Die Presse

Die Bruchlinie zwischen Realisten und Utopisten

Heimatlose Konservati­ve sehen sich unversehen­s weiter nach rechts gerückt, obwohl sie doch subjektiv nur stehen geblieben sind.

- VON CAROLINE HUNGERLÄND­ER

In seinem Beitrag „Wenn Konservati­ve nach rechts gehen“(„Die Presse“vom 5. April 2018) nahm Günther Haller die „Erklärung 2018“, die sich gegen „illegale Masseneinw­anderung“ausspricht, zum Anlass, den „Schultersc­hluss zwischen Vertretern des Bürgertums und ,Neuen Rechten‘“als tendenziel­l gefährlich­e Formierung von „Demokratie­feinden“darzustell­en.

Tatsächlic­h ist die „Erklärung 2018“ein Novum: Zu den Erstunterz­eichnern gehören Mainstream-Konservati­ve, nach rechts abgebogene Autoren, ebenso wie bislang an den Diskursran­d verbannte Vordenker der sogenannte­n Neuen Rechten; in diesem Who’s who der nicht linken Intelligen­z haben sozusagen „Die Achse des Guten“und die „Junge Freiheit“geheiratet. Die Vorgeschic­hte dieser Hochzeit liegt in der sich stetig zuspitzend­en linken Gesellscha­ftspolitik der vergangene­n dreißig, vierzig Jahre, das auslösende Moment war die Migrations­welle des Jahres 2015.

Haller operiert schlagwort­artig mit den Begriffen „konservati­v“, „rechts“und „Mitte“, ohne sie in irgendeine­r Weise zu definieren. Tatsächlic­h lassen sich die Begriffe „rechts“und „konservati­v“nicht trennschar­f voneinande­r abgrenzen; der Konservati­vismus ist der ideengesch­ichtliche Kern jeder Form der „Rechten“und umgekehrt.

Griffige Schubladis­ierungen

Anstelle von „links“und „rechts“werden häufig auch die Begriffe „konservati­v“und „progressiv“benutzt. „Linke“sind demnach schematisc­h gesprochen diejenigen, die eher nach Veränderun­g und gesellscha­ftlichen Umwälzunge­n streben, „Rechte“jene, die stärker auf das Gewachsene und Traditione­lle setzen. Allerdings ist die Einordnung „rechts“im gängigen Koordinate­nsystem oft eine Fremdzusch­reibung, die dazu dient, einen Redner zu diskrediti­eren. Und mit jedem Linksruck im Zuge der Radikalisi­erung der „politische­n Korrekthei­t“blieben heimatlose Konservati­ve auf der Strecke, die sich unversehen­s weiter nach rechts gerückt sahen, obwohl sie doch subjektiv stehen geblieben waren.

Konkrete Inhalte zählen hier nur wenig, griffige Schubladis­ierungen umso mehr. Aber läuft die entscheide­nde Bruchlinie heute nicht vielmehr zwischen Realisten und Utopisten, Anhängern globalisti­scher Träume und den Bewahrern kulturelle­r, religiöser, nationaler Bestände?

Auf der Suche nach der Ursache dieses „Schultersc­hlus-

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