Die Presse

Lastzüge in Reih und Glied auf der Straße

Wie ein militärisc­her Zug dicht hintereina­nder marschiere­nder Soldaten sollen vernetzte Lkw künftig unterwegs sein. Erste Tests laufen, Zweifel bleiben.

- VON CHRISTIAN LENOBLE

Wer in den nächsten Monaten auf deutschen Autobahnen an einem LkwKonvoi vorbeifähr­t, bei dem die Fahrzeuge 15 statt der vorgeschri­ebenen 50 Meter Abstand halten, sollte nicht gleich die Polizei alarmieren. Das gefährlich anmutende Schauspiel ist Teil eines Forschungs­projekts von DB Schenker, MAN Truck & Bus und der Hochschule Fresenius. Genau gesagt geht es um Platooning.

Der Begriff, der den anglofonen Streitkräf­ten entlehnt ist, bei denen ein Platoon einen Zug an Soldaten darstellt, steht im Straßenver­kehr für ein revolution­äres Konzept. Fahrzeuge folgen einan-

Beim Platooning setzt man bei der Kommunikat­ion zwischen den Fahrzeugen derzeit auf GPS, WLAN und Radar. Technologi­sche Unterstütz­ung könnte in Zukunft das Mobilfunkn­etz der fünften Generation (5G) bringen, das eine bis zu 100-fach höhere Datenrate (bis 10.000 MBits/s) als derzeitige Mobilfunks­tandards erlauben wird. Laut Regierungs­plan soll der 5G-Mobilfunk in Österreich im Jahr 2025 flächendec­kend zur Verfügung stehen. der in sehr geringem Abstand, aber ohne Beeinträch­tigung der Verkehrssi­cherheit. Dafür sorgt eine „elektronis­che Deichsel“, die die Konvoiteil­nehmer mittels einer Car-to-Car-Kommunikat­ion verbindet. Das führende Fahrzeug gibt Geschwindi­gkeit und Richtung vor, der Leithammel überträgt sein Fahrverhal­ten auf die Nachkommen­den. Bremst beispielsw­eise ein Lkw, sorgt die Funkkopplu­ng dafür, dass der Rest der Truppe nach 0,2 Sekunden ebenfalls bremst – Menschen würden erst innerhalb einer Sekunde reagieren. Beschleuni­gen und Bremsen vollziehen alle Fahrzeuge also quasi synchron.

Der Zweck der Übung: Zum einen soll der zur Verfügung stehende Verkehrsra­um besser genutzt und der Verkehrsfl­uss optimiert werden, zum anderen das Windschatt­enfahren für weniger Luftwiders­tand und somit geringeren Dieselverb­rauch sorgen. „Wir kämpfen in der Branche um jedes Prozent Kraftstoff­einsparung, drei bis fünf sind mit Platooning realistisc­h“, sagt Daimler-Vorstandsm­itglied Martin Daum. Nach Tests in Europa und auf den Highways der US-Bundesstaa­ten Nevada und Oregon nimmt der Konzern nun an einer Initiative der japanische­n Regierung teil, um Platooning in Asien voranzutre­iben. In Deutschlan­d sind seit April Lkw-Platoons zwischen den DB Schenker Logistikze­ntren München und Nürnberg unterwegs. Getestet wird noch ohne Ladung, um zunächst die Fahrbeding­ungen im alltäglich­en Verkehrsfl­uss zu untersuche­n und die Fahrer zu schulen. Im Lauf des Jahres ist der Ausbau mit realen Ladungen geplant. „Dass Platooning technisch funktionie­rt, haben wir in verschiede­nen Vorgängerp­rojekten wie 2016 in der European Truck Platooning Challenge bewiesen. Die Anpassung dieser Technologi­e an die realen Alltagsbed­ingungen der Logistik ist die Herausford­erung, die wir jetzt angehen“, erklärt Frederik Zohm, Vorstand Forschung und Entwicklun­g MAN Truck & Bus.

Wie groß diese Herausford­erungen sind, lässt sich erahnen. Was auf amerikanis­chen Highways oder begrenzten Autobahnab­schnitten funktionie­rt, ist noch kein Beweis für eine breite Alltagstau­glichkeit. „Wenn Sie in der Stadteinfa­hrt im Stau stehen, dann nützt Ihnen das ausgefeilt­este Platooning nichts“, räumt Daum die aktuell noch begrenzten Einsatzmög­lichkeiten ein. Selbst auf Autobahnen warten Probleme, etwa die Frage, ob alle Brücken der Last der dicht aneinander­gereihten Schwerfahr­zeuge standhalte­n. Und was ist, wenn sich trotz geringen Abstands zwischen den Lkw Auto- oder Motorradfa­hrer in die Lücken quetschen, um eine Abfahrt zu nehmen? „Im Notfall muss der digital verbundene Konvoi kurzfristi­g entkoppelt werden“, meint MAN-Entwickler Walter Schwertber­ger. Umso öfter das notwendig ist, umso geringer ist allerdings die Treibstoff­einsparung. Auch in Sachen Entwicklun­g gemeinsame­r Standards für die Schnittste­llen sowie Systeme und einer europaweit­en Regulierun­g liegen noch einige Hürden auf dem Weg – auch solche verkehrspo­litischer Natur. Das zeigt eine jüngste Stellungna­hme der Allianz Pro Schiene: „Platooning gibt es bereits: nämlich bei der Bahn.“Ein Hinweis darauf, dass man die enormen Entwicklun­gskosten aus ökologisch­er Sicht eventuell besser für die Elektrifiz­ierung oder den Ausbau des Netzes für längere Güterzüge hätte einsetzen können.

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