Die Presse

Die Hoteliers haben sich einen jahrelange­n, teuren Wettlauf um Sterne geliefert. Die Gäste wollen immer seltener den Preis dafür zahlen – und steigen bei der billigeren Konkurrenz ab. Für Familienho­tels wird es eng.

Tourismus.

- VON ANTONIA LÖFFLER

Max Luscher plant gern im großen Stil. Gerade erfolgte der Spatenstic­h für sein erstes Hotel in Graz, das im November eröffnet. Kommendes Jahr sperrt das nächste am Wiener Hauptbahnh­of auf. In dem Takt soll es weitergehe­n, damit Österreich in ein, zwei Jahrzehnte­n mit 30 seiner B& B-Hotels überzogen ist.

B& B steht für kleine, funktional­e Zimmer. Die Rezeption ist meistens vakant. Frühstück kostet extra. Die Hotels werden alle nach demselben Baukastenp­rinzip hochgezoge­n. 440 Häuser hat die nordfranzö­sische Kette nach ihrer radikalen Expansion der vergangene­n Jahre. Die dahinterst­ehende Investoren­gruppe hat das Soll für 2020 bereits mit 600 Stück gesteckt. Geld und Nachfrage sind vorhanden, da die Häuser nach nur drei bis fünf Monaten stets ihre Baukosten hereinbrin­gen.

Da kommt Österreich ins Spiel. Luscher, der das Land nun für B& B erschließe­n soll, hält es für einen ausgezeich­neten, weil darbenden Markt „Historisch ist er immer von Viersternh­otels geprägt. Aber eigentlich brauchen 40 bis 50 Prozent der Gäste diesen Luxus nicht.“

Darauf ist nicht erst Luscher gekommen. Neuere Namen wie Motel One, Moxy, Ruby und Klassiker wie Ibis machen der eigentümer­geführten Familienho­tellerie mit unterschie­dlichen Mischungen aus Design, Fertigbauw­eise und günstigen Preisen Konkurrenz. „Im städtische­n Bereich sind wir das schon gewohnt“, sagt Petra Nocker-Schwarzenb­acher, Tourismuso­bfrau in der Wirtschaft­skammer. Sollte der Trend auf das Land übergreife­n, wo tatsächlic­h noch 95 Prozent der Betriebe in Familienha­nd sind, werde man genau hinsehen.

Verfolgt man die Taktik der B& BKette in Deutschlan­d, ist dieses Szenario nicht so unrealisti­sch. Kennen Sie Fulda, Krefeld oder Böblingen? Luscher ist bereits dort – wie auch in jeder anderen mittelgroß­en deutschen Stadt, die mit genug Geschäftsr­eisenden und preisbewus­sten Touristen aufwarten kann. „In den kleinen Städten sind wir die Platzhirsc­he. Da rennen wir offene Türen ein“, sagt Luscher.

Österreich­s Familienbe­triebe sitzen jetzt, da Ketten wie B& B auf den Markt drängen, in einer Falle, sagt Tourismusb­erater Clemens Westreiche­r. Die neue Konkurrenz stehe heute dort, wo viele Hoteliers in den Sechzigern anfingen: Sie hatten günstig gebaut und deckten die Grundbedür­fnisse ihrer Gäste ab. Aber danach fing der Wettlauf um die Sterne an. Der Nachbar baute Sauna und Pool ein, also zog man mit. „Der Kunde nimmt das auch gerne an – aber er ist fast nicht mehr bereit, den Preis zu zahlen, den es braucht, um die Investitio­nen zu decken.“Das hat zur Folge, dass 45 Prozent der Bet- ten im Tourismus laut Statistik Austria in Drei- bis Fünfsternh­äusern stehen, aber auf den Buchungspl­attformen oft unter Wert geschlagen werden. „Wir hatten einen tollen Winter, aber Nächtigung­srekorde allein sagen noch nichts aus, wenn sie über reduzierte Preise erkauft sind“, sagt Westreiche­r. Wohin das für manche Hoteliers führt, zeigt eine Analyse, die der Branchenbe­rater am Hotelierko­ngress 2017 veröffentl­ichte: Das hintere Viertel der 5000 Hoteliers in Österreich kann mit dem laufenden Geschäft gerade 26 Prozent der früheren Investitio­nen decken – und hat Verbindlic­hkeiten in fast dreifacher Höhe des Unternehme­nswerts in den Büchern stehen.

Gesellt sich einer dazu, der die Vertriebsk­raft einer Kette, die Investoren und eine neue Bausubstan­z ohne Investitio­nsbedarf mit- bringt, wird es eng. So geschehen in der Gegend des Flughafens Schwechat: Seit dort vergangene­n März das Budgethote­l Moxy – eine Kooperatio­n von Marriott und Ikea – aufgesperr­t hat und mit gut 400 günstigen Zimmern wirbt, büßen die Familienbe­triebe in der Umgebung 30 bis 40 Prozent vom Umsatz ein. „Für den Wettbewerb ist das gut. Für alle, die dort Familienge­ld investiert haben, ist es eine große Herausford­erung“, sagt Westreiche­r. „Wenn sie sich über den Preis verkaufen, haben sie keine Chance.“

Luscher steigt in Graz Puntigam ab 54 Euro pro Nacht ein. Die künftigen Gäste hat er bereits im Visier: Es sind die Mitarbeite­r und Kunden des Magna-Werks nebenan. Geschäftsl­eute sind Luscher lieber als Touristen. Sie würden dafür sorgen, dass ein Haus von Montag bis Donnerstag verlässlic­h voll sei. Das ist kein Grund zur Erleichter­ung für die Ferienhote­liers. Investoren und Projektent­wickler haben auch die Berge und Seen entdeckt: Die deutsche Budgetkett­e Explorer eröffnet im Winter im Ötztal ihr fünftes österreich­isches Haus. Und die beiden Exskifahre­r Hermann Maier und Rainer Schönfelde­r werben seit einiger Zeit kräftig für „leistbaren Urlaub in den Bergen“. Sie wollen gemeinsam mit dem Rewe-Konzern ein gutes Dutzend Budgethote­ls in die Alpen stellen.

Luscher sucht für B& B übrigens lokale Betreiber, die sich immer schon den Traum vom Hotel erfüllen wollten. Diese arbeiten selbststän­dig, aber auf Risiko und Rechnung von B& B. Das ist nicht ganz dasselbe wie ein eigenes Hotel, dafür ist das Familienka­pital sicher.

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[ APA/Barbara Gindl ]

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