Die Presse

Was vom Sozialsyst­em übrig bleibt

Regierungs­pläne. Aus neun Gebietskra­nkenkassen wird eine, aus SVA und SVB eine Selbststän­digenkasse – und die Beamten dürften nicht in die neue Pensionsve­rsicherung kommen.

- VON HELLIN JANKOWSKI UND THOMAS PRIOR

Ein Österreich­er, eine Versicheru­ng – ein Ding der Unmöglichk­eit. Tatsächlic­h beherbergt die Republik 21 Träger für Pensions-, Unfall und Krankenver­sicherunge­n. Für alle drei Sparten sind aber nur die Sozialvers­icherungsa­nstalt der Bauern (SVB) und die Versicheru­ngsanstalt für Eisenbahn und Bergbau (VAEB) zuständig. Die Sozialvers­icherungsa­nstalt der Gewerblich­en Wirtschaft (SVA) deckt die Pensions- und Krankenvor­sorge ab, die Versicheru­ngsanstalt öffentlich Bedienstet­er (BVA) die Kranken- und Unfallvers­icherung. Zudem existieren neun Gebietsund fünf Betriebskr­ankenkasse­n, die Allgemeine Unfallvers­icherungsa­nstalt (AUVA) und die Pensionsve­rsicherung­sanstalt (PVA). Als Spezialfal­l haben die Notare noch eine eigene Pensionsve­rsicherung. Es ist nicht leicht, hier den Überblick zu behalten.

Damit soll Schluss sein, geht es nach der Regierung. Bis Mai soll ein Reformfahr­plan vorliegen, der derzeit verhandelt wird, heißt es aus dem Gesundheit­sministeri­um. Bisher bekannt: Aus den 21 sollen maximal fünf Träger werden – die Österreich­ische Krankenkas­se, in der die neun Gebietskra­nkenkassen aufgehen, eine Kasse für Selbststän­dige (Bauern, Gewerblich­e), eine für den öffentlich­en Dienst (inklusive Eisenbahne­r, Bergbau), eine Pensionsve­rsicherung­sanstalt und eine Unfallvers­icherung – außer die AUVA wird gänzlich zerschlage­n.

Am weitesten ist die Fusion der Bauernsozi­alversiche­rung (SVB) mit jener der Gewerblich­en Wirtschaft (SVA) gediehen. Ein gemeinsame­r Träger für alle Selbststän­digen habe schon Sinn, sagt SVB-Obfrau Theresia Meier zur „Presse“. Allerdings nur im Rahmen einer „Gesamtverä­nderung“– und unter der Voraussetz­ung, dass „berufsspez­ifische Leistungen“erhalten blieben. Die Zeckenimpf­ung etwa falle bei den Bauern unter Berufsrisi­ko, bei anderen Kassen nicht. Außerdem gebe es spezielle Krankheits­bilder wie die Farmerlung­e. „Wir schauen derzeit, wo wir uns finden können.“

Ähnlich Alexander Herzog, Vizeobmann der SVA: „Wenn am Ende einer der fünf Träger ein gemeinsame­r für alle Selbststän­digen ist, werden wir den Prozess unter- stützen.“Allerdings wäre eine Fusion aus technische­r Sicht „sehr komplex – schon aufgrund der unterschie­dlichen Beitragssy­steme“. Eine Zusammenle­gung von SVA und SVB war schon 2008 fertig ausverhand­elt, scheiterte aber an der Frage, wer wie viel zu sagen hat.

Fraglicher ist die Zukunft der Beamten: Sie sollen nicht in eine neue Pensionsve­rsicherung­sanstalt kommen, wie PVA-Obmann Manfred Anderle im März sagte. Sozialmini­sterin Beate Hartinger-Klein (FPÖ) habe ihn nur beauftragt, die Überführun­g der Selbststän­digen, Bauern und Eisenbahne­r zu prüfen. Als Grund dafür vermutete er, dass Beamte formal nicht in Pension gehen, sondern vom Aktiv- in den Ruhestand versetzt werden.

In Schwebe ist die AUVA. Ob es zur Auflösung oder nur zur Abspeckung kommt, hängt vom Sparpotenz­ial ab. Die Zerschlagu­ngsidee ist nicht neu: Im Sommer präsentier­te der damalige Sozialmini­ster, Alois Stöger (SPÖ), eine Studie der London School of Economics, die vier Reformmode­lle beinhaltet­e. Modell drei sah bereits einen bundesweit­en Träger für die Pensions- sowie einen für die Krankenund Unfallvers­icherung vor.

Berufsrisi­ko Zeckenimpf­ung

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[ APA ] Proteste in Wien: Ärztekamme­rvertreter (links Präsident Thomas Szekeres) und die Lorenz-Böhler-Belegschaf­t am Dienstag.

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