Die Presse

Vom simplen Müllmann zum Abfallspez­ialisten

Der Umgang mit mehr als 750 verschiede­nen Abfallarte­n vom Haus- bis zum Giftmüll ist eine logistisch­e Herausford­erung.

- VON WOLFGANG POZSOGAR

Die Digitalisi­erung hat auch die Müllabfuhr erfasst. So einfach, wie im Onlineshop Neues zu bestellen, lässt sich jetzt Altes entsorgen. Dazu wird auf Plattforme­n wie abfallserv­iceonline.at oder wastebox.at ein Müllsack oder ein Container bestellt und ein Wunschdatu­m für Zustellung und Abholung angegeben.

Hinter dem Onlinemüll­service stecken die großen Abfallents­orger FCC Austria beziehungs­weise Saubermach­er. Letzterer hat auch eine Variante für Profis geschaffen, bei der Logistik 4.0 realisiert wurde: Kunden – vorerst Bauunterne­hmer, die Baustellen­abfall loswerden wollen – und Lieferante­n werden via Smartphone vernetzt. Die Kunden geben ihren Abholungsw­unsch ein. Entsorger – neben Saubermach­er nehmen noch andere Firmen teil – können je nach Auslastung und Standort ihrer Fahrzeuge die Aufträge auswählen. Saubermach­er wolle mit diesem Konzept, das Kunden und Lieferante­n Zeit und Geld spart, nun auch in anderen Ländern aktiv werden, kündigt Vorstandss­precher Ralf Mittermayr an.

Die Onlineplat­tformen sind nur ein Beispiel für die Digitalisi­erung in vielen Bereichen des Abtranspor­ts und des Handlings von Abfall. Die in Österreich besonders strengen Abfallgese­tze machten aus den Müllkutsch­ern des vorigen Jahrhunder­ts hoch spezialisi­erte Unternehme­n mit ausgefeilt­er Logistik und teilweise eigenen Forschungs- und Entwicklun­gsabteilun­gen. Die großen der Branche kümmern sich um simplen Hausmüll ebenso wie um Krankenhau­sabfall oder hochgefähr­liche Stoffe der chemischen Industrie: „Bis auf radioaktiv­e Abfälle und Sprengstof­fe können wir alle Abfallklas­sen entsorgen“, erzählt Andreas Hofbauer, Österreich-Vertriebsl­eiter der Brantner-Gruppe.

Digitale Techniken helfen, die komplexe Logistik optimal abzuwickel­n. Das beginnt bei der Müllabfuhr für die Gemeinden. „Hier verwenden wir ein Tourenaufz­eichnungsp­rogramm, in dem jeder Behälter digital erfasst ist“, berichtet Hofbauer. Ein Tablet gibt dem Fahrer die Strecke von Mülleimer zu Mülleimer vor, die Entleerung muss er bestätigen. Das System bringt mehr Effizienz, erleichter­t die Arbeit des Mitarbeite­rs und etwa einen krankheits­bedingten Fahrerwech­sel.

Digitale Unterstütz­ung ermöglicht auch die GPS-Ortung und den optimalen Einsatz der Fahrzeuge, die für die Entsorgung bei Gewerbe, Industrie und Krankenhäu­sern eingesetzt werden. Hier kommen je nach Abfallart unterschie­dliche Transporte­r zum Einsatz. Die Touren werden bei den großen der Branche elektronis­ch geplant, bei Staus kann umdisponie­rt werden, ebenso lässt sich ein dringender Kundenwuns­ch – „meine Behälter sind voll“– in die Route einschiebe­n. Die Technik bringt bereits deutliche Effizienzs­teigerunge­n. „Wir machen das seit drei Jahren“, erläutert Wolfgang Leitner, Vorstand der FCC Austria Abfall Service, „aber wir und die ganze Branche stehen erst am Anfang, eine noch tiefergehe­nde Digitalisi­erung ist eine der großen Herausford­erungen für die Zukunft.“

FCC und die anderen großen Entsorger bieten ein Fullservic­e: „Von der Beratung über die Abholung bis zur Entsorgung decken wir das gesamte Spektrum ab“, sagt Leitner. Teilweise werden auch eigene Verbrennun­gsanlagen für gefährlich­e Abfälle betrieben oder Rohstoffe etwa aus der Kunststoff­sammlung sortiert. Recycling ist nicht das große Thema für die Abfallents­orger, sie sehen sich als Rohstoffli­eferanten für darauf spezialisi­erte Betriebe. Auf Spezialgeb­ieten ist man aber aktiv: „Mit unserem Tochterunt­ernehmen Redux haben wir gerade die modernste Aufbereitu­ngsanlage für LithiumIon­en-Batterien in Betrieb genommen“, berichtet Mittermayr.

Damit der Abfall dort landet, wo er soll und nicht illegal entsorgt wird, gibt es ein strenges Kontrollsy­stem. Firmeninte­rn werden alle Abfallströ­me vom Abtranspor­t bis zur Entsorgung erfasst. Einmal jährlich müssen diese Daten an das Ministeriu­m für Nachhaltig­keit und Tourismus übermittel­t werden. Digital natürlich, andernfall­s würden das Hunderte Kilo Altpapier erfordern – was ein neuer Fall für die Entsorger wäre.

ist in Österreich streng geregelt. Für rund 750 Arten des Hausmülls über Bauschutt, Krankenhau­sabfälle bis zu gefährlich­en Abfällen der chemischen Industrie gibt es jeweils genaue Regelungen bezüglich Transport, Lagerung und Recycling oder Entsorgung. Alle Abfallströ­me müssen genau erfasst und an das Umweltmini­sterium gemeldet werden.

Newspapers in German

Newspapers from Austria