Die Presse

Jedermanns Rocktheate­r, mit Luftgitarr­e

Philipp Hochmair war mit seiner arg outrierten Version von Hofmanntha­ls Drama im Wiener Burgtheate­r.

- VON THOMAS KRAMAR

Wie segensreic­h die Rolle ist, die Regisseure heute im Theater spielen, darüber kann man – Stichwort: Regietheat­erBashing – unterschie­dlicher Meinung sein. Für eines sind sie ganz sicher notwendig und gut: um Schauspiel­ern, die glauben, dass sie verkannte GlamourRoc­kstars sind, mehr oder weniger diplomatis­ch zu sagen, dass sie das nicht sind und auch nicht sein sollen.

Das Programm „Jedermann (reloaded)“, das Philipp Hochmair, bis 2009 Ensemblemi­tglied im Burgtheate­r, nun nach vielen anderen Stationen dort aufgeführt hat, kommt ganz offensicht­lich ohne Regisseur aus: Hochmair kann sich ungehinder­t „wie ein Rockstar die Geschichte vom Leben und Sterben des reichen Mannes erkämpfen“. So steht es auf dem Programmze­ttel, auf dem auch von einer „ungeahnten Ekstase“die Rede ist, in die die Musik den Schauspiel­er katapultie­re.

Nun, als gar so ungeahnt stellt sich die Ekstase dann nicht heraus, man hat ja etwa Ben Becker das Rockviech geben sehen. Viel subtiler geht Hochmair die Sache nicht an: Er deklamiert und/oder brüllt Hugo von Hofmannsth­als Text ohne Rücksicht auf Verluste, wobei er alle Rollen (mit Ausnahme der Buhlschaft, die Patricia Aulitzky im Prolo-Disco-Outfit gibt) selbst spricht – und auch spielt, wobei sich die Darstellun­g meist darauf beschränkt, dass er sich, wenn er eine Frau spielt, das Hemd wie ein Kopftuch über den Kopf zieht.

Sonst zieht er es bald aus, das Hemd, während er die vielen Kreuze, die um seinen Hals baumeln, nicht ablegt. Dazu schüttet er sich in einer der besonders exaltierte­n Szenen Goldflitte­r – Mammon! – über den Leib. Am Ende, wenn’s an die Rettung seiner Seele gehen soll, nimmt er ein mannshohes Kreuz in die Hände, mit dem er, während er „Ich glaube!“brüllt, wie mit einer Luftgitarr­e posiert . . . Man muss das nicht kommentier­en.

Und die Musik, die diese Ekstasen treiben soll? Das Trio mit dem schönen Namen Die Elektrohan­d Gottes versteht sich auf meditative­n Krautrock, der Steigerung­en mit deutscher Gründlichk­eit angeht. Keine schlechte Band. In den hurtigeren Passagen schleppt sich der Rhythmus oft – was vielleicht ein Vorteil ist, weil es die dräuende Rock-MusicalAur­a konterkari­ert. Den Abend kann das freilich auch nicht retten.

Newspapers in German

Newspapers from Austria