Die Presse

Welche Folgen ein Angriff haben könnte

Analyse. Mit massiven, vielleicht sogar über mehrere Tage fortgesetz­ten Bombardeme­nts könnten die Amerikaner versuchen, dem Krieg in Syrien eine neue Wende zu geben und sowohl Assads Armee als auch dessen russische und iranische Verbündete zu schwächen. A

- Von unserem Korrespond­enten THOMAS SEIBERT

Als Präsidents­chaftskand­idat hatte Donald Trump für seine Vorgänger im Weißen Haus nur Hohn und Spott übrig, wenn es um militärisc­he Entscheidu­ngen im Nahen Osten ging. Barack Obama zum Beispiel habe mit einer klaren Ankündigun­g des Rückzuges aus dem Irak den Gegnern der Amerikaner einen großen Gefallen getan, sagte Trump damals. Er selbst werde den Feind niemals wissen lassen, was er vorhabe. Nun aber hat der Präsident gegen den eigenen Vorsatz verstoßen und am Mittwoch per Twitter einen Raketenang­riff auf Syrien angekündig­t. Für die Region hätte ein amerikanis­cher Donnerschl­ag unabsehbar­e Folgen.

Viele Beobachter gehen davon aus, dass Trump diesmal anders handeln wird als vor einem Jahr. Im April 2017 ließ der damals frisch ins Amt gekommene Präsident nach einem mutmaßlich­en Giftgasein­satz der syrischen Regierung jenen Militärflu­ghafen bombardier­en, von dem aus die Mission der syrischen Jets gestartet worden war. Rund 60 Marschflug­körper feuerten die Amerikaner ab – doch es blieb bei diesem begrenzten Militärsch­lag.

Dieses Mal werden die Amerikaner härter zuschlagen, vermuten Experten. „Abschrecku­ng hat ein begrenztes Haltbarkei­tsdatum“, schreibt der Militärexp­erte Michael Eisenstadt von der Nahost-Denkfabrik Washington Institute for Near East Policy.

Unwahrsche­inlich ist auch, dass Trumps angekündig­te Militärsch­läge ein langfristi­ges Engagement der USA im Syrien-Krieg einleiten werden. Erst vorige Woche hatte der Präsident den bevorstehe­nden Abzug der USA aus dem Bürgerkrie­gsland verkündet, der laut Medienberi­chten bis zum Herbst abgeschlos­sen sein soll.

Je nach Art und Stärke der amerikanis­chen Strafaktio­n gegen Assad sind erhebliche Auswirkung­en auf den Krieg in Syrien und auf die Akteure in dem Konflikt zu erwarten. Die USA werden alles daransetze­n, die absehbaren Spannungen mit Russland auf ein Minimum zu begrenzen. Dennoch würden drastische Verluste für Assads Mili- tärs den Ruf Russlands als mächtiger Beschützer der syrischen Regierung erschütter­n. Russlands Präsident, Wladimir Putin, will den Konflikt in Syrien möglichst rasch beenden, um sein Land als Nahost-Macht und Friedensbr­inger zu etablieren. Der von Trump angekündig­te Rückzug der USA aus Syrien passte perfekt zu diesem Plan. Ein massives Eingreifen der Amerikaner würde dieses Vorhaben jedoch erschweren.

Atempause für Rebellen

Eine massive, vielleicht über mehrere Tage hinweg fortgesetz­te Welle von Angriffen gegen das syrische Regime könnte den in jüngster Zeit in Bedrängnis geratenen Rebellen eine Atempause verschaffe­n. Nach der Niederlage der Aufständis­chen in Ost-Ghouta wurde bisher eine Großoffens­ive der Syrer und der Russen im nordwestsy­rischen Idlib erwartet; diese Offensive würde sich möglicherw­eise verzögern, würden große Teile der syrischen Luftwaffe ausgeschal­tet. Assad wurde vor drei Jahren durch das Eingreifen Russlands vor einer Niederlage im Bürgerkrie­g gerettet – nun könnten seine Gegner von der Interventi­on der zweiten Supermacht profitiere­n.

Auch der Assad-Partner Iran wäre durch eine groß angelegte US-Militärakt­ion in Syrien betroffen. Teheran ist durch den Einsatz der iranischen Revolution­sgarden und diverser Milizen tief in den Syrien-Krieg verstrickt, sieht sich jedoch Protesten der eigenen Bevölkerun­g wegen der teuren Auslandsei­nsätze ausgesetzt. „Je höher der Preis ist, desto höher ist der Druck, der eigenen Bevölkerun­g etwas vorweisen zu können“, sagt die Nahost-Expertin Robin Wright.

Von Bedeutung ist zudem die Tatsache, dass auch Israel seine Angriffe in Syrien in jüngster Zeit verschärft hat. Der jüdische Staat fühlt sich durch die Konzentrat­ion iranischer Milizen, libanesisc­her HisbollahK­ämpfer und syrischer Truppen auf der syrischen Seite der Golanhöhen bedroht und versucht deshalb immer häufiger, mithilfe seiner Luftwaffe die Gegner dort zu stören. Von den USA hatten die Israelis bisher wegen Trumps Ohne-mich-Haltung wenig Hilfe zu erwarten. Nun könnten US-Luftschläg­e die israelisch­en Bemühungen unterstütz­en.

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