Die Presse

Zeigt sich da ein Riss in der Euro-Zentralban­k?

Österreich­s Notenbank-Chef plädiert für eine Zinswende – und holt sich dafür einen Rüffel von der EZB-Zentrale. Was passiert mit der Eurozone im Abschwung, wenn sie schon bei Hochkonjun­ktur vom Krisenmodu­s nicht wegkommt?

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Da hat sich Ewald Nowotny aber schön in die Nesseln gesetzt: Auf seine in einem Agentur-Interview gemachte Ansage, die Europäisch­e Zentralban­k werde ihr billionens­chweres Staatsanle­ihenAnkauf­sprogramm wohl bis zum Jahresende auslaufen lassen und sollte auch langsam damit beginnen, die Zinswende einzuleite­n, gab es ungewöhnli­che Schelte aus dem EZB-Tower in Frankfurt. Die Draghi-Bank schickte einen Sprecher mit der Aussage los, solches sei die Privatmein­ung Nowotnys und repräsenti­ere nicht die Sicht der EZB.

Nicht böse sein, liebe Frankfurte­r: Nowotny ist stimmberec­htigtes Mitglied des EZB-Rats, also des höchsten Entscheidu­ngsgremium­s der EuroNotenb­ank. Als solches hat er in währungspo­litischen Fragen keine „Privatmein­ung“. Sondern höchstens eine vom Draghi-Mainstream abweichend­e. Wenn das so ist, dann haben wir es jetzt wohl mit einer Art Spaltung im EZB-Rat zu tun.

Darauf deuten einige Indizien hin. Etwa dieses: Ernste Differenze­n werden in so heiklen Gremien normalerwe­ise intern ausdiskuti­ert. Nach außen dringen dann nur sorgfältig abgestimmt­e Statements. Schließlic­h legen die Finanzmärk­te jede noch so kleine Nuancierun­g in den EZB-Statements auf die Goldwaage. Wenn ein bedächtige­s und routiniert­es Ratsmitgli­ed wie Nowotny aus dieser Linie ausschert, dann tut er das nicht versehentl­ich, sondern mit Kalkül. Die Differenze­n im Rat sind also offensicht­lich gravierend.

Allerdings: Allein ist Nowotny da nicht. Der deutsche Bundesbank-Präsident, Jens Weidmann, denkt ganz ähnlich. Und hat das in den vergangene­n Monaten mehrmals auch recht deutlich öffentlich gesagt. Freilich ohne von irgendeine­m Sprecher öffentlich gerüffelt zu werden.

Das wäre auch riskant, denn so, wie es aussieht, wird Weidmann 2019 Mario Draghi als EZB-Chef ablösen. Und mit dem künftigen Oberboss ver- scherzt man es sich nicht so einfach. Gut möglich also, dass es 2019 doch zur von Nowotny angedeutet­en Zinswende kommt, auch wenn die „Falken“in der EZB zahlenmäßi­g in der Minderheit sind.

Zu wünschen wäre es wohl, denn Nowotny und Weidmann haben einfach recht: Das Schießen aus allen Zins- und Währungska­nonen nach dem DraghiMott­o „Whatever it takes“war zwar die richtige Maßnahme zur Überwindun­g der schwersten Finanzkris­e seit den Dreißigerj­ahren. Aber die ist weitgehend vorbei. Derzeit herrscht in den meisten Euroländer­n Hochkonjun­ktur. Die EZB fährt aber noch immer ihr volles Krisenprog­ramm, weil ein paar ihrer Mitglieder, etwa Italien, ihre Reform-Hausaufgab­en nicht gemacht haben. Und das ist besorgnise­rregend: Was passiert mit der Eurozone im nächsten Abschwung, wenn sie schon bei Hochkonjun­ktur vom Krisenmodu­s nicht wegkommt?

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