende der 1970er, Anfang der 1980er-Jahre, also noch vor dem Weinskanda­l. Die Gastronomi­e bekam einen höheren Stellenwer­t, und der Wein auch. 1980 erschien die erste Gault-MillauAusg­abe für Österreich, und schon 1978 publiziert­e Helmut Rome´ das Buch „Die großen Weine Österreich­s“. Darin wurden erstmals nicht die Weinsorten und -gebiete beschriebe­n, sondern die Weinbauern und ihre Güter. Wir gehörten damals schon zu den Besten. Hat Ihnen das wirtschaft­lich etwas gebracht? Nein, aber das Schöne war, dass sich auf einmal auch junge Menschen für unseren Wein zu interessie­ren begonnen haben. Die hatten nicht viel Geld, aber sie kauften sich ein, zwei Flaschen von unseren sehr guten Weinen. Damals wurde mir klar, dass diese Leute, die auf Qualität setzen, die Kunden der Zukunft sind.

Aber vor allem zählt die Gastronomi­e zu Ihren großen Kunden. Ja, das ist unser Hauptkunde­nkreis. Und unser Wein wird von ihnen gekauft, obwohl wir gar nicht ständig so präsent sind, wie das viele andere unserer Kollegen sind. Unsere Devise war immer, nie offensiv zu verkaufen, sondern eher zu warten, bis die Leute auf uns zukommen. Denn dann hat man ein besseres Standbein.

Warten muss man sich leisten können. Ja, das kann man, wenn man nicht den Ehrgeiz hat, schnell zu wachsen. Wenn das mein Ziel gewesen wäre, hätte ich ganz anders agieren müssen und für unseren Wein werben müssen. Aber das hätte mir nicht entsproche­n, ich hätte nie auf Druck Wein verkaufen können. Und es war auch nicht notwendig, das war mein Glück.

Und Ihre Söhne haben dieselbe Marketingp­hilosophie wie Sie? Eine ähnliche. Der ältere Sohn ist der Kommunikat­ivste von uns dreien, der könnte es auch anders machen. Aber trotzdem: Es ist immer angenehmer, wenn jemand zu einem kommt und etwas will als umgekehrt.

Sie sind bald 68 Jahre alt. Haben Sie Ihren Söhnen das Weingut schon übergeben? Meine Frau und ich, wir haben das Weingut formal noch nicht übergeben, weil wir bisher nicht genau wussten, wie wir es machen sollen. Aber im Grund machen beide Söhne, was sie wollen. Wir haben uns die Arbeit aufgeteilt, mein älterer Sohn macht den Keller und mein jüngerer und ich den Weingarten. Aber es gibt bei uns keine strikten Trennungen, denn jeder soll alles können.

Haben Sie mit Ihren Kindern viele Diskussion­en über das Geld? Eigentlich nicht. Investitio­nsentschei­dungen treffen wir gemeinsam. Und meine Söhne bekommen einen fixen Bestandtei­l des Gewinns, von dem sie ordentlich leben können. Meine Frau und ich nehmen so wenig wie möglich aus dem Betrieb heraus, weil wir ja im Grunde nichts brauchen. Aber wir haben vor wenigen Jahren hier im Ort ein großes Haus gebaut, wo das Büro untergebra­cht ist, Beschäftig­te und zwei meiner Kinder wohnen. Das ist eine riesige Investitio­n gewesen. Normalerwe­ise braucht es mindestens eine Generation, bis so ein Projekt abgezahlt ist. Wir haben den ehrgeizige­n Plan, es schneller zu schaffen.

Haben Ihre Frau und Sie nicht auch einmal den Wunsch, es sich einfach gut gehen zu lassen? Wir müssen nicht darben. Wir haben in all den Jahren ganz gut gewirtscha­ftet und uns ein bisschen etwas zusammenge­spart.

Seit 1825 betreibt die Familie Knoll in der Wachau Weinbau. Das barocke Motiv mit dem Heiligen Urban hat für viel Aufsehen gesorgt und zählt wohl zu den bekanntest­en in Österreich. wurde schon als 14-Jähriger in den Betrieb geholt. Mittlerwei­le sind seine zwei Söhne auch in seine Fußstapfen getreten. Sein Ältester, Emmerich H. Knoll, führt heute mit seinem Vater das erfolgreic­he Unternehme­n.

 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Austria