Wie Gemüse künftig in den Himmel wächst
Ausstellung. Auf den Schlössern Hof und Niederweiden im Marchfeld wird von 2018 bis 2020 die Nahrung thematisiert: „Warum isst die Welt, wie sie isst?“Heuer geht es vor allem um die Produktion. Ein Plädoyer für agrarische Nachhaltigkeit.
Nähert man sich in diesem Frühjahr dem prächtigen Schloss Hof an der Grenze zur Slowakei im Osten Niederösterreichs, versperrt ein zwei Stockwerke hoher, schlichter Kubus den Weg. Nur auf den ersten Blick ist diese mit Plastikplanen ummantelte Installation in Relation zu dem barocken Gebäude dahinter deplatziert. „Warum isst die Welt, wie sie isst?“, steht in großen Lettern auf der Seite mit dem Eingang zu diesem Schauraum. Im Kubus beginnt die gleichnamige Ausstellung, die in einem Flügel im einstigen Landsitz des Prinzen Eugen fortgesetzt wird. Drei Jahre will man sich hier und auf dem benachbarten kleineren Schloss Niederweiden dem Thema Nahrung widmen. 2018 geht es um ihre Produktion: „Aus der Erde auf den Teller“.
Der provisorische Neubau am Eingang passt auf paradoxe Art zu dem Ort mitten im Marchfeld, dem Gemüsegarten des Landes, und auch zu diesem einstigen Mustergut im sich aufklärenden Reich der Habsburger im 18. Jahrhundert. Nüchtern wird zu Beginn die globale Auswirkung gezeigt, die zum Beispiel das tägliche Schnitzel auf dem Teller hat: In Österreich werden 3,1 Mio. Hektar zur Lebensmittelerzeugung genutzt, drei Viertel davon nimmt allein die Fleisch- und Milchproduktion in Anspruch, nur 18 Prozent brauchen Getreide, Gemüse und Obst. Und für 40 Prozent unserer Ernährung kommen Flächen außerhalb Österreichs auf.
Didaktischer Zweck dieser mit anschaulichen Statistiken illustrierten Einführung: Unser Konsumverhalten kann so nicht weitergehen. Pro Mensch auf dieser Welt gibt es nur zirka 2000 Quadratmeter Anbaufläche. Diese reichen nicht mehr lang, um alle satt zu machen, wenn eine Minderheit in rei- chen Staaten weiterhin so viel Fleisch isst. Raubbau und Landraub setzen der Erde immer mehr zu, der Boden wird zur Mangelware, er wird nicht nachhaltig genutzt. Jedes Jahr geht eine Fläche von der Größe Österreichs verloren – ein Katastrophenszenario.
Im Schloss geht es dann auch um industrielle Produktionsweisen – ein farbenfrohes und kindgerechtes Erlebnis, audiovisuell und interaktiv. Wie etwa wurden Fischstäbchen zum Hit? Viele Faktoren spielten zusammen: Die Fangtechniken der Fischereiflotten verbesserten sich. Durch Eisenbahnwaggons und LKWs mit Tiefkühlkabinen wurden längere Transportwege für gefrorene Ware möglich. Im Zweiten Weltkrieg trieb man die Entwicklung von Fertigprodukten voran, um Soldaten zu versorgen. Zugleich arbeiteten immer mehr Frauen in der Industrie. Für den Haushalt blieb weniger Zeit. Da waren Fertigprodukte, die rasch zubereitet werden konnten, ideal. Grätenfreie, panierte und portionierte Stäbchen, wie sie General Foods ab 1953 in perfektionierter Verarbeitung produzierte, eroberten via Supermarkt die Welt. Sie wurden anfangs in den USA sogar staatlich gefördert.
Schloss Hof bietet einen kompakten Lehrgang zur Lebensmittelerzeugung – die Geschichte der Landwirtschaft, die Verarbeitungstechniken, den modernen Haushalt mit seinem Hang zu Fertiggerichten, den Supermarkt als Ersatz für die Speisekammer, neue Quellen für den Konsum von Eiweiß – Insekten zum Beispiel. Im kleineren Abschnitt auf Schloss Niederweiden geht es dann vor allem um die Psychologie des Essens, dieser Teil ist verspielter.
Der interessanteste Abschnitt aber befindet sich ganz passend in den Gewächshäusern von Schloss Hof, in denen schon Prinz Eugen experimentieren ließ. Hier geht es um neuste Versuche der Nachhaltigkeit, etwa um „Vertical Farming“, ein besonders platzsparendes Verfahren, um etwa Gemüse in Städten zu züchten. Der Salat wächst förmlich in mehreren Etagen in die Höhe. In einem Kellerraum wird demonstriert, wie man aus Kaffeesud in großen Plastiksäcken Pilze züchtet. Die Kaffeereste würden sonst verbrannt werden. Hier dienen sie als Kraftstoff für Delikatessen.
Imposant ist eine abenteuerliche Versuchsstation namens „Aquaponic“: Fische und Pflanzen gehen eine künstliche Verbindung ein. Ähnliches haben vor tausend Jahren die Azteken gemacht. In der Ausstellung leuchtet die Konstruktion dieser Agrarmaschine sofort ein: Unten schwimmen in den Becken Nutzfische (z. B. Welse, Barsche), ihre Ausscheidungen werden via Röhren nach oben gepumpt, von Bakterien aufbereitet. Das gewonnene Nitrat dient Nutzpflanzen (Paradeiser, Gurken, etc.) als Dünger, sauberes Wasser fließt nach unten. Liegt darin eine Lösung der Probleme, die eingangs thematisiert wurden? Die neuen Bauern hoffen stark: So soll es sein.