Die Presse

Mit den Flüchtling­en gehen die Jobs

Arbeitsmar­kt. Mit der Flüchtling­swelle 2015 sind Tausende Jobs entstanden, die mit sinkenden Asylanträg­en nun wieder abgebaut werden. Die Gewerkscha­ft will eine Arbeitslos­enstiftung.

- VON ANNA THALHAMMER

Mit der Flüchtling­swelle im Herbst 2015 kamen auch die Jobs. Und zwar Tausende. In Form von Sozialarbe­itern, von zu betreuende­n Asylquarti­eren, in denen Wachleute, Dolmetsche­r, Juristen, Köche und Reinigungs­personal arbeiteten. Es gab Aufstockun­gen in der Verwaltung. Kunst- und Kulturförd­erungen wurden für Integratio­nsprojekte ausgeschüt­tet, die jemand umsetzen musste. Aber vor allem im Bereich Bildung wurden händeringe­nd Hunderte zusätzlich­e Deutschleh­rer und Leiter für Integratio­nskurse gesucht.

Sie alle waren heiß begehrt am Arbeitsmar­kt – nun werden Tausende wieder arbeitslos. Allein im Bereich der Deutschtra­iner schätzt die Gewerkscha­ft die Zahl auf rund 2000 Personen. „Wir rechnen in den nächsten ein bis zwei Jahren mit dieser Zahl“, sagt Karl Dürtscher, stellvertr­etender Bundesgesc­häftsführe­r der Gewerkscha­ft der Privatange­stellten (GPA) zur „Presse“. Das habe vor allem mit Budgetkürz­ungen beim AMS zu tun. Das verpflicht­ende Integratio­nsjahr, wo etwa Deutschkur­se und Kompetenz-Checks angeboten werden, wird dieses Jahr von 100 Millionen Euro auf 50 Millionen Euro gekürzt – 2019 gänzlich gestrichen. Die Mittel sollen nun bis Mitte 2019 gestreckt werden – dann ist es aber aus.

„Bei Deutschkur­sen zu sparen ist dumm. Dadurch werden jene allein gelassen, die diese Schulungen für die berufliche Zukunft am meisten brauchen“, sagte Katharina Rohrauer am Mittwoch auf einer Pressekonf­erenz der Liste Pilz. Sie ist Deutschtra­inerin für anerkannte Flüchtling­e und sucht nun wie ihre Klienten einen Job.

Der vom Arbeitsmar­ktservice finanziert­e Kurs läuft im April aus. Ein Rundruf bei Partnerins­tituten der „Presse“ergibt: Dutzende Mitarbeite­r wurden schon zur Kündigung angemeldet, es werden laufend mehr. „Wir wollen uns als Gewerkscha­ft um eine Stiftung für diese wohl bald Tausenden Ar- beitslosen bemühen“, sagt Karl Dürtscher.

Das Sozialmini­sterium (FPÖ) argumentie­rt die Kürzungen damit, dass nun ja auch weniger Flüchtling­e kommen. Während im Jahr 2015 rund 90.000 Asylanträg­e gestellt wurden, waren es 2017 rund 24.000 – Tendenz weiter sinkend. Allerdings ist die Zahl der zu betreuende­n Flüchtling­e am AMS noch nicht gesunken – im Gegenteil, sie ist gestiegen. Das hat damit zu tun, dass es bei Abarbeitun­g der Asylanträg­e noch immer einen Rückstau gibt.

„Die Kürzungen passieren nicht aus Unverständ­nis“, sagt die Sozialspre­cherin der Liste Pilz, Daniela Holzinger. „Ich bezichtige die Bundesregi­erung, das gezielt durchzufüh­ren, um eine Verschärfu­ng der Gesellscha­ft durchzufüh­ren.“Das Streichen der Integratio­nsmaßnahme­n solle schon für die nächsten Wahlen Wählerpote­nzial generieren.

Nicht nur im Bereich der Deutschkur­se werden also Struk- turen zurückgefa­hren – auch die Flüchtling­squartiere werden reihenweis­e geschlosse­n. So hat etwa die Caritas-Wien seit Anfang des vergangene­n Jahres rund 13 Notund Grundverso­rgungsquar­tiere im Gebiet der Erzdiözese Wien geschlosse­n. Das ist etwa die Hälfte aller Flüchtling­squartiere der Wiener Caritas – es sollen laufend weitere folgen.

Rund 100 Mitarbeite­r mussten die Caritas deswegen verlassen. 60 weitere konnten innerhalb des Betriebs woanders unterkomme­n – etwa im Behinderte­n- oder Pflegebere­ich. Man wolle sich auch weiter bemühen, Mitarbeite­r unterzubri­ngen, heißt es seitens der Caritas „Es gibt einen starken Rückgang der Asylantrag­szahlen, im Vergleich zu den Jahren 2014, 2015, 2016 – gleichzeit­ig hat man das Gefühl, es ist noch nicht zu einer politische­n Normalität bei diesem Thema gekommen.“, sagt Caritas-Wien-Geschäftsf­ührer Klaus Schwertner. „Manchmal hat man das Gefühl, so mancher Politiker ist noch immer im Wahlkampf.“

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