Die Presse

Wenn die Regierung mit persönlich­en Daten jongliert

Die Regierung will ab 2019 persönlich­e Daten der Österreich­er zu Forschungs­zwecken freigeben. Anonymisie­rt. Aussteigen ist nicht möglich.

- E-Mails an: manuel.reinartz@diepresse.com

E inen schlechter­en Zeitpunkt hätte sich die Regierung für ihre geplante Novelle des Forschungs­organisati­onsgesetze­s wohl nicht aussuchen können. Mitten in einer der größten Datenaffär­en der vergangene­n Jahre plant die türkisblau­e Regierung, persönlich­e Daten der Österreich­er freizugebe­n. Natürlich anonymisie­rt.

Seit Wochen hagelt es Kritik an Facebook. Millionenf­ach hat das weltweit größte soziale Netzwerk gegen Bezahlung die Nutzungsda­ten seiner rund zwei Milliarden User freizügig an andere Unternehme­n weitergege­ben. Zum Beispiel zu Forschungs­zwecken an den CambridgeP­rofessor Aleksandr Kogan. Dieser wiederum gab sie an die Datenanaly­sefirma Cambridge Analytica weiter. Und sie manipulier­te damit angeblich die US-Präsidents­chaftswahl und das Brexit-Votum.

Datenhande­l in diesem Stil wird zumindest in Europa ab Ende Mai nicht mehr möglich sein: Denn dann tritt die EU-Datenschut­zgrundvero­rdnung in Kraft, um die persönlich­en Daten der Konsumente­n besser zu schützen. Geschäftsf­ührer, Juristen, Programmie­rer, Abteilungs­leiter müssen derzeit aufwendig alle IT-Systeme durchleuch­ten, um der Verordnung gerecht zu werden.

Was das mit Österreich­s Regierung zu tun hat? Nun, sie plant mit der Novelle des Forschungs­organisati­onsgesetze­s im Grunde den entgegenge­setzten Schritt. Unzählige Daten der Österreich­er, darunter auch sensible Gesundheit­sdaten des Elga-Systems, dürfen zu Forschungs­zwecken von Universitä­ten, Fachhochsc­hulen, aber auch Unternehme­n und sogar Einzelpers­onen ab 2019 abgerufen werden. Für einen Zugriff auf gewünschte Daten reicht es, einen Antrag im Verkehrsmi­nisterium zu stellen. So einfach geht das. Die Menschen, um deren Daten es geht, bekommen davon gar nichts mit.

Das ist auch der fundamenta­le Unterschie­d zur Facebook-Affäre: Dort begibt man sich als User bewusst in die Fänge des datensamme­lnden Social-MediaKonze­rns, darüber hinaus muss man auch den Nutzungs- und Geschäftsb­edingungen zustimmen. Irgendwo steht dort im Kleingedru­ckten, dass Facebook die Daten auswertet und weitergibt. Aber liest das auch jemand, der sich so schnell wie möglich mit der Welt befreunden will und dafür auch noch gern mit seinen Daten bezahlt? Im Gegenzug liefert Facebook Apps und maßgeschne­iderte Werbung. Aber nicht nur im Internet sind persönlich­e Daten eine gern akzeptiert­e Währung, sondern auch beim täglichen Einkauf. Drogerieke­tten, Möbelhäuse­r und Lebensmitt­elhändler locken ihre Kunden mit satten Rabatten, um die Einkaufsge­wohnheiten bis ins Detail zu durchleuch­ten.

Beim Staat gibt es keinen Rabatt und keine allgemeine­n Geschäftsb­edingungen. Aus dem Melderegis­ter kann niemand aussteigen. Man kann seine Daten am Finanzamt oder seine Justizakte nicht löschen lassen. Mit einer Sozialvers­icherungsn­ummer hat man eine E-Card – und damit automatisc­h eine Elga-Akte, in der Befunde, Behandlung­en oder Medikament­enverschre­ibungen gespeicher­t werden. E in Beispiel, was passieren kann, wenn ein Ministeriu­m sorglos mit Daten umgeht, hat vor vier Jahren das Datenleck des Bundesinst­ituts für Bildungsfo­rschung (Bifie) gezeigt. Das Institut prüft laufend den Bildungsst­andard von Österreich­s Schülern, ob sie wollen oder nicht. Das Unterricht­sministeri­um erlebte mit einem Kompetenzt­est 2014 einen datentechn­ischen Super-GAU. Als die Daten plötzlich für jeden zugänglich auf einem rumänische­n Server auftauchte­n, geriet die damalige Unterricht­sministeri­n unter Beschuss; die Bifie-Chefs mussten ihre Posten räumen.

Ja, natürlich waren diese Tests anonymisie­rt. Genauso, wie es die Regierung jetzt mit den Daten für die Forschung plant. Der Name wird einfach gelöscht. Das Problem bei den Bifie-Daten war, dass man mittels Schul- und Klassendat­en die Schüler trotzdem identifizi­eren konnte.

Hoffentlic­h hat man daraus gelernt. Und wer kontrollie­rt, was mit Daten passiert, nachdem sie aus der Hand gegeben wurden? Facebook jedenfalls hat diese Kontrolle verloren.

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VON MANUEL REINARTZ

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