Rettet eine Petition eine Schenk-Inszenierung in München?
Opernfreunde gegen szenische „Neudeutungen“. Sogar Tenor Piotr Beczała hat unterschrieben: Er kennt seine Regie-Pappenheimer. Klassische Regiearbeiten zu retten ist nur der halbe Weg.
Auf einer Onlineplattform namens change.org bittet eine Petition den Intendanten der Bayerischen Staatsoper, Otto Schenks Inszenierung von Strauss’ „Rosenkavalier“nicht durch eine szenische „Neudeutung“vollständig zu ersetzen. Zum ersten Mal protestieren Opernfreunde damit durch ihre Unterschrift gegen den Ausverkauf klassisch gewordener Inszenierungen. Gerade diese Produktion ist den Münchnern heilig. Sie hatte 1972 unter Carlos Kleibers Leitung Premiere und wurde von diesem Dirigenten jahrelang betreut. Da unterschreiben viele gewiss schon aus Nostalgie.
Überdies scheint ja bei einem Werk wie diesem, das von Dichter Hofmannsthals bewusst konstruiertem anachronistischen Ambiente lebt, eine „Neudeutung“vollkommen sinnwidrig – vergleichbar Stücken vom Format eines „Figaro“, einer „Boh`eme“, die durch Versetzung jeglicher Art (denken wir an Mimis und Rudolfs Duett auf der unseligen Salzburger Festspielautobahn!) nur verlieren, nie gewinnen können.
Was allerdings nicht heißt, dass ein „Rosenkavalier“nicht in neuem, aus dem Geist von Text und Musik heraus gewonnenem Ambiente vollkommen stimmig wirken kann. Harry Kupfer und Hans Schavernoch haben es in Salzburg bewiesen.
In München freilich gärt es, weil der amtierende Intendant, ein ExSchauspieler, Sensibilität für die musikalisch-literarische Grundlage vermissen lässt und, unter Applaus der Feuilletonisten, den Spielplan konsequent auf Regietheaterlinie bringt.
Dabei liegt eher die Petition als dieser Intendantenungeist im Trend. Aktuell forcieren sogar Gerard Mortiers Erben, etwa der noch in Lyon tätige designierte Münchner Opernchef, Remakes legendärer Inszenierungen.
Dergleichen hat allerdings schon Wilhelm Furtwängler in Wien während der Nazi-Diktatur praktiziert, indem er Alfred Rollers legendäre „Tristan“-Ausstattung neu belebt hat.
So stellt man vielleicht auch das heutige Publikum, überdrüssig der Verballhornungen von Meisterwerken, ruhig. Freude über szenische Wiedergutmachung könnte auch mangelnde Intendantenweitsicht in musikalischen Grundfragen – von der Ensemblepflege bis zur nachhaltigen Spielplangestaltung – kaschieren.
Das ist die Kehrseite der Medaille. Wer den „Rosenkavalier“in passendem Ambiente spielt, muss ihn bis hin zum Intrigantenpaar und zum Beiselwirt kundig zu besetzen wissen. Die Zukunft der Oper wird – bei aller Freude über die längst fällige Eindämmung des musikfernen Regisseurswahns – vor allem davon abhängen.