Lastzüge in Reih und Glied auf der Straße
Wie ein militärischer Zug dicht hintereinander marschierender Soldaten sollen vernetzte Lkw künftig unterwegs sein. Erste Tests laufen, Zweifel bleiben.
Wer in den nächsten Monaten auf deutschen Autobahnen an einem LkwKonvoi vorbeifährt, bei dem die Fahrzeuge 15 statt der vorgeschriebenen 50 Meter Abstand halten, sollte nicht gleich die Polizei alarmieren. Das gefährlich anmutende Schauspiel ist Teil eines Forschungsprojekts von DB Schenker, MAN Truck & Bus und der Hochschule Fresenius. Genau gesagt geht es um Platooning.
Der Begriff, der den anglofonen Streitkräften entlehnt ist, bei denen ein Platoon einen Zug an Soldaten darstellt, steht im Straßenverkehr für ein revolutionäres Konzept. Fahrzeuge folgen einan-
Beim Platooning setzt man bei der Kommunikation zwischen den Fahrzeugen derzeit auf GPS, WLAN und Radar. Technologische Unterstützung könnte in Zukunft das Mobilfunknetz der fünften Generation (5G) bringen, das eine bis zu 100-fach höhere Datenrate (bis 10.000 MBits/s) als derzeitige Mobilfunkstandards erlauben wird. Laut Regierungsplan soll der 5G-Mobilfunk in Österreich im Jahr 2025 flächendeckend zur Verfügung stehen. der in sehr geringem Abstand, aber ohne Beeinträchtigung der Verkehrssicherheit. Dafür sorgt eine „elektronische Deichsel“, die die Konvoiteilnehmer mittels einer Car-to-Car-Kommunikation verbindet. Das führende Fahrzeug gibt Geschwindigkeit und Richtung vor, der Leithammel überträgt sein Fahrverhalten auf die Nachkommenden. Bremst beispielsweise ein Lkw, sorgt die Funkkopplung dafür, dass der Rest der Truppe nach 0,2 Sekunden ebenfalls bremst – Menschen würden erst innerhalb einer Sekunde reagieren. Beschleunigen und Bremsen vollziehen alle Fahrzeuge also quasi synchron.
Der Zweck der Übung: Zum einen soll der zur Verfügung stehende Verkehrsraum besser genutzt und der Verkehrsfluss optimiert werden, zum anderen das Windschattenfahren für weniger Luftwiderstand und somit geringeren Dieselverbrauch sorgen. „Wir kämpfen in der Branche um jedes Prozent Kraftstoffeinsparung, drei bis fünf sind mit Platooning realistisch“, sagt Daimler-Vorstandsmitglied Martin Daum. Nach Tests in Europa und auf den Highways der US-Bundesstaaten Nevada und Oregon nimmt der Konzern nun an einer Initiative der japanischen Regierung teil, um Platooning in Asien voranzutreiben. In Deutschland sind seit April Lkw-Platoons zwischen den DB Schenker Logistikzentren München und Nürnberg unterwegs. Getestet wird noch ohne Ladung, um zunächst die Fahrbedingungen im alltäglichen Verkehrsfluss zu untersuchen und die Fahrer zu schulen. Im Lauf des Jahres ist der Ausbau mit realen Ladungen geplant. „Dass Platooning technisch funktioniert, haben wir in verschiedenen Vorgängerprojekten wie 2016 in der European Truck Platooning Challenge bewiesen. Die Anpassung dieser Technologie an die realen Alltagsbedingungen der Logistik ist die Herausforderung, die wir jetzt angehen“, erklärt Frederik Zohm, Vorstand Forschung und Entwicklung MAN Truck & Bus.
Wie groß diese Herausforderungen sind, lässt sich erahnen. Was auf amerikanischen Highways oder begrenzten Autobahnabschnitten funktioniert, ist noch kein Beweis für eine breite Alltagstauglichkeit. „Wenn Sie in der Stadteinfahrt im Stau stehen, dann nützt Ihnen das ausgefeilteste Platooning nichts“, räumt Daum die aktuell noch begrenzten Einsatzmöglichkeiten ein. Selbst auf Autobahnen warten Probleme, etwa die Frage, ob alle Brücken der Last der dicht aneinandergereihten Schwerfahrzeuge standhalten. Und was ist, wenn sich trotz geringen Abstands zwischen den Lkw Auto- oder Motorradfahrer in die Lücken quetschen, um eine Abfahrt zu nehmen? „Im Notfall muss der digital verbundene Konvoi kurzfristig entkoppelt werden“, meint MAN-Entwickler Walter Schwertberger. Umso öfter das notwendig ist, umso geringer ist allerdings die Treibstoffeinsparung. Auch in Sachen Entwicklung gemeinsamer Standards für die Schnittstellen sowie Systeme und einer europaweiten Regulierung liegen noch einige Hürden auf dem Weg – auch solche verkehrspolitischer Natur. Das zeigt eine jüngste Stellungnahme der Allianz Pro Schiene: „Platooning gibt es bereits: nämlich bei der Bahn.“Ein Hinweis darauf, dass man die enormen Entwicklungskosten aus ökologischer Sicht eventuell besser für die Elektrifizierung oder den Ausbau des Netzes für längere Güterzüge hätte einsetzen können.