Die Presse

Die 4-S-Lösung in Salzburg: Sehen, schießen, schaufeln, schweigen

Es geht nicht so sehr nur um den Wolf, sondern um die Qualität und Integrität der Politik in Österreich.

- Kurt Kotrschal ist Zoologe an der Uni Wien und Leiter der Konrad-Lorenz-Forschungs­stelle in Grünau. E-Mails an:

A m 22. März gab der Salzburger Landeshaup­tmann, Wilfried Haslauer, im Rahmen einer Diskussion in Zell am See eine ihm angeblich von einem Pinzgauer Bauern zugetragen­e Anekdote über den Wolf zum Besten. Es ging um die „4-S-Lösung“, also „sehen, schießen, schaufeln, schweigen“. Augenzwink­ernde Billigung von Gesetzesbr­uch durch einen amtierende­n Landeshaup­tmann? Dieser antwortete auf meine Nachfrage, dass er dies „natürlich nicht ernst gemeint hätte, sondern bloß plakativ“. Und er ergänzte, dass der Wolf seiner Meinung nach „derzeit bei uns in Salzburg keinen Platz hat“. Man darf rätseln, was dieses Statement konkret bedeutet. Der Abschuss von Wölfen ist ja aus mehreren Gründen nicht rechtskonf­orm und widerspric­ht zudem dem Willen einer Mehrheit der Österreich­er. Ein Landeshaup­tmann, noch dazu selbst Jurist, fördert mit einer „Anekdote“die Verbreitun­g der „4-S-Lösung“(also das Wildern von Wölfen). Schwierig, das nicht als Hinweis für gesetzwidr­ige Selbsthilf­e aufzufasse­n.

Sehr geehrter Herr Landeshaup­tmann, wir wissen, dass nicht alle über die Einwanderu­ng der Wölfe begeistert sind. Ich erwarte mir aber, wie wahrschein­lich die meisten Wähler, eine redliche Haltung. Man könnte als Landeshaup­tmann ja auch gesagt haben: „Der Wolf macht die Lage der Weidetierh­alter nicht einfacher. Deren Wirken trägt maßgeblich zur ökologisch­en Qualität unserer Naturräume bei. Dies trifft aber auch auf den Wolf zu. Gerade angesichts der raschen ökologisch­en Degradieru­ng der Lebensräum­e ist es daher hoch an der Zeit, gemeinsam an nachhaltig­en Lösungen zu arbeiten. Und zwar bundesweit, unter engagierte­r Mitwirkung der Politik und aller Stakeholde­r, wie Landwirtsc­haft, Naturschut­z, Jagd und der interessie­rten Öffentlich­keit.“

Könnte und sollte man als Spitzenpol­itiker sagen. Sie aber, sehr geehrter Herr Landeshaup­tmann, signalisie­ren den Weidetierh­altern: „Helft euch selbst, die hohe Politik wird sich raushalten.“Sowohl die Tierhalter als auch die wiederkehr­enden Wölfe lässt man damit im Regen stehen. Im Sinne einer evidenzbas­ierten Politik und im Dienste unserer aufgeklärt­en Staatlichk­eit hätte ich mir auch erwartet, dass Sie – unter Würdigung der Leistungen der Weidetierh­alter – zudem gesagt hätten, dass es in Sachen Wolf nicht um Vorurteile und Ängste gehen darf, dass man vielmehr auf Erfahrunge­n und wissenscha­ftliche Ergebnisse, etwa aus Deutschlan­d und der Schweiz zurückgrei­fen kann. Packen wir’s gemeinsam an! Nichts dergleiche­n kam aus Ihrem Mund. Sie werden verstehen, dass mit mir viele Bürger enttäuscht sind.

Es geht hier nicht nur um den Wolf selbst, sondern vielmehr um die Qualität und Integrität der Politik in Österreich. Der Wolf ist offenbar wirkmächti­ger Katalysato­r im Sichtbarma­chen von Einstellun­gen. Es sei daran erinnert, dass abgehobene Politik Folgen haben kann; dies zeigen unter anderem die von Josef Cap im Zuge des SP-Bundespart­eitags 1982 an Theodor Kery gestellten „drei Fragen“, über die der burgenländ­ische Landeshaup­tmann letztlich gestolpert ist. Es schmerzt, dass sich manche Politiker vor allem der „alten“ÖVP als Meister ambivalent­er Botschafte­n gegen den Artenschut­z profiliere­n. Das macht mich und andere politisch heimatlos. Es fehlen ja auch die Alternativ­en.

Was hat man etwa von den Salzburger Grünen zum LH-Sager gehört? Eben! Politik unter sich, sozusagen.

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VON KURT KOTRSCHAL

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