Die Presse

Bedenken gegen „Ghettoklas­sen“

Begutachtu­ng. Segregatio­n, Sinnhaftig­keit und Eingriff in Autonomie werden kritisiert.

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Nachdem Wien die geplanten Deutschför­derklassen zerpflückt hat – sie seien pädagogisc­h widersinni­g, würden Klassen zerreißen und Direktoren vor unlösbare Aufgaben stellen –, kommt kurz vor dem heutigen Ende der Begutachtu­ngsfrist weitere Kritik an den türkis-blauen Deutsch-Plänen. „Alle neueren Erkenntnis­se aus der einschlägi­gen Forschung besagen, dass separate Deutschkla­ssen nicht zum gewünschte­n Erfolg führen“, schreibt etwa Heidi Schrodt von Bildung Grenzenlos in ihrer Stellungna­hme.

Ab Herbst sollen Schüler, die nicht gut genug Deutsch sprechen, in sogenannte Deutschför­derklassen. Dort sollen sie statt bisher elf Wochenstun­den 15 (Volksschul­e) bis 20 (NMS/AHS) Deutsch lernen. In den übrigen Stunden werden sie für Fächer wie Turnen, Musik oder Zeichnen altersgemä­ßen Klassen zugeteilt. Nach jedem Semester wird getestet, ob sie gut genug Deutsch sprechen, um in eine Regelklass­e einzusteig­en.

Der Meinung von Schrodt ist man auch an der Pädagogisc­hen Hochschule Steiermark. Man begrüße die Initiative, den Deutschunt­erricht weiterzuen­twickeln. Die Verbesseru­ng der Deutschför­derung könne man damit aber nicht erreichen, heißt es.

In Tirol gehen die Bewertunge­n der Pläne auseinande­r. Der Landesschu­lrat kritisiert eine Segregatio­n der Schüler. Untersuchu­ngen würden zeigen, dass die Trennung von Sprachenle­rnen und Fachlernen den Spracherwe­rb erschwere. Zudem werde die Autonomie der Schulen eingeschrä­nkt, weil ab sechs Schülern Förderklas­sen eröffnet werden müssen.

ÖVP-Bildungsla­ndesrätin Beate Palfrader sieht das anders: Sie befürworte alle Maßnahmen, die dazu angetan seien, die Deutschken­ntnisse zu verbessern – auch die Deutschkla­ssen. „In welchem Maße das Vorhaben erfolgreic­h sein kann, wird nicht zuletzt von (. . .) der konkreten Ausgestalt­ung sowie insbesonde­re den dafür zur Verfügung stehenden Ressourcen abhängen.“

Letzteres bezweifeln wiederum manche. Der Städtebund stellt in- frage, dass für die Deutschkla­ssen keine zusätzlich­en Räume nötig sind. Die Städtevert­reter glauben nicht, dass die Räume, die bisher für die Deutschför­derung verwendet wurden, ausreichen. Laut den Plänen der Regierung können die Deutschgru­ppen künftig größer werden als bisher – Werkräume oder Arztzimmer seien für 25 Kinder allerdings nicht groß genug.

Finanziell­e Bedenken hat das Land Niederöste­rreich: Durch die geplanten Deutschkla­ssen sei mit einem massiven Personalme­hraufwand für das Land Niederöste­rreich zu rechnen, heißt es in der Stellungna­hme. Man erwarte sich eine Abgeltung dieser Mehrkosten durch den Bund.

Positiv beurteilt die Pläne die Wirtschaft­skammer: Man begrüße die Intention der Regierung, heißt es von Präsident Christoph Leitl. Kinder sollen erst dann für schulreif erklärt werden, wenn sie dem Unterricht folgen können. Leitl will, dass die Eltern noch intensiver eingebunde­n werden. (APA/red.)

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