„Russland, mach dich bereit!“
USA. Der Präsident provoziert mit Bombendrohung gegen Syrien auch Wladimir Putin. Eine neue Eskalationsstufe ist erreicht.
Unser Verhältnis zu Russland ist schlechter, als es jemals war, und das inkludiert auch den Kalten Krieg.
Zuerst die Ausweisung von rund 60 russischen Diplomaten, dann schwere Sanktionen, die die russische Wirtschaft mitten ins Mark treffen, und nun die Drohung einer direkten militärischen Konfrontation: Donald Trump hat keine Scheu davor, mit dem Feuer zu spielen und Russland herauszufordern. Die Welt blickt gebannt auf die Spannungen zwischen den beiden wichtigsten Atomnationen. Per Twitter ließ der USPräsident wissen: „Unser Verhältnis zu Russland ist schlechter, als es jemals war, und das inkludiert auch den Kalten Krieg.”
Freilich: Derzeit handelt es sich schlimmstenfalls um einen Stellvertreterkrieg in Syrien, und noch ist unklar, ob und in welchem Ausmaß es zu einem direkten Aufeinandertreffen zwischen den USA und Russland kommen wird. Jedoch ist die Lage diesmal anders als vor einem Jahr, als Trump auf einen mutmaßlichen Einsatz von Giftgas in Syrien mit einem beschränkten Militärschlag reagiert hat. Damals ließen die Russen Trump gewähren und schalteten ihr Abwehrsystem aus. Diesmal könnte Moskau die US-Raketen abfangen, wovon sich Trump wiederum nicht beeindrucken lässt: „Russland, mach dich bereit“, verkündete er via Twitter aus dem Weißen Haus.
Tatsächlich steckt der US-Präsident in einer politischen und militärischen Zwickmühle, in die er sich selbst manövriert hat und aus der er nur schwer wieder herauskommen wird. Mit dem erneuten Einsatz von Giftgas hat Bashar al-Assad Trumps „rote Linie“überschritten, und Russland hat den syrischen Machthaber dabei unterstützt. Der US-Präsident muss nun reagieren, auch, um sich von seinem Vorgänger, Barack Obama, abzugrenzen, der 2013 den Einsatz chemischer Waffen in Syrien militärisch unbeantwortet ließ. Innenpolitisch ist der Druck auf Trump enorm, seine Republikaner fordern eine harte Vorgangsweise.
Dabei ist der Zeitpunkt der Eskalation der amerikanisch-russischen Beziehungen aus mehreren Gründen interessant. So stehen die USA nach dem Sesselrücken in Trumps Regierung derzeit ohne Außenminister da. Rex Tillerson hat seinen Bürotisch geräumt. Sein Nachfolger, CIA-Chef Mike Pompeo, muss vom Kongress noch bestätigt werden. Interimistisch agiert Tillersons ExStellvertreter John Sullivan. Und auch der militärische Hardliner John Bolton hat erst in dieser Woche seinen Job als Sicherheitsberater aufgenommen.
Trump wiederum ergeht sich zwar zum einen im Kriegsgerede gegen Russland, ist zugleich aber auch um Deeskalation bemüht, indem er nicht nur Putin, sondern auch die US-Untersuchungen rund um die Rolle Russlands im Vorfeld der Wahl von 2016 für die Verschlechterung der Beziehungen verantwortlich macht. Er drängt öffentlich darauf, dass Sonderermittler Robert Mueller seine Ermittlungen einstellt. Es gebe keinerlei Beweise, dass Trumps Team von einer russischen Einmischung im US-Wahlkampf gewusst habe. Tatsächlich hat Mueller sein Betätigungsfeld zuletzt ausgeweitet und unter anderem Hausdurchsuchungen bei Trumps Anwalt angeordnet, weil dieser einem Pornostar, der Sex mit Trump gehabt haben will, Schweigegeld bezahlt hat.
Entsprechend unklar ist denn auch, wie ernst Trump die Drohung gegen Syrien und Russland meint, wonach Raketen „kommen“werden, und zwar „neue und kluge“Sprengsätze. Konsistent war Trumps Verhalten gegenüber Russland in den
Donald Trump
vergangenen Wochen jedenfalls nicht. Zunächst gratulierte er Putin noch gegen den Rat seiner Berater zu dessen Wiederwahl als Präsident, um dann auf die möglicherweise von Russland angeordnete Vergiftung des Exspions Sergej Skripal in Großbritannien mit voller diplomatischer Härte zu reagieren.
Abschreckung auch gegenüber Kim
Abhängen wird Trumps Antwort auf den Giftgaseinsatz in Syrien auch von der internationalen Gemeinschaft. Je mehr Unterstützung die USA etwa von Großbritannien und Frankreich erwarten dürfen, umso eher kann Trump darauf hoffen, dass Putin vor einer Eskalation zurückscheut. Und bei aller Kriegsrhetorik hat der US-Präsident wohl auch stets Nordkorea im Hinterkopf. Kim Jong-uns Respekt vor Trump wird wachsen, wenn der Diktator sieht, dass Trump selbst vor einem Stellvertreterkrieg mit Russland nicht zurückschreckt, so das Kalkül.
Das Treffen zwischen Trump und Kim Jong-un soll Ende Mai oder im Juni stattfinden, und manche Beobachter mutmaßen, dass sich Trump mit seiner Attacke gegen Russland in eine entsprechend starke Verhandlungsposition bringen will. Und so hat der Umfang der militärischen Intervention Trumps in Syrien das Potenzial, nicht nur die Beziehungen zu Russland, sondern auch zu anderen weltpolitischen Spielern dramatisch zu beeinflussen.