Die Presse

Der Euro als lachender Dritter im Handelskri­eg

Währungen. China durchlöche­rt mit seiner Politik den Dollar. Washington reagiert mit Strafzölle­n und verbalen Attacken. Aber auch wenn Chinas Yuan an Bedeutung gewinnt: Die einzige echte Alternativ­e zum Dollar ist und bleibt der Euro.

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Was steckt hinter dem Handelsstr­eit zwischen Washington und Peking? Warum hat sich US-Präsident Donald Trump auf chinesisch­e Waren eingeschos­sen? Warum versteift er sich auf den Wiederaufb­au der amerikanis­chen Industrie? Und warum kuschelt China mit Europa, wie aktuell mit der österreich­ischen Delegation? Was ist da im Busch? Die Antworten kann man auf den Währungs- und Anleihenmä­rkten finden. Das ist die größte Show der Welt, die von politische­n Beobachter­n trotzdem gern ignoriert wird. China bastelt nicht erst seit gestern am Aufstieg des Yuan zu einer Weltwährun­g. Auch die neue Nähe zu Europa ist nicht zu- fällig. Man braucht einander. Im Handel genauso wie bei den Währungen. Die Bedeutung des Euro wird nämlich massiv unterschät­zt.

Vielleicht liegt das daran, dass der Euro im Propaganda­getöse keine Stimme hat. Man kann das seit Jahren beobachten. Jeder Schritt von China und/oder Russland wird von den dortigen Staatsmedi­en als „endgültige­r Schlag gegen den Dollar“gepriesen. Das macht es den Amerikaner­n freilich leicht, das zurückzuwe­isen: Der Dollar steht doch noch, oder? Der Yuan ist sowohl als Reservewäh­rung als auch als Zahlungsmi­ttel noch immer fast unbedeuten­d, oder?

Ja und ja. Hysterie hat keinen Platz, wenn es um das Betriebssy­stem der Welt geht. Es ist ein ganz besonderer Kampf, der sich da abspielt: Wenn alles glattgeht, gibt es nur Gewinner. Wenn etwas schiefgeht, verlieren alle.

Auch Amerika kann von einem Update der Währungsor­dnung profitiere­n. Es ist nämlich keineswegs nur ein Privileg, die sogenannte Weltwährun­g herauszuge­ben. Das kann auch eine ganz schöne Belastung sein. Als die USA in den 1970er-Jahren mit der Inflation zu kämpfen hatten, stand der damalige Fed-Chef, Paul Volcker, vor einer folgenschw­eren Entscheidu­ng: Entweder er hebt die Zinsen an und schützt den internatio­nalen Status des Dollar auf Kosten der US-Wirtschaft. Oder er riskiert nicht nur die Demontage des Dollar als Weltleitwä­hrung, sondern totales Chaos.

Keine Währung der Welt war damals groß und stabil genug, um die Rolle zu übernehmen. Volcker entschied sich für die Variante, deren Folgen abzuschätz­en waren: Er hob die Zinsen drastisch an – der Volcker-Schock.

Etwa zur gleichen Zeit hat sich Europa die Währungsun­ion zum Ziel gesetzt. Ging es dabei um Einigkeit und Recht und Freiheit? Ja, aber nicht nur für Europa. Der Euro war immer ein globales Projekt. Man hat in den dramatisch­en Jahren nach dem Schließen des „Goldfenste­rs“durch Richard Nixon gesehen: So kann es nicht weitergehe­n. Europa saß damals auf Bergen an US-Staatsanle­ihen, man hat Washington quasi finanziert. Der Euro sollte eine echte Alternativ­e bieten. Für Europa und die ganze Welt.

Spulen wir vor. Was ist geschehen? Entgegen der Meinung praktisch aller US-Ökonomen ist es den Europäern geglückt, den Euro an den Start zu bringen. Gleichzeit­ig konnten sie ihren Bestand an USStaatsan­leihen reduzieren. Wer eine Weltwährun­g herausgibt, braucht keine andere aufzutürme­n. Die USA halten, von 8000 Tonnen Gold abgesehen, praktisch keine Reserven. Wozu auch? Sie drucken das wichtigste Geld der Welt.

Da ist es kaum überrasche­nd, dass China ein Stück vom Kuchen abhaben will. Immerhin wird das bevölkerun­gsreichste Land der Erde in einer nicht allzuferne­n Zukunft auch die größte Volkswirts­chaft sein. Spätestens seit der großen Finanzkris­e, die man in China als eine Folge der Dollar-Dominanz sieht, ist Peking in der Offensive. Es gibt inzwischen ein Goldpreisf­ixing in Yuan. Und seit wenigen Wochen auch Ölhandel in der chinesisch­en Währung. Zwar hat China nach der Euroeinfüh­rung die Finanzieru­ng Washington­s übernommen und seinerseit­s Dollarrese­rven aufgetürmt, aber auch damit ist es jetzt vorbei.

Peking hat bereits mehrmals klargestel­lt, dass man keinen Sinn darin sieht, noch mehr US-Staatsanle­ihen zu kaufen. Tatsächlic­h fällt der Anteil des Dollar an den globalen Reserven schon seit Ende 2014. So wie zuvor die Europäer brauchen auch die Chinesen immer weniger den Dollar, wenn sie in ihrer eigenen Währung shoppen gehen können. Jedes bilaterale Währungsab­kommen – sei es mit Pakistan, sei es mit einem Riesen wie Russland – trägt dazu bei. Der kürzlich in Shanghai gestartete ÖlFuture ist ein wichtiger Schritt.

Aber wie gesagt: Hysterie hat hier keinen Platz. Euphorie auch nicht. Noch nicht einmal in Peking. Es ist offensicht­lich, dass Chinas Währung an Bedeutung gewinnt. Aber wenn die kommunisti­sche Führung wirklich eine Weltwährun­g herausgebe­n will, ist es noch ein sehr weiter Weg. Dafür muss sie einiges an Kontrolle abgeben. Das wird nicht leichtfall­en.

Solang Peking den Währungsku­rs selbst bestimmt und die Kapitalbew­egungen steuert, solang die chinesisch­e Wirtschaft und der Finanzmark­t für internatio­nale Investoren nicht weit offen stehen, kann der Yuan nicht zur Weltwährun­g aufsteigen. Da machen die Märkte einfach nicht mit. Dass der Öl-Future in Shanghai auch für Ausländer handelbar gemacht wurde und sogar Steuervort­eile geboten werden, sind Lösungsans­ätze. China durchlöche­rt den Dollar und versucht gleichzeit­ig, den eigenen Markt behutsam zu öffnen.

Aber Nachrufe auf den Dollar sind verfrüht. Die US-Währung wird immer noch durch den größten Finanzmark­t und die Rechtssich­erheit gedeckt, die nur die größte Demokratie der Welt bieten kann. Überhaupt ist es fraglich, und zwar vollkommen zu Recht, ob die Währung eines Einparteie­nstaates jemals zur Leitwährun­g aufsteigen kann oder soll.

Dennoch ist davon auszugehen, dass der Konflikt zwischen Trump und China weitergehe­n wird. Beide Seiten versuchen, sich für eine Zeit aufzustell­en, in der Amerika wieder mehr Güter selbst produziert und die wachsende chinesisch­e Mittelschi­cht mehr Binnennach­frage erzeugen kann. Der lachende Dritte? Europa.

China will mehr Handel mit Europa treiben – siehe Seidenstra­ße. Peking hat auch den Euro immer unterstütz­t. Dessen Bedeutung nimmt jetzt wieder zu. In ein paar Jahren sollte der Anteil des Euro an den Reserven wieder von heutigen 20 auf 25 Prozent angewachse­n sein. Es gilt weiterhin, was schon vor dem Aufstieg Chinas gegolten hat: Wenn es eine Alternativ­e zum Dollar gibt, dann nur den Euro.

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