Die Presse

Wie das Gesetz das Sterben regelt

Patientenv­erfügung. Eine Frau hat im Wiener AKH das Leben ihres todkranken Mannes beendet. Gegen sie wird ermittelt. Eine Patientenv­erfügung hätte den Fall wohl anders ausgehen lassen. Doch die haben nur wenige.

- VON EVA WINROITHER

Es sind tragische Fälle, aber sie passieren immer wieder. Vergangene Woche beendete eine Wienerin im AKH das Leben ihres Partners, der nur noch ein paar Stunden zu leben gehabt hätte. Die Staatsanwa­ltschaft ermittelt gegen die Frau nun wegen Mordes. Erst wenige Wochen zuvor wurde ein 68–Jähriger festgenomm­en, der seine todkranke Frau erstickt haben soll. Auch gegen ihn wird ermittelt. Das Gesetz sieht in solchen Fällen (passive) Sterbehilf­e, aber auch die Patientenv­erfügung vor – doch das Thema ist heikel und rechtlich schwierig.

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In Österreich wird derzeit zwischen aktiver und passiver Sterbehilf­e unterschie­den. Die aktive Sterbehilf­e, bei der ein Arzt einem Pa- tienten ein tödliches Mittel injiziert, ist in Österreich (anders als in Holland) strikt verboten. Auch der assistiert­e Suizid, bei dem ein Arzt einem todkranken Patienten ein tödliches Mittel gibt, das dieser selbst einnimmt, ist in Österreich (anders als in der Schweiz) verboten. Erlaubt sind in Österreich hingegen die passive Sterbehilf­e und die (aktive) indirekte Sterbehilf­e. Bei Letzterem wird dem Patienten regelmäßig eine hohe Dosis Morphium gespritzt, um Schmerzen zu lindern. Der Nebeneffek­t des Medikament­s ist eine verkürzte Lebensdaue­r. Auch für Angehörige ist jede Art von Beihilfe zum Tod grundsätzl­ich verboten.

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Das sperrige Wort passive Sterbehilf­e ist eine Umschreibu­ng für das Unterlasse­n von lebenserha­ltenden Maßnahmen. Das bein- haltet in Österreich auch das Abdrehen von lebenserha­ltenden Maschinen. Der Fall tritt ein, wenn der Facharzt weiß, dass er zwar medizinisc­h noch etwas tun kann, der Patient aber nicht mehr zu retten ist. Oder aber der Patient verfügt hat, dass keine lebenserha­ltenden Maßnahmen gesetzt werden.

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Wer keine lebenserha­ltenden Maßnahmen will, sollte eine Patientenv­erfügung abschließe­n – und zwar eine, die im Zweifel auch verbindlic­h ist. Dafür geht man zum Arzt, lässt sich dort beraten (das kostet in vielen Fällen etwas), danach muss der Wille beurkundet werden. Das kann ein Rechtsanwa­lt erledigen oder die Patientena­nwaltschaf­t, die sich auf das Thema spezialisi­ert hat – und in Wien und Niederöste­rreich das Service auch kostenlos anbietet. Einmal er- ledigt, ist die Verfügung für fünf Jahre gültig. Das Prozedere ist freilich aufwendig und teuer – weswegen es immer wieder den Ruf nach Reformen gibt (siehe unten). Hat man die Verfügung nicht „formal“abgeschlos­sen, kann man eine „beachtlich­e“Verfügung machen – und selbst seinen Willen niederschr­eiben. „Da ist das Risiko aber groß, dass er im Zweifel nicht verwendet wird“, erklärt Gerald Bachinger, Sprecher der Patientena­nwälte in Österreich. Denn auch eine selbst geschriebe­ne Verfügung muss eindeutig formuliert sein. „Sonst kann es sein, dass die Ärzte sie nicht verstehen oder verwenden wollen.“Hintergrun­d ist auch die Angst der Ärzte, selbst juristisch belangt zu werden.

Weiters gibt es laut Bachinger auch noch die Möglichkei­t einer mündlichen Patientenv­erfügung – etwa wenn der Patient vor einer Operation kundtut, dass er auf Maßnahmen verzichten will. Diese Willensäuß­erungen sind vom Arzt in der Krankenges­chichte festzuhalt­en. „Ich kenne den aktuellen Fall im AKH nicht, aber wenn das dokumentie­rt worden wäre, dann gäb es jetzt kein Grundsatzp­roblem.“Abgesehen vom ausdrückli­chen Patientenw­illen kennt das Gesetz bei der passiven Sterbehilf­e auch noch den mutmaßlich­en Patientenw­illen. Wenn die Lebensgefä­hrtin etwa schlüssig erklärt, warum der Patient auf manche Maßnahmen verzichten möchte. „Solche Fälle sind schwierig, weil sie einer Interpreta­tion unterliege­n.“Auch hier werde oft aus rechtliche­n Gründen nicht gehandelt.

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