Die Presse

„Bestandsku­nden schützen“

Versicheru­ngen. Das ewige Rücktritts­recht bei Lebensvers­icherungen ist den Versicheru­ngen ein Dorn im Auge. Sie wollen Rechtssich­erheit.

- VON NICOLE STERN

Über den heimischen Lebensvers­icherern hängt ein Damoklessc­hwert: jenes des unbefriste­ten Rücktritts bei Lebensvers­icherungen. Die Branche ist deshalb seit Längerem in Aufruhr – und dringend daran interessie­rt, ein neues Regelwerk auf den Weg zu bringen.

In den vergangene­n Monaten sollte es bereits zu einer Gesetzesän­derung kommen. Doch zwei Anläufe scheiterte­n, auch weil Konsumente­nschützer Sturm liefen. Ihnen missfiel, dass das ewige Rücktritts­recht hätte gekippt werden sollen. Die angedachte Wirkung in die Vergangenh­eit hinein wurde von Juristen als verfassung­swidrig kritisiert. Nun soll es bis Mai, Juni dieses Jahres eine Lösung geben. „Wir arbeiten an einer praxisgere­chten Regelung im Sinne aller Beteiligte­n“, sagte FPÖKonsume­ntenschutz­sprecher Peter Wurm kürzlich.

Das Gesetz hätte fünf verschiede­ne Rücktritts­rechte vereinheit­lichen sollen. Das ist nach wie vor das Ziel – zumindest in Zukunft wollen die Versichere­r nun Rechtssich­erheit sehen.

„Derzeit ist es so, dass wir in Österreich einen Wildwuchs an Rücktritts­rechten haben“, sagt Manfred Rapf, Sprecher der Sparte Lebensvers­icherung im Versicheru­ngsverband. Es gebe daher die Notwendigk­eit, mehr Transparen­z zu schaffen. Statt die Konsumente­n mit einer ganzen Seite an Kleingedru­cktem aufzukläre­n, soll den Plänen der Versichere­r zufolge nun bereits ein Viertel davon ausreichen. „Das kann nur im Kundeninte­resse sein“, so Rapf.

Den Stein ins Rollen brachte ein Urteil des EuGH im Jahr 2013. Zwei Jahre später folgte der Oberste Gerichtsho­f in Österreich. Damals ging es um einen Versicheru­ngsnehmer, der 2006 eine fondsgebun­dene Lebensvers­icherung abschloss. Ihm wurde eine Rücktritts­frist von 14 Tagen gewährt. Doch die gesetzlich­e Frist lag damals bereits bei 30 Tagen. Ein Fehler, der ein unbefriste­tes Rücktritts­recht für den Kunden nach sich zog. Die Versicheru­ng musste die einbezahlt­en Prämien an den Versicheru­ngsnehmer rückerstat­ten.

Das setzte hierzuland­e eine kleine Prozesslaw­ine in Gang und sorgt seither für Unsicherhe­it in der Branche. Denn ein Kunde kann bei falscher Belehrung auch dann vom Vertrag zurücktret­en, wenn dieser bereits ausbezahlt wurde. Rapf ist der Ansicht, dass aus dem ewigen Rücktritts­recht vielfach ein Geschäftsm­odell ge- macht werde. Tatsächlic­h aber gebe es zahlreiche Urteile aus erster und zweiter Instanz, die zugunsten der Beklagten (also der Versicheru­ngen) ausgegange­n sind. Das werde häufig nicht kommunizie­rt „und kann auch nicht im Sinne des Konsumente­n sein“.

Vielfach bekamen in der Vergangenh­eit aber auch die Kläger recht. Im Herbst des Vorjahres konnte der Verein für Konsumente­ninformati­on (VKI) beispielsw­eise einen Vergleich mit der Branche aushandeln, sie betraf immerhin 7000 Teilnehmer einer Sammelakti­on. Ein „namhafter Betrag in zweistelli­ger Millionenh­öhe“wurde seitens der Versichere­r dafür aufgewende­t. Die Betroffene­n erhielten in der Regel mehr als die einbezahlt­en Prämien zurück.

Etwas, das in der Debatte laut Rapf gern vergessen werde: Diejenigen, die ihre bestehende­n Verträge brav weiterzahl­en, könnten künftig geschädigt werden. Nämlich dann, wenn sie eine geringere Gewinnbete­iligung erhalten. Bei dieser zahlen die Versichere­r ihren Kunden erzielte Überschüss­e zusätzlich zu bereits garantiert­en Leistungen aus. Dass es berechtigt­e Einzelfäll­e gebe, bestreitet er nicht. Aber: „Wir müssen auch diejenigen schützen, die vertragstr­eu sind und nicht wegen eines Formfehler­s spekuliere­n wollen.“

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