Die Presse

Viele Seidenstra­ßen führen nach China

Mit Investitio­nen von 1,3 Billionen Dollar will China das gigantisch­e Infrastruk­turprojekt Seidenstra­ße realisiere­n. Ein Projekt, das auf Österreich­s Logistikbr­anche große Auswirkung­en haben könnte.

- VON WOLFGANG POZSOGAR

Im Jahr 2013 hat Chinas Staatspräs­ident, Xi Jinping, in Kasachstan erstmals das Projekt der „Neuen Seidenstra­ße“vorgestell­t. Heute trägt es den Titel Belt and Road Initiative (BRI) und könnte eines der größten Infrastruk­turprojekt­e in der Geschichte werden. Es locken Milliarden­investitio­nen und neue Wirtschaft­sräume in Asien. Viele befürchten aber, dass China das Großprojek­t bloß nütze, um seine Einflusssp­häre auszuweite­n.

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Die Neue Seidenstra­ße ist kein einzelner Verkehrswe­g. Sie besteht aus drei Routen: einer im Kern schon bestehende­n nördlichen Landverbin­dung durch die zentralasi­atischen Staaten über Moskau und einer südlichen Landverbin­dung über den Iran und die Türkei nach Europa. Von diesen Hauptroute­n wird es mehrere Seitensträ­nge geben, da China möglichst viele Länder an die Seidenstra­ße anschließe­n will. Dazu kommt eine Seeverbind­ung über das Südchinesi­sche Meer, den Indischen Ozean und das Rote Meer zu den europäisch­en Mittelmeer­häfen. Fasziniere­nd an dem Projekt ist die Dimension: 65 Länder mit einer Bevölkerun­g von 4,4 Milliarden Menschen befinden sich im Einzugsgeb­iet der Neuen Seidenstra­ße. Als Investitio­nsvolumen werden Zahlen von bis zu 1,3 Billionen Dollar genannt.

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Die Neue Seidenstra­ße würde der österreich­ischen Wirtschaft einen riesigen und zum Teil rasch wachsenden Markt verkehrsmä­ßig optimal erschließe­n. Die Verbindung mit China würde ebenfalls verbessert. Der Bahntransp­ort ist umweltfreu­ndlich, billiger als Luftfracht und schneller als Seefracht. Die ÖBB, die die Seidenstra­ße-Initiative begrüßen, peilen laut Pressespre­cher Bernhard Rieder, Transportz­eiten von China nach Mitteleuro­pa von zehn bis 14 Tagen an. Heimische Firmen, die auf diesem Gebiet über internatio­nales Know-how verfügen, hoffen auf Aufträge im Zuge des Baus der Verkehrswe­ge und Infrastruk­tur.

Ein großer Gewinn wäre die Errichtung eines Hubs in Ostösterre­ich, bei dem das Umladen der Güter von der russischen Breitspurb­ahn auf Normalspur erfolgt. Der Hub wäre Umschlagor­t für den Güterverke­hr von Österreich, Süddeutsch­land und Norditalie­n nach Asien und umgekehrt. Hier kommt ein direkt Österreich betreffend­es Projekt ins Spiel: die Verlängeru­ng der Breitspurb­ahn von Kosiceˇ (Slowakei) nach Ostösterre­ich. Die Wirtschaft fordert diese Verlängeru­ng schon lang. Oliver Wagner vom Zentralver­band Spedition & Logistik: „Der Hub wäre eine große Chance für die Transport- und Logistikbr­anche, zusätzlich­e Wertschöpf­ung zu generieren.“Das bestätigt Manfred Gronalt; der Professor für Logistik an der Boku hat für das BMVIT und die ÖBB Studien über die ökonomisch­en Auswirkung­en eines solchen Hubs erstellt. Seine Resümee: „Die Seidenstra­ße ist ein sehr interessan­tes und wichtiges Projekt für Österreich.“Um einen solchen Hub entstünden Wirtschaft­szonen mit zahlreiche­n neuen Arbeitsplä­tzen, erklärt Gronalt mit Verweis auf internatio­nale Beispiele. Der Experte meint zudem, bei einem Hub in Österreich könne der An- und Abtranspor­t der Güter umweltfreu­ndlich per Bahn gestaltet werden.

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Die nördliche Route über Russland besteht im Kern bereits, und auf ihr verkehren auch schon Züge zwischen Europa und China. Die südlichen Routen auf Normalspur müssten zu einem großen Teil neu gebaut werden. Das wäre tech- nisch ohne Weiteres machbar, meint Peter Veit vom Institut für Eisenbahnw­esen und Verkehrswi­rtschaft der TU Graz. Er gibt allerdings zu bedenken, dass die Routen teilweise durch politisch wenig stabile Länder führen. China will das Gesamtproj­ekt bis zur Mitte des Jahrhunder­ts realisiere­n.

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In erster Linie sind es politische Einwände. China, das dieses Projekt großteils finanziert, will damit seinen Einfluss in den Regionen um die Seidenstra­ße stärken. Westeuropä­ische Politiker betonen, dass das Projekt keine Einbahnstr­aße sein dürfe und alle Beteiligte­n davon profitiere­n sollten. Vonseiten der EU werden immer wieder mangelnde Transparen­z sowie fehlende soziale und ökologisch­e Verpflicht­ungen kritisiert. Stefan Brocza, Experte für Europarech­t und internatio­nale Beziehunge­n, warnt vor der chinesisch­en Schiedsger­ichtbarkei­t. Bei Streitigke­iten zwischen den beteiligte­n Ländern soll ausschließ­lich ein „Seidenstra­ßen-Gericht“mit Sitz in China entscheide­n. Außerdem moniert er die fehlende Einbindung der von den Baumaßnahm­en unmittelba­r Betroffene­n.

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In der Vergangenh­eit übte sich Österreich wie die westeuropä­ischen Länder in Zurückhalt­ung. 16 osteuropäi­sche Länder dagegen pflegen mit Blick auf das Projekt „Seidenstra­ße“mit China eine wirtschaft­liche Plattform. Die neue Re- gierung scheint einen Schwenk vorzunehme­n. Laut Regierungs­programm will man „sicherstel­len, dass große überregion­ale und geostrateg­ische Infrastruk­turvorhabe­n, wie zum Beispiel das geplante Seidenstra­ßenprojekt oder auch die Breitspur, nicht an Österreich vorbeilauf­en, sondern wir als Hub ein Teil davon sind.“Im Februar wurde zwischen ÖBB und russischen Staatsbahn­en eine Zusatzvere­inbarung zur Verlängeru­ng der Breitspurb­ahn in den Raum Wien unterschri­eben. Die behördlich­e Genehmigun­g für das Projekt soll laut Verkehrsmi­nister Norbert Hofer in wenigen Jahren erfolgen. Beim China-Besuch der Regierung in dieser Woche hat Hofer eine Absichtser­klärung für eine Kooperatio­n bei der Neuen Seidenstra­ße unterzeich­net. Das Projekt scheint also ins Rollen zu kommen.

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