Wenn Algorithmen die Preise hochtreiben
Wettbewerb. Unternehmen setzen zur Preisgestaltung immer häufiger Computerprogramme ein. Das eröffnet auch neue Möglichkeiten, Preise zu beobachten und abzustimmen. Aber wo ist die Grenze zwischen erlaubt und verboten?
Als nach der Air-Berlin-Pleite die Ticketpreise für Inlandsflüge in Deutschland in die Höhe schossen, war es offensichtlich – in anderen Fällen erkennt man es vielleicht nicht auf den ersten Blick: Algorithmen steuern zunehmend die Preisgestaltung von Unternehmen. Betroffen ist praktisch jeder, der online einkauft: Preise in Webshops ändern sich z. B. je nach Tageszeit, vielleicht sogar für einzelne Interessenten, je nach deren Profil und je nachdem, wie oft sie das Produkt schon angeklickt haben.
Wettbewerbshüter beäugen den Einsatz von Algorithmen – nicht ohne Grund – mit Skepsis. Das deutsche Bundeskartellamt prüft gerade die Preisentwicklung bei Flugtickets nach dem Ausfall der Air Berlin und hat dabei ganz konkret die Algorithmen im Visier. „Unternehmen können sich nicht hinter Algorithmen verstecken“, wetterte Behördenchef Andreas Mundt via Medien, nachdem die Lufthansa erklärt hatte, bei hoher Nachfrage erhöhe eben das Computerprogramm die Preise.
Freilich: Von vornherein verboten ist es nicht, Software zur Preisbeobachtung und -gestaltung zu verwenden. Das beginnt bei „Price Alerts“, die sich jeder aufs Handy schicken lassen kann. Potenzielle Kunden tun das, wenn sie Waren möglichst billig kaufen wollen – und Hersteller beobachten damit die Wiederverkäuferpreise ihrer Waren im Onlinehandel.
Das dürfen sie – solange sie nicht auf Händler Druck machen, „unverbindliche“Richtpreise ein- zuhalten. „Auch individuelles Pricing ist nicht illegal“, sagt Günter Bauer, Kartellrechtsexperte bei Wolf Theiss. Handelt es sich allerdings um ein marktbeherrschendes Unternehmen, könnte „exzessive Preisgestaltung“marktmissbräuchlich sein. Hier eine Grenze zu ziehen ist zweifellos in vielen Fällen nicht einfach.
Aber was, wenn es um die Ausrichtung an Preisen der Mitbewerber geht? „Den Preis der Konkurrenz anzupassen ist legitim“, sagt Bauer. Mit „lernfähigen“Algorithmen geht das leichter – und auch das ist per se noch nicht verboten. Lernen darf man, das verbietet kein Gesetz.
Wenn aber zwei sich treffen und ihre Algorithmen besprechen, ist das ein herkömmliches Kartell, stellt der Anwalt klar. In der Grauzone dazwischen kann die Abgren- zung aber auch hier unter Umständen schwierig sein.
„Die Presse“sprach auch mit der Bundeswettbewerbsbehörde, BWB. „Algorithmen sind von Menschen gemacht“, betont auch BWB-Chef Theodor Thanner die Verantwortung der dahinterstehenden Unternehmen. Denkbar seien etwa sogenannte Hub-and-Spoke-Kartelle: Wettbewerber verwenden die gleiche Software und können sie dazu nützen, sich zu koordinieren.
„Ein Algorithmus ist nichts anderes als ein Werkzeug. Wenn er für Kartellabsprachen verwendet wird, ist das nach dem Kartellgesetz rechtswidrig“, sagt Thanner. „Die Unternehmen müssen daher gewährleisten, dass Algorithmen nicht für Kartellabsprachen zum Einsatz kommen.“