Rollstuhl muss bei Straßenfahrt nicht leuchten
Schadenersatz. Ein Lkw-Lenker wandte nach dem Unfall mit einem Rollstuhlfahrer ein, dass dieser im Dunkeln ohne Licht und dunkel gekleidet auf der Straße gefahren sei. Es gebe keine Beleuchtungspflicht für Rollstühle, urteilt das Höchstgericht.
Es ging um fast 30.000 Euro Schadenersatz und um die Frage, ob den Fahrer eines Klein-Lkw die Alleinschuld an einem Unfall trifft. Der Wagen der Marke Fiat Doblo Cargo war außerhalb des Ortsgebiets mit einem Rollstuhlfahrer kollidiert, der mangels Gehsteigs auf der Fahrbahn unterwegs war. Der Unfall geschah um 17.30 Uhr an einem Tag im Jänner, weswegen es schon dunkel war. Daher stellte sich im Prozess vor allem eine Frage: Hätte der Rollstuhlfahrer Vorsichtsmaßnahmen ergreifen müssen, damit ihn Autofahrer besser erkennen?
Der Rollstuhlfahrer war auf dem Weg vom Bahnhof nach Hause. Sein Rollstuhl wurde mit der Hand betrieben, er verfügte weder über Beleuchtung noch über Reflektoren. Auf der Sitzfläche war der Rollstuhl schwarz, die Metallteile in Silber gehalten. Bekleidet war der Rollstuhlfahrer zum Unglückszeitpunkt mit mittelhellen Jeans und einer dunkelblauen Jacke. Auf dieser verlief über dem Brustbereich hin zu den Oberarmen je ein weißer und ein roter Streifen.
Während der Rollstuhlfahrer die Straße entlangfuhr, wurde er von einem Fahrzeug überholt. Der von der Gegenrichtung kommende Lenker des Klein-Lkw blieb stehen, um dieses Fahrzeug vorbeifahren zu lassen. Dann beschleunigte er seinen Lkw wieder auf circa 35 km/h. Als dem Rollstuhlfahrer klar wurde, dass ihn der Lenker des KleinLkw nicht sah, hielt er an, da er so schnell nicht ausweichen konnte. Strittig blieb, ob der Mann dabei einen halben Meter vom linken Fahrbahnrand entfernt war oder sich in der Mitte der Fahrbahn befand.
Als der Lkw-Lenker den Rollstuhlfahrer wahrnahm, leitete er eine Vollbremsung ein und lenkte sein Fahrzeug ein wenig nach rechts. Der Klein-Lkw kollidierte aber dennoch mit einer Geschwindigkeit von rund 10 km/h mit dem Rollstuhl des Klägers.
Der verletzte Rollstuhlfahrer klagte den Lenker, den Halter des Fahrzeugs und dessen Versicherung. Der Lenker des Wagens sei allein schuld an dem Unglück gewesen, erklärte der Rollstuhlfahrer. Der Lkw-Fahrer sei zu schnell unterwegs gewesen und habe nicht aufgepasst. Und ihn als Rollstuhlfahrer habe man erkennen müssen, er habe ja sogar eine Jacke mit weißen Streifen getragen.
Ein Rollstuhl ist kein Fahrzeug
Der Lkw-Fahrer entgegnete, der Rollstuhlfahrer sei alleine für das Geschehene verantwortlich. Denn dieser sei unbeleuchtet und dunkel gekleidet in der Mitte der Straße gefahren. Dabei habe ihm bewusst sein müssen, dass er bei Auftreten einer gefährlichen Situation nicht rasch reagieren könne.
Das Landesgericht Salzburg entschied, dass der Lenker des Klein-Lkw allein schuld am Unglück war. Er habe es verabsäumt, auf Sicht zu fahren. Den Rollstuhlfahrer treffe kein Mitverschulden. Ein Rollstuhl sei kein Fahrzeug im Sinne der Straßenverkehrsordnung (StVO). Daher gelte in diesem Fall auch nicht die Verpflichtung, ein Fahrzeug auf der Fahrbahn zu beleuchten, wenn es dunkel ist. Der Rollstuhlfahrer sei, da es keinen Gehsteig gab, auch berechtigt gewesen, die Fahrbahn zu nehmen, betonte das Landesgericht. Und eine Verpflichtung, helle Kleidung zu tragen oder Reflektoren bei sich zu haben, gebe es für Rollstuhlfahrer nicht.
Das Oberlandesgericht (OLG) Linz sah das auch so. Ein Mitverschulden könne es nur geben, wenn unter Rollstuhlfahren ein allgemeines Bewusstsein dafür bestehe, dass Schutzmaßnahmen wie Reflektoren oder eine Beleuchtung nötig seien. Das sei aber nicht der Fall. Das OLG ließ aber die Revision an den Obersten Gerichtshof (OGH) zu, weil höchstrichterliche Judikatur zu Beleuchtungspflichten für Rollstuhlfahrer fehle.
Dunkle Kleidung auch bei Fußgängern
Auch der OGH befand aber, dass keine derartige Pflicht für Rollstuhlfahrer besteht. Auch bei Fußgängern löse es noch kein Mitverschulden an Unfällen aus, wenn sie auf das Tragen von hellem oder reflektierendem Material verzichten, erklärten die Höchstrichter mit Blick auf die diesbezügliche Judikatur. Einmal abgesehen davon, dass der Rollstuhlfahrer gar nicht gänzlich dunkel bekleidet gewesen sei. Und wenn der Lkw-Lenker vorbringt, dass es in Belgien Beleuchtungsvorschriften für Rollstühle gebe, könne er damit in Österreich nichts gewinnen, sagte der OGH (2 Ob 42/17s). Denn hierzulande fehle ein allgemeines Bewusstsein dafür, dass Rollstuhlfahrer beleuchtet sein sollen.
Im Ergebnis ist somit der Fahrer des Klein-Lkw alleine schuld am Unfall.