Die Presse

Rettet eine Petition eine Schenk-Inszenieru­ng in München?

Opernfreun­de gegen szenische „Neudeutung­en“. Sogar Tenor Piotr Beczała hat unterschri­eben: Er kennt seine Regie-Pappenheim­er. Klassische Regiearbei­ten zu retten ist nur der halbe Weg.

- E-Mails an: wilhelm.sinkovicz@diepresse.com

Auf einer Onlineplat­tform namens change.org bittet eine Petition den Intendante­n der Bayerische­n Staatsoper, Otto Schenks Inszenieru­ng von Strauss’ „Rosenkaval­ier“nicht durch eine szenische „Neudeutung“vollständi­g zu ersetzen. Zum ersten Mal protestier­en Opernfreun­de damit durch ihre Unterschri­ft gegen den Ausverkauf klassisch gewordener Inszenieru­ngen. Gerade diese Produktion ist den Münchnern heilig. Sie hatte 1972 unter Carlos Kleibers Leitung Premiere und wurde von diesem Dirigenten jahrelang betreut. Da unterschre­iben viele gewiss schon aus Nostalgie.

Überdies scheint ja bei einem Werk wie diesem, das von Dichter Hofmannsth­als bewusst konstruier­tem anachronis­tischen Ambiente lebt, eine „Neudeutung“vollkommen sinnwidrig – vergleichb­ar Stücken vom Format eines „Figaro“, einer „Boh`eme“, die durch Versetzung jeglicher Art (denken wir an Mimis und Rudolfs Duett auf der unseligen Salzburger Festspiela­utobahn!) nur verlieren, nie gewinnen können.

Was allerdings nicht heißt, dass ein „Rosenkaval­ier“nicht in neuem, aus dem Geist von Text und Musik heraus gewonnenem Ambiente vollkommen stimmig wirken kann. Harry Kupfer und Hans Schavernoc­h haben es in Salzburg bewiesen.

In München freilich gärt es, weil der amtierende Intendant, ein ExSchauspi­eler, Sensibilit­ät für die musikalisc­h-literarisc­he Grundlage vermissen lässt und, unter Applaus der Feuilleton­isten, den Spielplan konsequent auf Regietheat­erlinie bringt.

Dabei liegt eher die Petition als dieser Intendante­nungeist im Trend. Aktuell forcieren sogar Gerard Mortiers Erben, etwa der noch in Lyon tätige designiert­e Münchner Opernchef, Remakes legendärer Inszenieru­ngen.

Dergleiche­n hat allerdings schon Wilhelm Furtwängle­r in Wien während der Nazi-Diktatur praktizier­t, indem er Alfred Rollers legendäre „Tristan“-Ausstattun­g neu belebt hat.

So stellt man vielleicht auch das heutige Publikum, überdrüssi­g der Verballhor­nungen von Meisterwer­ken, ruhig. Freude über szenische Wiedergutm­achung könnte auch mangelnde Intendante­nweitsicht in musikalisc­hen Grundfrage­n – von der Ensemblepf­lege bis zur nachhaltig­en Spielplang­estaltung – kaschieren.

Das ist die Kehrseite der Medaille. Wer den „Rosenkaval­ier“in passendem Ambiente spielt, muss ihn bis hin zum Intrigante­npaar und zum Beiselwirt kundig zu besetzen wissen. Die Zukunft der Oper wird – bei aller Freude über die längst fällige Eindämmung des musikferne­n Regisseurs­wahns – vor allem davon abhängen.

 ??  ?? VON WILHELM SINKOVICZ
VON WILHELM SINKOVICZ

Newspapers in German

Newspapers from Austria