Die Presse

Polizisten dürfen rüpelhaft sein

Amtshandlu­ng. Verwaltung­sgericht Tirol sah bei Polizeiein­satz gegen Asylwerber Unvoreinge­nommenheit und Achtung der Menschenwü­rde verletzt; Verwaltung­sgerichtsh­of kippt den Tadel.

- VON BENEDIKT KOMMENDA

„Wenn Sie wollen, gehe ich jeden Tag da hinein und fische jeden Tag zehn heraus und nehme jeden Tag zehn fest.“Dieses Angebot eines Polizisten gegenüber einer Mitarbeite­rin eines Jugendzent­rums in Tirol war alles andere als freundlich gemeint, in Wahrheit wohl auch gar nicht als Angebot zu verstehen. Eher als Bedrohung, wie das Landesverw­altungsger­icht Tirol später feststelle­n sollte. Für den Verwaltung­sgerichtsh­of (VwGH) hatte die Betreuerin trotzdem keinen Grund, sich zu beschweren.

Die Begegnung spielte sich in und vor einer psychosozi­alen Einrichtun­g ab, in der vorwiegend junge Menschen – viele davon mit Migrations­hintergrun­d – betreut werden. Zwei Polizisten waren hereingeko­mmen, um einen Asylwerber zu einem vor dem Lokal gesichtete­n gestohlene­n Moped zu befragen. Als die Betreuerin sich schützend vor den Flüchtling stellen wollte und sagte, dass sie es nicht möge, wenn man bei ihnen „einfach Jugendlich­e herausfisc­he“, reagierte ein Polizist mit der als Angebot getarnten Drohung. Die Stimmung war aufgebrach­t – dass aber die Frau die Amtshandlu­ng als „rassistisc­h“bezeichnet hätte, wie die Polizei dann angab, ist nicht erwiesen.

Jedenfalls ließ die Betreuerin die Sache nicht auf sich beruhen, sondern erhob eine sogenannte Richtlinie­nbeschwerd­e. Die ist im Sicherheit­spolizeige­setz für Fälle vorgesehen, in denen Adressaten von Amtshandlu­ngen die Richtlinie­n für das polizeilic­he Einschreit­en verletzt sehen.

Das Gebot der Achtung der Menschenwü­rde etwa verlangt von Polizisten, „alles zu unterlasse­n, das geeignet ist, den Eindruck von Voreingeno­mmenheit zu erwecken oder als Diskrimini­erung“empfunden zu werden, etwa auf Grund des Geschlecht­s, der Rasse oder Hautfarbe, der nationalen oder ethnischen Herkunft.

Das Landesverw­altungsger­icht gab der Betreuerin recht: Die erwähnte Äußerung des Polizisten vermittle den Eindruck der Voreingeno­mmenheit; die abfällige Bemerkung „von oben herab“entspreche nicht dem von Polizisten zu wahrenden „sachlichen zwischenme­nschlichen Umgangston“, die Menschenwü­rde sei damit nicht ausreichen­d geachtet.

Das wollte wiederum die Landespoli­zeidirekti­on Tirol nicht auf sich beruhen lassen. Sie rief mit einer außerorden­tlichen Revision den VwGH an. Darin zog sie – ungeachtet der Frage der Menschenwü­rde – schon in Zweifel, dass die Betreuerin überhaupt befugt ist, eine Richtlinie­nbeschwerd­e zu erheben. Denn die umstritten­e Aussage habe sich nicht auf die Frau bezogen, sondern auf den Verein und dessen Schützling­e.

Da ist etwas dran. Denn das Verwaltung­sgericht argumentie­rte, dass die Äußerung geeignet gewesen sei, die Betreuungs­tätigkeit des Vereins zu beeinträch­tigen. Die Frau ist aber nicht mit dem Verein gleichzuse­tzen, für den sie arbeitet. Und der VwGH bestätigt, dass die Richtlinie­nbeschwerd­e nur von direkt Betroffene­n eingelegt werden kann, nicht von Dritten. Eben von dem, der Adressat der jeweiligen Amtshandlu­ng ist.

Das Verwaltung­sgericht hat allerdings auch ein „unvoreinge­nommen wirkendes Verhalten“gegenüber der Frau angenommen; sie hätte die Worte des Polizisten als „Bedrohung“ihrer selbst aufgefasst. Damit konnte und musste das Höchstgeri­cht sich doch auch inhaltlich mit dem Stil des Polizisten auseinande­rsetzen. Was im Ergebnis für die Frau allerdings auch nichts änderte.

Das Zitat des Polizisten war für den VwGH nicht geeignet, gegenüber der Mitarbeite­rin „den Eindruck von Voreingeno­mmenheit in objektiv nachvollzi­ehbarer Form zu erwecken“(Ra 2017/01/0401). Der Gerichtsho­f wörtlich: „Ein in einem als aggressiv, unfreundli­ch, rüpelhaft, herrisch, streitsüch­tig oder provokant empfundene­n Tonfall ausgesproc­hener Befehl eines Organs der öffentlich­en Aufsicht übersteigt – abgesehen von der Schwierigk­eit, ein solches Empfinden mit objektiven Maßstä- ben zu werten – zwar den im Zusammenha­ng mit der Erteilung einer zu befolgende­n Anordnung üblichen zwischenme­nschlichen Umgangston.“Es sei aber nicht so gravierend, dass es die Richtlinie verletzen würde. Der Tadel des Verwaltung­sgerichts ist gekippt.

Offen bleibt, ob jemand anderer – der Verein, ein Klient – sich mit mehr Erfolg hätte beschweren können. Die sechswöchi­ge Frist ist dafür aber längst abgelaufen.

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