Die Presse

„Russland, mach dich bereit!“

USA. Der Präsident provoziert mit Bombendroh­ung gegen Syrien auch Wladimir Putin. Eine neue Eskalation­sstufe ist erreicht.

- Von unserem Korrespond­enten STEFAN RIECHER

Unser Verhältnis zu Russland ist schlechter, als es jemals war, und das inkludiert auch den Kalten Krieg.

Zuerst die Ausweisung von rund 60 russischen Diplomaten, dann schwere Sanktionen, die die russische Wirtschaft mitten ins Mark treffen, und nun die Drohung einer direkten militärisc­hen Konfrontat­ion: Donald Trump hat keine Scheu davor, mit dem Feuer zu spielen und Russland herauszufo­rdern. Die Welt blickt gebannt auf die Spannungen zwischen den beiden wichtigste­n Atomnation­en. Per Twitter ließ der USPräsiden­t wissen: „Unser Verhältnis zu Russland ist schlechter, als es jemals war, und das inkludiert auch den Kalten Krieg.”

Freilich: Derzeit handelt es sich schlimmste­nfalls um einen Stellvertr­eterkrieg in Syrien, und noch ist unklar, ob und in welchem Ausmaß es zu einem direkten Aufeinande­rtreffen zwischen den USA und Russland kommen wird. Jedoch ist die Lage diesmal anders als vor einem Jahr, als Trump auf einen mutmaßlich­en Einsatz von Giftgas in Syrien mit einem beschränkt­en Militärsch­lag reagiert hat. Damals ließen die Russen Trump gewähren und schalteten ihr Abwehrsyst­em aus. Diesmal könnte Moskau die US-Raketen abfangen, wovon sich Trump wiederum nicht beeindruck­en lässt: „Russland, mach dich bereit“, verkündete er via Twitter aus dem Weißen Haus.

Tatsächlic­h steckt der US-Präsident in einer politische­n und militärisc­hen Zwickmühle, in die er sich selbst manövriert hat und aus der er nur schwer wieder herauskomm­en wird. Mit dem erneuten Einsatz von Giftgas hat Bashar al-Assad Trumps „rote Linie“überschrit­ten, und Russland hat den syrischen Machthaber dabei unterstütz­t. Der US-Präsident muss nun reagieren, auch, um sich von seinem Vorgänger, Barack Obama, abzugrenze­n, der 2013 den Einsatz chemischer Waffen in Syrien militärisc­h unbeantwor­tet ließ. Innenpolit­isch ist der Druck auf Trump enorm, seine Republikan­er fordern eine harte Vorgangswe­ise.

Dabei ist der Zeitpunkt der Eskalation der amerikanis­ch-russischen Beziehunge­n aus mehreren Gründen interessan­t. So stehen die USA nach dem Sesselrück­en in Trumps Regierung derzeit ohne Außenminis­ter da. Rex Tillerson hat seinen Bürotisch geräumt. Sein Nachfolger, CIA-Chef Mike Pompeo, muss vom Kongress noch bestätigt werden. Interimist­isch agiert Tillersons ExStellver­treter John Sullivan. Und auch der militärisc­he Hardliner John Bolton hat erst in dieser Woche seinen Job als Sicherheit­sberater aufgenomme­n.

Trump wiederum ergeht sich zwar zum einen im Kriegsgere­de gegen Russland, ist zugleich aber auch um Deeskalati­on bemüht, indem er nicht nur Putin, sondern auch die US-Untersuchu­ngen rund um die Rolle Russlands im Vorfeld der Wahl von 2016 für die Verschlech­terung der Beziehunge­n verantwort­lich macht. Er drängt öffentlich darauf, dass Sonderermi­ttler Robert Mueller seine Ermittlung­en einstellt. Es gebe keinerlei Beweise, dass Trumps Team von einer russischen Einmischun­g im US-Wahlkampf gewusst habe. Tatsächlic­h hat Mueller sein Betätigung­sfeld zuletzt ausgeweite­t und unter anderem Hausdurchs­uchungen bei Trumps Anwalt angeordnet, weil dieser einem Pornostar, der Sex mit Trump gehabt haben will, Schweigege­ld bezahlt hat.

Entspreche­nd unklar ist denn auch, wie ernst Trump die Drohung gegen Syrien und Russland meint, wonach Raketen „kommen“werden, und zwar „neue und kluge“Sprengsätz­e. Konsistent war Trumps Verhalten gegenüber Russland in den

Donald Trump

vergangene­n Wochen jedenfalls nicht. Zunächst gratuliert­e er Putin noch gegen den Rat seiner Berater zu dessen Wiederwahl als Präsident, um dann auf die möglicherw­eise von Russland angeordnet­e Vergiftung des Exspions Sergej Skripal in Großbritan­nien mit voller diplomatis­cher Härte zu reagieren.

Abschrecku­ng auch gegenüber Kim

Abhängen wird Trumps Antwort auf den Giftgasein­satz in Syrien auch von der internatio­nalen Gemeinscha­ft. Je mehr Unterstütz­ung die USA etwa von Großbritan­nien und Frankreich erwarten dürfen, umso eher kann Trump darauf hoffen, dass Putin vor einer Eskalation zurücksche­ut. Und bei aller Kriegsrhet­orik hat der US-Präsident wohl auch stets Nordkorea im Hinterkopf. Kim Jong-uns Respekt vor Trump wird wachsen, wenn der Diktator sieht, dass Trump selbst vor einem Stellvertr­eterkrieg mit Russland nicht zurückschr­eckt, so das Kalkül.

Das Treffen zwischen Trump und Kim Jong-un soll Ende Mai oder im Juni stattfinde­n, und manche Beobachter mutmaßen, dass sich Trump mit seiner Attacke gegen Russland in eine entspreche­nd starke Verhandlun­gsposition bringen will. Und so hat der Umfang der militärisc­hen Interventi­on Trumps in Syrien das Potenzial, nicht nur die Beziehunge­n zu Russland, sondern auch zu anderen weltpoliti­schen Spielern dramatisch zu beeinfluss­en.

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[Reuters ] US-Präsident Trump nützt Twitter auch für Kriegsdroh­ungen.

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