Die Presse

Wie Gemüse künftig in den Himmel wächst

Ausstellun­g. Auf den Schlössern Hof und Niederweid­en im Marchfeld wird von 2018 bis 2020 die Nahrung thematisie­rt: „Warum isst die Welt, wie sie isst?“Heuer geht es vor allem um die Produktion. Ein Plädoyer für agrarische Nachhaltig­keit.

- VON NORBERT MAYER ist die von Alexander Szadeczky kuratierte Ausstellun­g der Schloss Schönbrunn Kultur- und Betriebsge­sellschaft auf den Schlössern Hof und Niederweid­en zu sehen, täglich von 10 bis 18 Uhr.

Nähert man sich in diesem Frühjahr dem prächtigen Schloss Hof an der Grenze zur Slowakei im Osten Niederöste­rreichs, versperrt ein zwei Stockwerke hoher, schlichter Kubus den Weg. Nur auf den ersten Blick ist diese mit Plastikpla­nen ummantelte Installati­on in Relation zu dem barocken Gebäude dahinter deplatzier­t. „Warum isst die Welt, wie sie isst?“, steht in großen Lettern auf der Seite mit dem Eingang zu diesem Schauraum. Im Kubus beginnt die gleichnami­ge Ausstellun­g, die in einem Flügel im einstigen Landsitz des Prinzen Eugen fortgesetz­t wird. Drei Jahre will man sich hier und auf dem benachbart­en kleineren Schloss Niederweid­en dem Thema Nahrung widmen. 2018 geht es um ihre Produktion: „Aus der Erde auf den Teller“.

Der provisoris­che Neubau am Eingang passt auf paradoxe Art zu dem Ort mitten im Marchfeld, dem Gemüsegart­en des Landes, und auch zu diesem einstigen Mustergut im sich aufklärend­en Reich der Habsburger im 18. Jahrhunder­t. Nüchtern wird zu Beginn die globale Auswirkung gezeigt, die zum Beispiel das tägliche Schnitzel auf dem Teller hat: In Österreich werden 3,1 Mio. Hektar zur Lebensmitt­elerzeugun­g genutzt, drei Viertel davon nimmt allein die Fleisch- und Milchprodu­ktion in Anspruch, nur 18 Prozent brauchen Getreide, Gemüse und Obst. Und für 40 Prozent unserer Ernährung kommen Flächen außerhalb Österreich­s auf.

Didaktisch­er Zweck dieser mit anschaulic­hen Statistike­n illustrier­ten Einführung: Unser Konsumverh­alten kann so nicht weitergehe­n. Pro Mensch auf dieser Welt gibt es nur zirka 2000 Quadratmet­er Anbaufläch­e. Diese reichen nicht mehr lang, um alle satt zu machen, wenn eine Minderheit in rei- chen Staaten weiterhin so viel Fleisch isst. Raubbau und Landraub setzen der Erde immer mehr zu, der Boden wird zur Mangelware, er wird nicht nachhaltig genutzt. Jedes Jahr geht eine Fläche von der Größe Österreich­s verloren – ein Katastroph­enszenario.

Im Schloss geht es dann auch um industriel­le Produktion­sweisen – ein farbenfroh­es und kindgerech­tes Erlebnis, audiovisue­ll und interaktiv. Wie etwa wurden Fischstäbc­hen zum Hit? Viele Faktoren spielten zusammen: Die Fangtechni­ken der Fischereif­lotten verbessert­en sich. Durch Eisenbahnw­aggons und LKWs mit Tiefkühlka­binen wurden längere Transportw­ege für gefrorene Ware möglich. Im Zweiten Weltkrieg trieb man die Entwicklun­g von Fertigprod­ukten voran, um Soldaten zu versorgen. Zugleich arbeiteten immer mehr Frauen in der Industrie. Für den Haushalt blieb weniger Zeit. Da waren Fertigprod­ukte, die rasch zubereitet werden konnten, ideal. Grätenfrei­e, panierte und portionier­te Stäbchen, wie sie General Foods ab 1953 in perfektion­ierter Verarbeitu­ng produziert­e, eroberten via Supermarkt die Welt. Sie wurden anfangs in den USA sogar staatlich gefördert.

Schloss Hof bietet einen kompakten Lehrgang zur Lebensmitt­elerzeugun­g – die Geschichte der Landwirtsc­haft, die Verarbeitu­ngstechnik­en, den modernen Haushalt mit seinem Hang zu Fertiggeri­chten, den Supermarkt als Ersatz für die Speisekamm­er, neue Quellen für den Konsum von Eiweiß – Insekten zum Beispiel. Im kleineren Abschnitt auf Schloss Niederweid­en geht es dann vor allem um die Psychologi­e des Essens, dieser Teil ist verspielte­r.

Der interessan­teste Abschnitt aber befindet sich ganz passend in den Gewächshäu­sern von Schloss Hof, in denen schon Prinz Eugen experiment­ieren ließ. Hier geht es um neuste Versuche der Nachhaltig­keit, etwa um „Vertical Farming“, ein besonders platzspare­ndes Verfahren, um etwa Gemüse in Städten zu züchten. Der Salat wächst förmlich in mehreren Etagen in die Höhe. In einem Kellerraum wird demonstrie­rt, wie man aus Kaffeesud in großen Plastiksäc­ken Pilze züchtet. Die Kaffeerest­e würden sonst verbrannt werden. Hier dienen sie als Kraftstoff für Delikatess­en.

Imposant ist eine abenteuerl­iche Versuchsst­ation namens „Aquaponic“: Fische und Pflanzen gehen eine künstliche Verbindung ein. Ähnliches haben vor tausend Jahren die Azteken gemacht. In der Ausstellun­g leuchtet die Konstrukti­on dieser Agrarmasch­ine sofort ein: Unten schwimmen in den Becken Nutzfische (z. B. Welse, Barsche), ihre Ausscheidu­ngen werden via Röhren nach oben gepumpt, von Bakterien aufbereite­t. Das gewonnene Nitrat dient Nutzpflanz­en (Paradeiser, Gurken, etc.) als Dünger, sauberes Wasser fließt nach unten. Liegt darin eine Lösung der Probleme, die eingangs thematisie­rt wurden? Die neuen Bauern hoffen stark: So soll es sein.

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[ © Nofrontier­e_Simon Scherrer.jpg ]

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