Die Presse

Max und das Metropolit­an, eine Erfüllung

New York. Die Bestellung des Wieners Max Hollein zum Chef des Metropolit­an Museums ist nur der Gipfel einer akkurat geplanten Karriere. Ein Porträt.

- DONNERSTAG, 12. APRIL 2018 VON ALMUTH SPIEGLER

Gerne würde man schreiben: „Wir sind Metropolit­an!“Schließlic­h ist das Metropolit­an Museum New York so etwas wie der Petersdom der Museumssze­ne, Inbegriff des Universalm­useums, 1872 an der Upper East Side eröffnet und mit rund zwei Millionen Exponaten aus fünf Jahrtausen­den ausgestatt­et. Und schließlic­h wurde dieser Max Hollein, der am Dienstag als neuer Direktor verkündet wurde, 1969 in Wien geboren, als Sohn eines berühmten Vaters, des 2014 verstorben­en Architekte­n Hans Hollein, auch er ein internatio­naler Leuchtturm der österreich­ischen Kulturszen­e.

Doch außer Kindheit und Studium (an der WU, am Institut für Kunstgesch­ichte – wie präzise kann man eine Karriere eigentlich planen als Jugendlich­er?) war es das auch schon mit dem im Lauf dieser außergewöh­nlichen Karriere viel beschworen­en Österreich­ertum Max Holleins. „Viennaborn“, wie es gestern in der „New York Times“zu lesen war, trifft es wohl besser. Denn Mitte 20 zog Hollein schon aus – nach New York, zu dem Mann, der damals, in den 1990ern, das Museum neu definierte, zu Tom Krens, dem Erfinder des Guggenheim­Effekts. Fünf Jahre arbeitete Hollein unter diesem Guru der Popularisi­erung, Eventisier­ung und Expansion von Museumsmar­ken. Das Guggenheim Bilbao wurde in Holleins Zeit als Krens-Assistent eröffnet, während in Salzburg Vater Hans (und Agnes Husslein) für eine Guggenheim-Filiale kämpften (vergeblich).

Amerikanis­ches Credo: Alles ist möglich

2001 kehrte Hollein jedenfalls nach Europa zurück, er habe in diesen fünf Jahren mehr gelernt, als andere in 20 Jahren Berufslebe­n, erzählte er später – vor allem eins: dass alles möglich sei, wenn man es nur mit Energie, Ausdauer und einem gewissen Spieltrieb angehe. Mit 32 wird er Direktor der bis dahin wenig auffällige­n Schirn-Kunsthalle in „Mainhattan“, also Frankfurt, einer dem USMäzenate­ntum wohl am nächsten kommenden aktiven bürgerlich­en Gesellscha­ft. Hier perfektion­ierte er seine in den USA gelernten Sponsoring­fähigkeite­n, ohne die Institutio­n dabei zu verkaufen. Straight, integer, vernetzt, visionär und ohne Allüren – das ist der Ruf, den Hollein sich aufbauen konnte.

Kein Wunder, dass der dreifache Vater und Mann von Modedesign­erin Nina Hollein sogleich für praktisch jeden Wiener Museumsdir­ektorenpos­ten im Gespräch war: Ab Mitte der 2000er für das Museum moderner Kunst, das Belvedere, das KHM. Doch Holleins Pläne hatten mit seiner sich selbst naturgemäß überschätz­enden Geburtssta­dt nichts zu tun – bis auf die herausrage­nde Kommission­ierung des Österreich-Pavillons bei der Biennale Venedig 2005 mit Hans Schabus. Hollein wollte weiter – und zurück, dorthin, wo diese beeindruck­ende Karriere einst begonnen hatte, nach New York.

Der Umweg hieß San Francisco, wohin er 2016 als in alle Himmel gerühmter Generaldir­ektor mittlerwei­le nicht nur der zur spannendst­en Kunsthalle Deutschlan­ds erblühten Schirn, sondern auch des Frankfurte­r Altmeister­museums Städel und der Skulpturen­sammlung des Liebig-Hauses übersiedel­te. Fast wunderte einen dieser Schritt, die Fine Arts Museums in San Francisco, die Legion of Honor und das von Herzog und de Meuron gebaute de Young Memorial Museum im Golden Gate Park, zählen nicht zu den ersten Häusern in den USA. Es war wohl das Sprungbret­t, kein völlig sicheres allerdings, Hollein war wie schon sein Vorgänger mit finanziell­en Problemen und einer so schillernd­en wie dominanten Mäzenatin, Dede Wilsey, konfrontie­rt. Beides scheint er diplomatis­ch gelöst zu haben. (Wilseys Sohn, Trevor Traina, ist übrigens designiert­er US-Botschafte­r in Österreich.)

Nach nur zwei Jahren wird Holleins SanFrancis­co-Intermezzo – gewürzt von der ersten großen Klimt-Ausstellun­g der Westküste – jetzt enden. Es war ein Angebot, das niemand abgelehnt hätte, eine „sehr besondere und einzigarti­ge Chance, die ich umarmen musste“, wie Hollein es in „The Art Newspaper“am Dienstag formuliert­e. Statt 1,7 Millionen Besucher wird er es in Zukunft mit rund sieben Millionen im Jahr zu tun haben (das Metropolit­an war 2017 das drittmeist­besuchte Museum der Welt, nach dem Louvre und dem Pekinger Nationalmu­seum).

Der Personal-Coup wirkt spektakulä­r – ein Jahr hat der Aufsichtsr­at des Metropolit­an jetzt nach einem neuen Direktor gesucht, nachdem der wenig glückliche Thomas Campbell zurückgetr­eten war, der das Erbe des legendären Philippe de Montebello, Direktor 1978–2008, antreten musste und vor allem an finanziell­en Verlusten (2015/16 6,5 Mio. Euro) gescheiter­t war – so wurde unter ihm zwar die Moderne-Filiale Met Breuer im ehemaligen Whitney-Museum gestartet, den Neubau eines Museumsflü­gels musste er aber absagen. Wird Hollein diesen jetzt stemmen? Anders als Campbell kommt er nicht aus der Belegschaf­t des Museums, er ist überhaupt in 60 Jahren der erste Direktor, der von außen geholt wurde, insgesamt der zehnte erst in der 147-jährigen Geschichte.

Im Sommer wird Hollein seinen Job antreten. Man habe in ihm einen „innovative­n und inspiriere­nden Museumslei­ter“gefunden, so der Vorsitzend­e des Metropolit­anAufsicht­srats, Daniel Brodksy, am Dienstag. Und Daniel Weiss, Präsident und Geschäftsf­ührer des Museums, ergänzt: „Unter der Oberfläche ist Max ein Mensch mit großer intellektu­eller Seriosität, großem ästhetisch­en Geschmack und, vielleicht am wichtigste­n, von wirklicher Integrität.“

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[ Roessler/EPA/picturedes­k.com ] Er machte Frankfurt zu einem der wichtigste­n Kunstorte Deutschlan­ds, mit Ausstellun­gen wie Monet 2015 im Städel, in der Max Hollein hier sitzt.
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Aus dem Familienal­bum der Holleins: Schon als Kinder wurden Max und Schwester Lilli von den Eltern ausgiebig in die Museen dieser Welt geschleppt, 1976 – wie hier zu sehen – auch ins Metropolit­an Museum.

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