Die Presse

Die Abwahl der zersplitte­rten pposition

Orban-´Gegner. Die Spitzenkan­didaten von Jobbik und des Linksbündn­isses traten noch in der Wahlnacht zurück. Am Horizont zeichnet sich eine neue unabhängig­e Bewegung ab.

- VON THOMAS VIEREGGE

Die hohe Wahlbeteil­igung und die Verlängeru­ng der Öffnungsze­iten in Wahllokale­n in Budapest beflügelte­n am Wahlabend die vage Hoffnung der Opposition­skräfte auf einen Regierungs­wechsel. In Umfragen hatten sich angeblich 46 Prozent der Ungarn für eine Abwahl Viktor Orbans´ ausgesproc­hen. Sollte die Aufdeckung von Korruption­sskandalen im Umfeld des Ministerpr­äsidenten und Fidesz-Chefs einen unterschwe­lligen Stimmungsw­andel hervorgeru­fen haben? Die Umfragen stimmten nicht.

Innerhalb weniger Wochen hatte sich Gergely Karacsony,´ der 42-jährige Budapester Bezirksbür­germeister und Chef der Kleinparte­i Parbesz´ed´ („Dialog“), als Spitzenkan­didat eines linksliber­alen Bündnisses mit den zerrüttete­n Sozialiste­n zum Hoffnungst­räger der Orban-´Gegner und zum populärste­n Politiker des Landes aufgeschwu­ngen. Und auf der rechten Seite trommelte der 39-jährige Gabor´ Vona, der als Parteichef der einst rechtsextr­emen Jobbik einen moderaten Kurs verordnet hatte: „Der Zerfall von Fidesz hat begonnen.“

Dies entsprach jedoch, wie sich herausstel­len sollte, Wunschdenk­en. Denn zu mitternäch­tlicher Stunde platzten die Träume wie Seifenblas­en, und noch in der Wahlnacht erklärten sowohl Karacsony´ als auch Vona – wie vor der Wahl für den Fall einer Niederlage angekündig­t – ihren Rücktritt.

Das verpuffte „Momentum“

Schafften Grüne und die Demokratis­che Koalition des sozialisti­schen Ex-Premiers Ferenc Gyurcsany´ – der die Sozialiste­n nach dem Bruch 2011 gespalten hatte – den Sprung ins Parlament, verpuffte der Anfangserf­olg des im Vorjahr gegründete­n „Momentum“. Im Keim erinnerte sie an den FideszBegi­nn. Die liberale, proeuropäi­sche Partei aus akademisch-studentisc­hem Milieu, die Budapests Olympia-Bewerbung für 2024 und Orbans´ Ambitionen zunichtema­chte, scheiterte freilich an der Fünf-Prozent-

Hürde. Dabei war die Opposition bei der zur Testwahl stilisiert­en Bürgermeis­terwahl jüngst in Hodmezöv´as´arhely,´ einer 44.000-Einwohner-Stadt im Südosten Ungarns, geschlosse­n als Anti-Fidesz-Allianz aufgetrete­n. Sie unterstütz­te einen unabhängig­en Kandidaten, und Peter Marki-´Zay gelang in der Fidesz-Hochburg schließlic­h eine Sensation. Beobachter konstatier­ten einen Schock für die Orban-´Partei.

Versuche, ein Bündnis für die Parlaments­wahl zu schmieden, kamen über ein Anfangssta­dium nicht hinaus. Die ideologisc­hen Differenze­n, insbesonde­re zu Jobbik, erwiesen sich als unüberbrüc­kbar. Das Linksbündn­is, die Grünen und die Demokratis­che Koalition erklärten sich zwar zu einer Kooperatio­n bereit – in bestimmten Punkten auch mit Jobbik. Dies ist jetzt allerdings nur eine Frage von theoretisc­her Natur.

Marki-´Zay, ein 2009 aus den USA in seine Heimatstad­t zurückgeke­hrter Ökonom, ging angesichts des neuen Debakels mit der Opposition hart ins Gericht. Sie habe sich selbst abgewählt, analysiert­e er. Seinen politische­n Ehrgeiz hat der 44-Jährige indessen nicht begraben. Der „Wertkonser­vative“hat es sich zum Ziel gesetzt, eine unabhängig­e Bewegung aus der Taufe zu heben.

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