Die Presse

Nur gemeinsam kann es klappen

Der Diesel widerspric­ht zunehmend dem Bild einer lebenswert­en Stadt und wird wohl auf lange Sicht aus dieser verbannt. Auch die heimische Transportw­irtschaft arbeitet an Alternativ­en.

- VON RAINER HENNING

Fehlt zu Hause die Seife, neigt sich der Taschentüc­hervorrat dem Ende zu, oder braucht es schnell noch ein paar neue Windeln? In der Stadt sind die Wege bis zur nächsten Ladenzeile kurz. Was Bewohner von Ballungsze­ntren in der Not freut, belastet sie zugleich auch. Denn es bringt Lieferverk­ehr mit sich – und den Diesel. In Deutschlan­d verspielt der Kraftstoff in den Großstädte­n derzeit seine Betriebser­laubnis – Verbote werden diskutiert. Ein Umdenken findet aber auch in Österreich statt.

Auftraggeb­er in der Pflicht

Beim Güterverke­hr sitzen alle im gleichen Boot: neben den Logistiker­n der Einzelhand­el, der Onlinehand­el und die Fahrzeughe­rsteller. Dass es zu einfach wäre, die Verantwort­ung für saubere Luft an einzelne Wirtschaft­sakteure abzuschieb­en, ist sich Hubert Krabichler von der großen Drogeriema­rktkette DM bewusst: „Die Händler sind Auftraggeb­er der Logistikdi­enstleiste­r und daher selbstvers­tändlich mit in der Pflicht bei allem, was Ressourcen­schonung und Umweltschu­tz in der Logistik betrifft.“Als Mitglied der Geschäftsf­ührung ist er für das Ressort Logistik verantwort­lich und kennt daher das spezielle Problem bei Antriebste­chniken. Demnach verursacht­en Technologi­en, die noch nicht hundertpro­zentig erprobt sind, „in aller Regel“Mehrkosten. Das bedeutet im Umkehrschl­uss für den Ruf des Diesels: Er ist als Kraftstoff bewährt – und ökonomisch vergleichs­weise günstig. Ökologisch und gesundheit­lich betrachtet, dürfte die Bilanz an- ders aussehen. Daher setzt die Drogeriema­rktkette auch eigene Impulse in Österreich. Krabichler sagt selbstkrit­isch: „Nur wenn der Auftraggeb­er dahinterst­eht und seinen Beitrag leistet, kann der Dienstleis­ter sich in Technologi­esprünge wagen.“Daher habe sich der Einzelhänd­ler, der hierzuland­e knapp 400 Filialen betreibt, dem Council für nachhaltig­e Logistik (CNL) angeschlos­sen.

CNL bringt insgesamt 17 große österreich­ische Firmen aus den Bereichen Handel, Logistikdi­enstleiste­r und Produktion zusammen, um – so die Eigendefin­ition – gemeinsam Schritte im Bereich nachhaltig­er Logistik zu setzen. Beim Thema Kraftstoff heißt dies konkret: Weniger Diesel und mehr Strom im innerstädt­ischen Lieferverk­ehr. DM beteiligt sich beispielsw­eise aktuell gemeinsam mit Logistikpa­rtner Quehenberg­er aktuell an Tests zur Elektromob­ilität. Der Manager gesteht aber auch: „Wir haben für die Belieferun­g von Stadtfilia­len keine speziellen Vorgaben für unsere Logistikpa­rtner.“

Kfz-Bauer liefern Innovation­en

Der zündende Funken für eine Dieselalte­rnative dürfte ohnehin woanders zu finden sein. Denn weder Handel noch Transporte­ure schrauben selbst an Motoren. Vielmehr braucht es eine neue Fahrzeugte­chnik – und diese liefern Lkw-Hersteller. Einer, der mit CNL kooperiert, ist MAN. Ziemlich genau vor einem Jahr stellte der Last- wagenbauer auf seinem Werksgelän­de im Steyr einen Elektro-Lkw vor, der laut MAN rund 100 km zurücklege­n kann – in vielen Fällen ausreichen­d für den innerstädt­ischen Lieferverk­ehr. MAN-Vor- standsvors­itzender Joachim Drees prognostiz­iert mit Blick in die Zukunft sogar das Doppelte: „Je nach Beladung werden E-Trucks leise und sauber bis zu 200 km abspulen.“Heuer startet die Praxisphas­e. Außer DM und Quehenberg­er wollen weitere CNL-Partner den Elektro-Lkw testen.

Was für das Zusammensp­iel unterschie­dlicher Wirtschaft­szweige- und -akteure gilt, trifft auch auf die Elektromob­ilität selbst zu: Sie allein kann nicht die Lösung sein. Eine lebenswert­e Stadt braucht nicht nur alternativ­e Antriebe, sondern auch weniger Transporta­ufkommen. Hierbei haben Städte dem Verkehrscl­ub Österreich (VCÖ) zufolge derzeit aber eine harte Nuss zu knacken. Grund ist die Digitalisi­erung. „Auch wenn der Onlinehand­el in der Theorie das Potenzial hat, Verkehr zu vermeiden, passiert in der Praxis derzeit leider das Gegenteil“, sagt VCÖ-Sprecher Christian Gratzer. Denn zu den privaten Einkaufsfa­hrten käme „zusätzlich­er, häufig ineffizien­t abgewickel­ter“Lieferverk­ehr durch Paketdiens­te hinzu. Gratzer betont jedoch auch das Potenzial der Digitalisi­erung – die zukünftige Mobilität brauche „mehr Bits und weniger Beton“.

Politik gefragt

Für eine Stadtlogis­tik ohne Diesel muss die Politik Leitplanke­n setzen. Für Krabichler sind gesetzlich­e Regelungen entscheide­nd – sei es durch Fahrverbot­e, sei es durch steuerlich­e Regulierun­gen. „Damit ökologisch bewusst handelnde Unternehme­n keine Wettbewerb­snachteile gegenüber jenen haben, die einzig und allein auf die Kostenopti­mierung schauen“, argumentie­rt der Logistikma­nager.

 ?? [ MAN ] ?? Auch ausgewachs­ene Lkw tanken bereits an der Steckdose. Die Reichweite von 100 km genügt für innerstädt­ische Lieferunge­n.
[ MAN ] Auch ausgewachs­ene Lkw tanken bereits an der Steckdose. Die Reichweite von 100 km genügt für innerstädt­ische Lieferunge­n.

Newspapers in German

Newspapers from Austria