„Diese Aura, dieses Leuchten“
Romy-Schneider-Film. „Als ich 16 war, begannen die Leute von einer Ähnlichkeit zwischen uns zu sprechen“, sagt Marie Bäumer: In „3 Tage in Quiberon“spielt sie Romy Schneider am Ende ihres Lebens, als zerrütteten Star.
Marie Bäumer spielt Romy Schneider in „3 Tage in Quiberon“. Der „Presse“erzählte die Schauspielerin, warum sie zuvor stets abgelehnt hat, Romy zu spielen.
Die Presse: Können Sie sich erinnern, wann Sie zum ersten Mal einen RomySchneider-Film gesehen haben? Marie Bäumer: Ehrlich gesagt nicht. Es muss in meiner Studienzeit gewesen sein. Ich bin ja ohne Fernseher aufgewachsen, kannte daher auch die „Sissi“-Filme nicht. Als ich 16 war, begannen die Leute dann, von einer Ähnlichkeit zwischen uns zu sprechen. Und irgendwann dachte ich mir: Jetzt muss ich schauen, wer das eigentlich ist!
Welchen Eindruck hat Schneider damals auf Sie gemacht? Sie ist eine der physischsten Kinoschauspielerinnen. Diese unnachahmliche Aura, dieses Schmerz- und Sehnsuchtspotenzial, dieses wahnsinnige Leuchten!
Sind Sie ein Fan? Ich bin eigentlich nie so richtig Fan von irgendwas gewesen. Doch ich habe Romy sehr gerne zugeschaut.
Wie oft hat man Sie eigentlich schon gefragt, ob Sie sie spielen wollen? Oft. Aber meistens ging es um Biopics, und das hat mich nie interessiert.
„3 Tage in Quiberon“wählt einen anderen Zugang. Das Kammerspielformat habe ich mit einem Freund entworfen – dem Produzenten Denis Poncet, der inzwischen leider an Krebs gestorben ist. Wir saßen in Paris beim Austernessen, und er fragte, ob das Sujet Romy Schneider für mich endgültig vom Tisch sei. Ich meinte: Ja – außer man schafft einen Zoom am Ende ihres Lebens, eine Verdichtung, die Zustandsbeschreibung einer Frau, die versucht, aus einer emotionalen Sackgasse wieder ans Licht zu kommen. Denis hatte dann die Idee, das späte „Stern“-Interview ins Zentrum zu stellen und ein Vierpersonenstück daraus zu machen.
Schneider erscheint darin als Frau, die Probleme mit der Work-Life-Balance hat. Ich vermute, dass sie zu dieser Zeit kein Zuhause mehr hatte, kein inneres und kein äußeres. Dann ist dieser Beruf einfach eine übermenschliche Herausforderung. Auch meinen Schauspielstudenten sage ich immer: Verwechselt euer Arbeitsfeld nicht mit eurem Zuhause, man muss wissen, wo man sich aufladen kann.
Wie laden Sie sich auf? Mit 17 habe ich Radtouren durch Frankreich gemacht und mich in dieses Land verliebt. Mittlerweile lebe ich dort in einem beschaulichen kleinen Dorf mit sehr natürli- chem Rhythmus. Ich habe ein Pferd und eine rumänische Flüchtlingshündin adoptiert und bin mit ihnen viel unterwegs.
Romy Schneider wird oft auf ihre Verhältnisse zu Männern reduziert. In „3 Tage in Quiberon“geht es auch um die Beziehung zwischen ihr und einer Jugendfreundin, gespielt von Birgit Minichmayr. Uns war von vornherein klar, dass eine Freundin mit dabei sein muss, da geht es um den Aspekt des Privatlebens. Und Hilde ist nicht nur bemutternd – sie stößt an ihre Grenzen und hält Romy einen Spiegel vor. „3 Tage in Quiberon“besticht durch seine Intimität, man fühlt sich den Figuren sehr nahe. Wie erreicht man das? Wir haben lange geprobt, waren gut vorbereitet, hatten auch während des Drehs genug Zeit. Doch die Intimität liegt auch im Hotel-Schauplatz und im Kreisen der Kamera um die Hauptfigur. So entsteht der Eindruck, Romy könne nie richtig aus den beengenden Zimmern ausbrechen.
Romy Schneider hat nie eine klassische Schauspielausbildung durchlaufen. Glauben Sie an Naturtalente? Ob bei einem Rohdiamanten oder einem ausgebildeten Schauspieler – Talent spielt immer mit und ist ganz früh erkennbar.
Woran? So einfach lässt sich das nicht beantworten. Das ist, als ob ich Sie fragte: Warum lieben Sie Ihre Frau? Es ist eine gewisse Aura, die Fähigkeit, ganz tief in die Emotionen reinzugehen, den Körper aufzumachen, Spannungswechsel zuzulassen. Und es geht um Charisma. Das kann man auch nicht erklären – man hat es, oder man hat es nicht.
Würde Romy Schneider immer noch spielen, wenn sie heute noch lebte? Auf jeden Fall.
Sie hätte sich also nicht ihrer Familie gewidmet? Es heißt immer, der Beruf sei ihre große Krux gewesen. Ich glaube, es war eher die Tatsache, dass sie schon mit 14 Popstar-Status hatte und Dinge leistete, die in diesem Alter nicht unbedingt leistbar sind. Wann esse ich, wann schlafe ich, wo ist mein Schutzraum – diese Parameter waren nicht ausreichend geklärt. Natürlich hat sie sich sehr stark mit dem Beruf identifiziert. Aber zugleich sehnte sie sich nach einem einfachen bürgerlichen Leben, nach banalem Alltag. Richtig gefunden hat sie das nie. Wenn man dann drei Filme im Jahr macht und immer 300 Prozent gibt, ist der Akku irgendwann alle.
Haben Sie ein persönliches Film-Limit? Ich hatte einmal drei Kinohauptrollen in einem Jahr, die ich dann auch promoten musste. Das war für mich an der Grenze.
Zur Rollenvorbereitung haben Sie sich viele Interviews mit Romy Schneider angesehen. Was ist Ihnen dabei aufgefallen? Interessant fand ich ihre Atmung, daran konnte man ihre Aufregung und Anspannung sehr gut ablesen. Auch ihre Art zu rauchen: Ihre Haltung hatte dabei etwas Männliches. Und wie sie bei Interviews ihre Gedanken verfolgte, manchmal in einer stakkatohaften Wiederholung, ohne die Journalisten wirklich wahrzunehmen.
Romy Schneider musste sich die Unabhängigkeit vom „Sissi“-Image hart erarbeiten. Hatten Sie je ein Image, das Sie abschütteln wollten? Als die Leute mich nach der Bully-HerbigKomödie „Der Schuh des Manitu“in „Der alte Affe Angst“gesehen haben, wussten sie plötzlich nicht mehr, wie sie mich einordnen sollten. Ich habe die Journalisten dann immer gefragt, ob wir nicht gemeinsam eine neue Schublade finden wollen: Das hat sie zum Lachen gebracht.