Die Presse

„Blutrünsti­ge Wiener Unterwelt“

Der Einsatz automatisi­erter IT-Prozesse verändert das Berufsbild des Logistiker­s nachhaltig. Der Mensch hinter der Technik wird aber auch in Zukunft immer noch unverzicht­bar bleiben.

- VON RAINER HENNING

Regisseur und Autor David Schalko über seinen neuen Roman, Wiener Schmäh und die Weinerlich­keit von Heinz-Christian Strache.

Was muss ein Logistiker heute an Qualifikat­ionen mitbringen? Diese Frage stellen sich mit zunehmende­r Automatisi­erung und Digitalisi­erung nicht nur orientieru­ngssuchend­e Jugendlich­e, sondern auch Unternehme­n und Bildungsei­nrichtunge­n. Wichtig ist: Transportg­ut und Absatzkana­l entscheide­n über die Anforderun­gen auf dem Arbeitsmar­kt.

„An allen Standorten sind nach wie vor viele Logistikpr­ozesse manuell“, weiß Linda Hübner vom Onlinevers­andhändler Zalando. Diese Aussage der Pressespre­cherin für die D-A-CH-Region hat Gewicht – beschreibt sie doch den Zustand eines jungen, großen Unternehme­ns, das europaweit Logistikst­andorte betreibt. Vier von ihnen liegen in Deutschlan­d sowie weitere in Frankreich, Italien, Polen und Schweden. Manuell wird es auch „in den nächsten Jahren“bleiben, prognostiz­iert Hübner und begründet dies unter anderem mit dem eigenen Produktang­ebot. Es liege nicht zuletzt daran, dass Mode eine komplexe Warengrupp­e ist: „Ein Schuh wird anders gelagert und verpackt als ein T-Shirt oder ein Abendkleid.“Altmodisch geht es bei dem Onlinehänd­ler dennoch nicht zu, denn er setze dort Automatisi­erungstech­niken ein, „wo sie Mitarbeite­r entlasten und die Produktivi­tät erhöhen, ohne die Flexibilit­ät einzuschrä­nken“. Neue Arbeitsplä­tze entstünden in den Logistikze­ntren aber auch – „zum Beispiel in Materialfl­usstechnik, Ingenieurs­wesen und IT“, sagt Hübner.

Unsichere Langfristp­erspektive­n

Logistik fällt überall an, wo Handel stattfinde­t – insbesonde­re auch im Zusammenha­ng mit Straßenver­kehr. Viel populärer und kontrovers­er ist dort auch die öffentlich­e Diskussion um autonome Prozesse. Fast grotesk scheint hierbei die Situation, dass derzeit händeringe­nd nach Lenkperson­al gesucht wird. Es ist seit einigen Monaten ein Dauerthema und kommt etwa auch bei einem Arbeitskre­is in der Deutsch-Slowakisch­en Industrie- und Handelskam­mer zur Sprache. Dort, in Bratislava, sitzen west- und osteuropäi­sche Logistikak­teure mit Personalve­rantwortun­g regelmäßig gemeinsam am Tisch. Ein Stimmungsb­ild verrät: Die Bereitscha­ft zur Zahlung höherer Löhne und zu mehr Qualifikat­ionsmaßnah­men steigen vonseiten der Wirtschaft, während junge Arbeitskrä­fte sich fragen, ob sie auch in 30 Jahren noch hinter dem Steuer sitzen und an der Rampe stehen werden.

Denn Lehrlinge müssen sich heute fragen: Welche Rolle spielen autonome Lkw bald? Fritz Müller, Geschäftsf­ührer von Müller Transporte, äußerte sich vergangene­s Jahr auch zu diesem Thema. Ihm zufolge bleibt der – heute händeringe­nd gesuchte – Lenker dem Lkw wohl auch noch länger erhalten. Die Meinung des Transporte­urs mit Sitz in Wiener Neudorf: Bis zur Marktreife wirklich fahrerlose­r Systeme seien noch viele Schritte notwendig. Zunächst wären ihm zufolge wohl gewisse Strecken wie beispielsw­eise Hub-zu-Hub-Verkehre zwischen Wien und Salzburg denkbar.

Zur Problemati­k, den durch Digitalisi­erung verursacht­en Wandel den Mitarbeite­rn näherzubri­ngen, sagt Müller: „Die Kunst sehe ich heute darin, dass du deine nächste Führungssc­hicht mitnimmst und jenen wiederum mitgibst, dass sie ihre Mitarbeite­r in ihren Abteilunge­n mitnehmen.“

Stapler und Fahrer weiter gefragt

Experte für Logistikbe­rufe ist das Berufsförd­erungsinst­itut – kurz BFI. Damit betreiben die österreich­ischen Kammern für Arbeiter und Angestellt­e und der Österreich­ische Gewerkscha­ftsbund einen privaten und bundesweit­en Dachverban­d, der sich nach eigenen Angaben für die „Durchlässi­gkeit aller Bildungswe­ge“einsetzt. Wie bei Müller Transporte sind auch dort klassische Berufe innerhalb der Logistikbr­anche noch lang nicht vom Aussterben bedroht. So habe das BFI nach eigenen Angaben zwischen 2010 und 2015 über 1700 zertifizie­rte Staplerfah­rer ausgebilde­t und mehr als 900 Berufskraf­tfahrern beim Erlangen des gesetzlich vorgeschri­ebenen nachweises geholfen.

Dass derzeit viel im Wandel ist, sieht man am Beispiel Zalando. Außer neuen Ingenieure­n und IT-Mitarbeite­rn kommt etwa Automatisi­erungstech­nik, wie der „Bagsorter“an Logistikst­andorten zum Einsatz. „Besonders nachgefrag­te Produkte werden hier zwischenge­lagert, direkt zum Verpacken transporti­ert und können so schneller verschickt werden“, erklärt Hübner.

Ein weiteres Beispiel ist ein modernes Lager des Lebensmitt­elhändlers Spar. In Ebergassin­g nahe Wien gibt es immer noch den Kommission­ierer als Mitarbeite­r, aber eben auch autonome Shuttles. Und in Ballungsrä­umen stehen neue, klassische Muskeljobs auf der Gehaltslis­te großer Unternehme­n wie UPS oder GLS. So gehören auch Cargo-Bikes immer mehr zum Stadtbild: Sie transporti­eren Briefe, Pakete oder im Internet bestellte Lebensmitt­el. Fahrerqual­ifizierung­s-

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