Max und das Metropolitan, eine Erfüllung
New York. Die Bestellung des Wieners Max Hollein zum Chef des Metropolitan Museums ist nur der Gipfel einer akkurat geplanten Karriere. Ein Porträt.
Gerne würde man schreiben: „Wir sind Metropolitan!“Schließlich ist das Metropolitan Museum New York so etwas wie der Petersdom der Museumsszene, Inbegriff des Universalmuseums, 1872 an der Upper East Side eröffnet und mit rund zwei Millionen Exponaten aus fünf Jahrtausenden ausgestattet. Und schließlich wurde dieser Max Hollein, der am Dienstag als neuer Direktor verkündet wurde, 1969 in Wien geboren, als Sohn eines berühmten Vaters, des 2014 verstorbenen Architekten Hans Hollein, auch er ein internationaler Leuchtturm der österreichischen Kulturszene.
Doch außer Kindheit und Studium (an der WU, am Institut für Kunstgeschichte – wie präzise kann man eine Karriere eigentlich planen als Jugendlicher?) war es das auch schon mit dem im Lauf dieser außergewöhnlichen Karriere viel beschworenen Österreichertum Max Holleins. „Viennaborn“, wie es gestern in der „New York Times“zu lesen war, trifft es wohl besser. Denn Mitte 20 zog Hollein schon aus – nach New York, zu dem Mann, der damals, in den 1990ern, das Museum neu definierte, zu Tom Krens, dem Erfinder des GuggenheimEffekts. Fünf Jahre arbeitete Hollein unter diesem Guru der Popularisierung, Eventisierung und Expansion von Museumsmarken. Das Guggenheim Bilbao wurde in Holleins Zeit als Krens-Assistent eröffnet, während in Salzburg Vater Hans (und Agnes Husslein) für eine Guggenheim-Filiale kämpften (vergeblich).
Amerikanisches Credo: Alles ist möglich
2001 kehrte Hollein jedenfalls nach Europa zurück, er habe in diesen fünf Jahren mehr gelernt, als andere in 20 Jahren Berufsleben, erzählte er später – vor allem eins: dass alles möglich sei, wenn man es nur mit Energie, Ausdauer und einem gewissen Spieltrieb angehe. Mit 32 wird er Direktor der bis dahin wenig auffälligen Schirn-Kunsthalle in „Mainhattan“, also Frankfurt, einer dem USMäzenatentum wohl am nächsten kommenden aktiven bürgerlichen Gesellschaft. Hier perfektionierte er seine in den USA gelernten Sponsoringfähigkeiten, ohne die Institution dabei zu verkaufen. Straight, integer, vernetzt, visionär und ohne Allüren – das ist der Ruf, den Hollein sich aufbauen konnte.
Kein Wunder, dass der dreifache Vater und Mann von Modedesignerin Nina Hollein sogleich für praktisch jeden Wiener Museumsdirektorenposten im Gespräch war: Ab Mitte der 2000er für das Museum moderner Kunst, das Belvedere, das KHM. Doch Holleins Pläne hatten mit seiner sich selbst naturgemäß überschätzenden Geburtsstadt nichts zu tun – bis auf die herausragende Kommissionierung des Österreich-Pavillons bei der Biennale Venedig 2005 mit Hans Schabus. Hollein wollte weiter – und zurück, dorthin, wo diese beeindruckende Karriere einst begonnen hatte, nach New York.
Der Umweg hieß San Francisco, wohin er 2016 als in alle Himmel gerühmter Generaldirektor mittlerweile nicht nur der zur spannendsten Kunsthalle Deutschlands erblühten Schirn, sondern auch des Frankfurter Altmeistermuseums Städel und der Skulpturensammlung des Liebig-Hauses übersiedelte. Fast wunderte einen dieser Schritt, die Fine Arts Museums in San Francisco, die Legion of Honor und das von Herzog und de Meuron gebaute de Young Memorial Museum im Golden Gate Park, zählen nicht zu den ersten Häusern in den USA. Es war wohl das Sprungbrett, kein völlig sicheres allerdings, Hollein war wie schon sein Vorgänger mit finanziellen Problemen und einer so schillernden wie dominanten Mäzenatin, Dede Wilsey, konfrontiert. Beides scheint er diplomatisch gelöst zu haben. (Wilseys Sohn, Trevor Traina, ist übrigens designierter US-Botschafter in Österreich.)
Nach nur zwei Jahren wird Holleins SanFrancisco-Intermezzo – gewürzt von der ersten großen Klimt-Ausstellung der Westküste – jetzt enden. Es war ein Angebot, das niemand abgelehnt hätte, eine „sehr besondere und einzigartige Chance, die ich umarmen musste“, wie Hollein es in „The Art Newspaper“am Dienstag formulierte. Statt 1,7 Millionen Besucher wird er es in Zukunft mit rund sieben Millionen im Jahr zu tun haben (das Metropolitan war 2017 das drittmeistbesuchte Museum der Welt, nach dem Louvre und dem Pekinger Nationalmuseum).
Der Personal-Coup wirkt spektakulär – ein Jahr hat der Aufsichtsrat des Metropolitan jetzt nach einem neuen Direktor gesucht, nachdem der wenig glückliche Thomas Campbell zurückgetreten war, der das Erbe des legendären Philippe de Montebello, Direktor 1978–2008, antreten musste und vor allem an finanziellen Verlusten (2015/16 6,5 Mio. Euro) gescheitert war – so wurde unter ihm zwar die Moderne-Filiale Met Breuer im ehemaligen Whitney-Museum gestartet, den Neubau eines Museumsflügels musste er aber absagen. Wird Hollein diesen jetzt stemmen? Anders als Campbell kommt er nicht aus der Belegschaft des Museums, er ist überhaupt in 60 Jahren der erste Direktor, der von außen geholt wurde, insgesamt der zehnte erst in der 147-jährigen Geschichte.
Im Sommer wird Hollein seinen Job antreten. Man habe in ihm einen „innovativen und inspirierenden Museumsleiter“gefunden, so der Vorsitzende des MetropolitanAufsichtsrats, Daniel Brodksy, am Dienstag. Und Daniel Weiss, Präsident und Geschäftsführer des Museums, ergänzt: „Unter der Oberfläche ist Max ein Mensch mit großer intellektueller Seriosität, großem ästhetischen Geschmack und, vielleicht am wichtigsten, von wirklicher Integrität.“