Die Presse

Julia Skripal nach Giftanschl­ag entlassen

Giftaffäre. Die Tochter des vergiftete­n russischen Ex-Spions ist nach fünf Wochen aus dem Spital entlassen worden. Auch ihr Vater macht „gute Fortschrit­te“. Die Affäre hat sich zu einem Propaganda­krieg zwischen Moskau und London ausgewachs­en, in dem immer

- Von unserem Korrespond­enten GABRIEL RATH

Über einen Monat nach dem Nervengift-Anschlag auf den russischen Ex-Doppelagen­ten Sergej Skripal ist dessen ebenfalls verletzte Tochter Julia aus dem Spital in Salisbury entlassen worden. Sie sei an einen sicheren Ort gebracht worden, berichtet BBC. Ihr 66-jähriger Vater erholt sich laut Ärzten langsamer als sie.

Boris Johnson, britischer Außenminis­ter und üblicherwe­ise nicht auf den Mund gefallen, übte sich gestern in vornehmer Zurückhalt­ung. Die Meldung, dass Julia Skripal fünf Wochen nach dem Giftanschl­ag im südenglisc­hen Salisbury aus der Krankenhau­spflege entlassen werden konnte, war dem Foreign Office vorerst keine Stellungna­hme wert. Die wundersame Heilung der Tochter des ehemaligen russischen Geheimdien­stmannes Sergej Skripal, der sich ebenfalls auf dem Weg der Besserung befindet, droht in den Augen Londons zu einem Propaganda­coup für Moskau zu werden.

Prompt ließ es sich die russische Botschaft in London auch nicht nehmen, Julia Skripal via Twitter „zu ihrer Genesung zu gra- tulieren“. Zugleich warnte Moskau: „Wir verlangen dringend Beweise, dass, was mit ihr geschieht, aus ihrem freien Willen erfolgt.“Die russische Führung hat seit dem Anschlag am 4. März alle Anschuldig­ungen zurückgewi­esen und stattdesse­n heftige Vorwürfe gegen London gerichtet.

Der 66-jährige Sergej Skripal und seine 33-jährige Tochter Julia waren am ersten Sonntag im März auf einer Parkbank in Salisbury kollabiert. Skripal ist ein ehemaliger Mitarbeite­r des russischen Militärgeh­eimdienste­s, der 2006 wegen Spionage für die Briten in Moskau zu 13 Jahren Haft verurteilt worden war. Schon vier Jahre später kam er im größten Agententau­sch seit dem Ende des Kalten Krieges frei und durfte sich in Südengland niederlass­en.

Das Echo des Kalten Krieges wurde in den vergangene­n Wochen zu einem Donnerhall. Nachdem britische Untersuchu­ngen ergaben, dass die Skripals mit dem Nervengas Nowitschok angegriffe­n worden waren, ging die Londoner Regierung in die Offensive. Premiermin­isterin Theresa May erklärte, eine Verwicklun­g Russlands in den Anschlag sei „höchst wahrschein­lich“. Außenminis­ter John- son wagte sich noch weiter vor, verglich Putin-Russland mit HitlerDeut­schland und veröffentl­ichte erst am Wochenende einen Artikel, in dem er schrieb: „Es gibt nur eine Schlussfol­gerung: Nur der russische Staat hat die Mittel, das Motiv und die Geschichte, ein derartiges Verbrechen zu begehen.“

„Wir wünschen Julia alles Gute“

Den britischen Sanktionen schlossen sich 28 Staaten an, mehr als 100 russische Botschafts­mitarbeite­r wurden ausgewiese­n. Moskau schlug mit gleichen Mitteln zurück. Britische Experten sprachen von einem „staatliche­n Akteur“und wiesen auf Russland, konnten aber nicht den exakten Herstellun­gsort des Gifts ermitteln. Dafür soll der britische Geheimdien­st eine kodierte russische Nachricht aufgeschna­ppt haben, die lautete: „Das Paket wurde zugestellt.“

Im Gegensatz zu ihrem Vater lebte Julia Skripal in den letzten Jahren wieder in Moskau, besuchte aber Großbritan­nien regelmäßig. Die behandelnd­e Ärztin, Christine Blanshard, erklärte gestern: „Wir wünschen Julia alles Gute. Das ist nicht das Ende ihrer Behandlung, aber sie hat einen Wendepunkt überschrit­ten.“Auch ihr Vater mache „gute Fortschrit­te“und werde „zu einem gegebenen Zeitpunkt entlassen werden können.“

Über den künftigen Verbleib der Skripals wurde Geheimhalt­ung verhängt. In britischen Zeitungen wurde spekuliert, dass Vater und Tochter unter einer neuen Identität in die USA gebracht werden könnten. Aus Moskau meldet sich hingegen eine Cousine zu Wort und forderte Julia zur Heimkehr auf. Die Skripals dürften über den Berg sein – der Propaganda­krieg ist noch längst nicht vorbei.

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[ Reuters ] Wieder genesen: Julia Skripal.

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