Polizisten dürfen rüpelhaft sein
Amtshandlung. Verwaltungsgericht Tirol sah bei Polizeieinsatz gegen Asylwerber Unvoreingenommenheit und Achtung der Menschenwürde verletzt; Verwaltungsgerichtshof kippt den Tadel.
„Wenn Sie wollen, gehe ich jeden Tag da hinein und fische jeden Tag zehn heraus und nehme jeden Tag zehn fest.“Dieses Angebot eines Polizisten gegenüber einer Mitarbeiterin eines Jugendzentrums in Tirol war alles andere als freundlich gemeint, in Wahrheit wohl auch gar nicht als Angebot zu verstehen. Eher als Bedrohung, wie das Landesverwaltungsgericht Tirol später feststellen sollte. Für den Verwaltungsgerichtshof (VwGH) hatte die Betreuerin trotzdem keinen Grund, sich zu beschweren.
Die Begegnung spielte sich in und vor einer psychosozialen Einrichtung ab, in der vorwiegend junge Menschen – viele davon mit Migrationshintergrund – betreut werden. Zwei Polizisten waren hereingekommen, um einen Asylwerber zu einem vor dem Lokal gesichteten gestohlenen Moped zu befragen. Als die Betreuerin sich schützend vor den Flüchtling stellen wollte und sagte, dass sie es nicht möge, wenn man bei ihnen „einfach Jugendliche herausfische“, reagierte ein Polizist mit der als Angebot getarnten Drohung. Die Stimmung war aufgebracht – dass aber die Frau die Amtshandlung als „rassistisch“bezeichnet hätte, wie die Polizei dann angab, ist nicht erwiesen.
Jedenfalls ließ die Betreuerin die Sache nicht auf sich beruhen, sondern erhob eine sogenannte Richtlinienbeschwerde. Die ist im Sicherheitspolizeigesetz für Fälle vorgesehen, in denen Adressaten von Amtshandlungen die Richtlinien für das polizeiliche Einschreiten verletzt sehen.
Das Gebot der Achtung der Menschenwürde etwa verlangt von Polizisten, „alles zu unterlassen, das geeignet ist, den Eindruck von Voreingenommenheit zu erwecken oder als Diskriminierung“empfunden zu werden, etwa auf Grund des Geschlechts, der Rasse oder Hautfarbe, der nationalen oder ethnischen Herkunft.
Das Landesverwaltungsgericht gab der Betreuerin recht: Die erwähnte Äußerung des Polizisten vermittle den Eindruck der Voreingenommenheit; die abfällige Bemerkung „von oben herab“entspreche nicht dem von Polizisten zu wahrenden „sachlichen zwischenmenschlichen Umgangston“, die Menschenwürde sei damit nicht ausreichend geachtet.
Das wollte wiederum die Landespolizeidirektion Tirol nicht auf sich beruhen lassen. Sie rief mit einer außerordentlichen Revision den VwGH an. Darin zog sie – ungeachtet der Frage der Menschenwürde – schon in Zweifel, dass die Betreuerin überhaupt befugt ist, eine Richtlinienbeschwerde zu erheben. Denn die umstrittene Aussage habe sich nicht auf die Frau bezogen, sondern auf den Verein und dessen Schützlinge.
Da ist etwas dran. Denn das Verwaltungsgericht argumentierte, dass die Äußerung geeignet gewesen sei, die Betreuungstätigkeit des Vereins zu beeinträchtigen. Die Frau ist aber nicht mit dem Verein gleichzusetzen, für den sie arbeitet. Und der VwGH bestätigt, dass die Richtlinienbeschwerde nur von direkt Betroffenen eingelegt werden kann, nicht von Dritten. Eben von dem, der Adressat der jeweiligen Amtshandlung ist.
Das Verwaltungsgericht hat allerdings auch ein „unvoreingenommen wirkendes Verhalten“gegenüber der Frau angenommen; sie hätte die Worte des Polizisten als „Bedrohung“ihrer selbst aufgefasst. Damit konnte und musste das Höchstgericht sich doch auch inhaltlich mit dem Stil des Polizisten auseinandersetzen. Was im Ergebnis für die Frau allerdings auch nichts änderte.
Das Zitat des Polizisten war für den VwGH nicht geeignet, gegenüber der Mitarbeiterin „den Eindruck von Voreingenommenheit in objektiv nachvollziehbarer Form zu erwecken“(Ra 2017/01/0401). Der Gerichtshof wörtlich: „Ein in einem als aggressiv, unfreundlich, rüpelhaft, herrisch, streitsüchtig oder provokant empfundenen Tonfall ausgesprochener Befehl eines Organs der öffentlichen Aufsicht übersteigt – abgesehen von der Schwierigkeit, ein solches Empfinden mit objektiven Maßstä- ben zu werten – zwar den im Zusammenhang mit der Erteilung einer zu befolgenden Anordnung üblichen zwischenmenschlichen Umgangston.“Es sei aber nicht so gravierend, dass es die Richtlinie verletzen würde. Der Tadel des Verwaltungsgerichts ist gekippt.
Offen bleibt, ob jemand anderer – der Verein, ein Klient – sich mit mehr Erfolg hätte beschweren können. Die sechswöchige Frist ist dafür aber längst abgelaufen.