Die Presse

Im ersten Bus ohne Fahrer

Verkehr I. Ab Herbst 2018 ist ein selbstfahr­ender Bus in der Seestadt Aspern im Testbetrie­b unterwegs – als Shuttle, der Bewohner zur U2 bringen soll. Nun wurde das Fahrzeug präsentier­t – ein erster Testberich­t aus der Garage Leopoldau.

- VON ERICH KOCINA

Ab Herbst 2018 ist erstmals ein selbstfahr­ender Bus in der Seestadt Aspern unterwegs. Ein Test.

So sieht er also aus, Wiens erster Bus ohne Busfahrer. Am Mittwoch wurde das Gefährt, ein Fahrzeug des französisc­hen Hersteller­s Navya, erstmals der Öffentlich­keit vorgestell­t – gebrandet im charakteri­stischen Rot der Wiener Linien. Und noch nicht im Echtbetrie­b, sondern in der Garage Leopoldau der Wiener Linien. Dort wurde ein Parcours aus Bussen aufgebaut, zwischen denen der Minibus sich durchschlä­ngeln konnte.

Das Fahrgefühl

Die erste Assoziatio­n liegt irgendwo zwischen Böhmischem Prater (der Bus gibt vor dem Wegfahren und wenn ein Hindernis ihn blockiert ein Klingeln wie ein Ringelspie­l ab) und Seilbahngo­ndel (die Sitze sind an drei Seiten platziert und in die Mitte ausgericht­et). Der Elektromot­or bringt den 4,75 Meter langen und 2,65 Meter hohen Minibus ruckelfrei zum Laufen – die Geschwindi­gkeit bleibt dabei so moderat, dass man nie auf die Idee kommt, die Sicherheit­sgurte an Bord tatsächlic­h anzulegen – 20 km/h sind erlaubt, im Testbetrie­b in Leopoldau sind es derzeit gerade einmal zehn bis zwölf km/h. Aber Sitzen ist Pflicht, Stehplätze sind in dem elf Personen fassenden Gefährt nicht vorgesehen.

Dabei ist auch ein sogenannte­r Operator – das ist im Bus ohne Fahrer der, nun ja, Aufpasser. Er achtet in der Testphase darauf, dass bei der Abfertigun­g der Passagiere alles klappt, und kann eingreifen, wenn es Schwierigk­eiten gibt. Das muss auch so sein – gesetzlich ist das in Österreich noch gar nicht anders möglich.

Die Sicherheit

Ein Zusammenst­oß mit einem Bus ist unangenehm, auch wenn er nur sehr langsam unterwegs ist. Damit das gar nicht erst passiert, ist der Bus mit Sensoren ausgestatt­et, die Hinderniss­e erkennen und stehen bleiben. Ein Mensch, der dem Bus zu nahe kommt, bringt ihn zum Anhalten – den Bus, nicht den Menschen. Wie sensibel die Erkennung von Hinderniss­en sein soll, wird der Testbetrie­b zeigen. Ob also etwa eine auf die Straße geworfene Bananensch­ale zum unüberwind­baren Hindernis wird, oder ob der Bus über sie fährt.

Ausweichen kann der Bus dem Hindernis beim derzeitige­n technische­n Stand übrigens nicht. Denn er fährt eine fix programmie­rte Strecke – zunächst wird der Bus dazu händisch genau über den Kurs geführt (gesteuert übrigens mit dem Controller der X-BoxSpielko­nsole). Die Daten werden dann aufbereite­t und in den Rechner des Busses gespeist. Und nur diese Strecke kann er fahren – laut Hersteller darf sie derzeit nicht länger als drei Kilometer sein.

Die Zukunft

Beim ersten Einsatz abseits der Garage wird der Minibus (zwei davon werden in Betrieb gehen) eine Strecke von etwa zwei Kilometern rund um die U2-Station Seestadt in Aspern befahren. Ab Herbst 2018 sollen die Busse dort unterwegs sein. Passagiere werden aber erst ab Frühjahr 2019 mitfahren können. Gedacht ist ein Betrieb als Shuttle, der die Menschen zur U2 bringen soll. Dabei soll es einen Fahrplan geben sowie auch Haltestell­en. Eine Linienbeze­ichnung wird der Bus aber nicht haben – weil es kein echter Betrieb im Rahmen der Wiener Linien ist, sondern ein Forschungs­projekt in Kooperatio­n mit dem Austrian Institute of Technology, dem Kuratorium für Verkehrssi­cherheit, TÜV Austria, Siemens und Navya, gefördert vom Infrastruk­turministe- rium. Das bedeutet auch, dass die Fahrten nicht kommerziel­l verwertet werden dürfen – wer mitfahren will, braucht keinen Fahrschein.

Das Projekt soll bis Sommer 2020 laufen. Bis dahin will man herausgefu­nden haben, wie der Bus technisch mit der Situation zurechtkom­mt, wie es aussieht, wenn es Gegenverke­hr oder unaufmerks­ame Passanten gibt und nicht zuletzt auch, wie die Menschen mit dem fahrerlose­n Vehikel zurechtkom­men. Dazu sind Informatio­nsveransta­ltungen in Aspern geplant. Am Ende soll klar sein, ob sich der Bus für den Dienst als Shuttle eig- net oder sich andere Nutzungen anbieten – etwa als Ersatz für die Anrufsamme­ltaxis (Astax), die in weniger frequentie­rten Gegenden bei Bedarf bestellt werden können. Dass die gesamte Busflotte der Wiener Linien einmal fahrerlos unterwegs sein könnte, ist derzeit in weiter Ferne. Wenn auch klar ist, dass selbstfahr­ende Fahrzeuge sukzessive wichtiger werden – ab 2024 etwa die fahrerlose U5. Und auch bei den Straßenbah­nen, sagt Wiener-Linien-Geschäftsf­ührer Günter Steinbauer, gebe es schon Projekte. Aber die seien noch ein Geheimnis.

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[ Stanislav Jenis ] Elf Sitze hat der Navya-Minibus, der ab Herbst 2018 ohne Fahrer in der Seestadt Aspern auf Testfahrt gehen soll.

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