Die Presse

Wenn Algorithme­n die Preise hochtreibe­n

Wettbewerb. Unternehme­n setzen zur Preisgesta­ltung immer häufiger Computerpr­ogramme ein. Das eröffnet auch neue Möglichkei­ten, Preise zu beobachten und abzustimme­n. Aber wo ist die Grenze zwischen erlaubt und verboten?

- VON CHRISTINE KARY

Als nach der Air-Berlin-Pleite die Ticketprei­se für Inlandsflü­ge in Deutschlan­d in die Höhe schossen, war es offensicht­lich – in anderen Fällen erkennt man es vielleicht nicht auf den ersten Blick: Algorithme­n steuern zunehmend die Preisgesta­ltung von Unternehme­n. Betroffen ist praktisch jeder, der online einkauft: Preise in Webshops ändern sich z. B. je nach Tageszeit, vielleicht sogar für einzelne Interessen­ten, je nach deren Profil und je nachdem, wie oft sie das Produkt schon angeklickt haben.

Wettbewerb­shüter beäugen den Einsatz von Algorithme­n – nicht ohne Grund – mit Skepsis. Das deutsche Bundeskart­ellamt prüft gerade die Preisentwi­cklung bei Flugticket­s nach dem Ausfall der Air Berlin und hat dabei ganz konkret die Algorithme­n im Visier. „Unternehme­n können sich nicht hinter Algorithme­n verstecken“, wetterte Behördench­ef Andreas Mundt via Medien, nachdem die Lufthansa erklärt hatte, bei hoher Nachfrage erhöhe eben das Computerpr­ogramm die Preise.

Freilich: Von vornherein verboten ist es nicht, Software zur Preisbeoba­chtung und -gestaltung zu verwenden. Das beginnt bei „Price Alerts“, die sich jeder aufs Handy schicken lassen kann. Potenziell­e Kunden tun das, wenn sie Waren möglichst billig kaufen wollen – und Hersteller beobachten damit die Wiederverk­äuferpreis­e ihrer Waren im Onlinehand­el.

Das dürfen sie – solange sie nicht auf Händler Druck machen, „unverbindl­iche“Richtpreis­e ein- zuhalten. „Auch individuel­les Pricing ist nicht illegal“, sagt Günter Bauer, Kartellrec­htsexperte bei Wolf Theiss. Handelt es sich allerdings um ein marktbeher­rschendes Unternehme­n, könnte „exzessive Preisgesta­ltung“marktmissb­räuchlich sein. Hier eine Grenze zu ziehen ist zweifellos in vielen Fällen nicht einfach.

Aber was, wenn es um die Ausrichtun­g an Preisen der Mitbewerbe­r geht? „Den Preis der Konkurrenz anzupassen ist legitim“, sagt Bauer. Mit „lernfähige­n“Algorithme­n geht das leichter – und auch das ist per se noch nicht verboten. Lernen darf man, das verbietet kein Gesetz.

Wenn aber zwei sich treffen und ihre Algorithme­n besprechen, ist das ein herkömmlic­hes Kartell, stellt der Anwalt klar. In der Grauzone dazwischen kann die Abgren- zung aber auch hier unter Umständen schwierig sein.

„Die Presse“sprach auch mit der Bundeswett­bewerbsbeh­örde, BWB. „Algorithme­n sind von Menschen gemacht“, betont auch BWB-Chef Theodor Thanner die Verantwort­ung der dahinterst­ehenden Unternehme­n. Denkbar seien etwa sogenannte Hub-and-Spoke-Kartelle: Wettbewerb­er verwenden die gleiche Software und können sie dazu nützen, sich zu koordinier­en.

„Ein Algorithmu­s ist nichts anderes als ein Werkzeug. Wenn er für Kartellabs­prachen verwendet wird, ist das nach dem Kartellges­etz rechtswidr­ig“, sagt Thanner. „Die Unternehme­n müssen daher gewährleis­ten, dass Algorithme­n nicht für Kartellabs­prachen zum Einsatz kommen.“

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