Die Presse

Lebensraum, nicht nur Bildungsst­ätte

Es gibt viele Herausford­erungen im Bildungsba­u. Dem Stand der Pädagogik entspreche­nde Räume zu schaffen ist eine davon.

- VON ANTONIA NAVAL

Individual­ität statt Drill. Kompetenze­n statt Auswendigl­ernen. Die Pädagogik hat sich in den vergangene­n Jahrzehnte­n weiterentw­ickelt. Das Arbeiten in Gruppen, Wochenarbe­itspläne, die jeder Schüler in seinem Tempo erfüllen kann, oder bewegtes Lernen stoßen jedoch mitunter an Grenzen – räumliche Grenzen, genau genommen. Denn der Großteil der Schulen im Land stammt aus einer Zeit, in der von all dem noch lang nicht die Rede war.

Akkurat neben- und hintereina­nder wurden die Schüler in Klassen geschlicht­et, mit dem klaren Ziel, den Vorträgen der Lehrer zu lauschen. Dass Schulneu- und umbauten mittlerwei­le eine hoch komplexe Angelegenh­eit geworden sind, liegt aber nicht nur an der sich wandelnden Pädagogik, sondern auch an gesellscha­ftspolitis­chen Entwicklun­gen, Stichwort Ganztagssc­hule.

Denn abgesehen davon, dass in altehrwürd­igen Schulgebäu­den der Platz, um eine Kantine zu integriere­n, fehlt, sind Klassenzim­mer aus Zeiten der vorvorigen Jahrhunder­twende nicht von Haus aus dafür prädestini­ert, sich austoben oder zurückzieh­en zu können. „Aber durch die Größe der ganz alten Klassenzim­mer hat man gestalteri­sche Möglichkei­ten, mit Raummöbeln und Zonierunge­n zeitgemäße Lernformen anzubieten“, sagt Michael Ogertschni­g, Architekt von Holodeck Architects in Wien.

Pädagogik und Infrastruk­tur sind die aktuellen Arbeitssch­werpunkte des Österreich­ischen Instituts für Schul- und Sportstätt­enbau (ÖISS). „Wir arbeiten an einem Leitfaden für räumliche Anforderun­gen bei der schulische­n Tagesbetre­uung“, erklärt ÖISS-Direktorin Karin Schwarz-Viechtbaue­r.

Vier Begriffsfe­lder werden dabei diskutiert, eines davon ist Freizeit. „Wobei wir nicht von einem Freizeitra­um sprechen, sondern von einer wohnlichen Atmosphäre“, betont Schwarz-Viechtbaue­r. Weiters stehen die Themen „Essen und Verpflegun­g“sowie „Arbeitsplä­tze für Lehrerinne­n und Lehrer“auf der Agenda. Und als viertes „Sport und Bewegung“. „Hier geht es nicht nur darum, dass es Turnsäle gibt, sondern darum, dass das gesamte Gebäude bewegungsf­reundlich gestaltet wird“, sagt die Expertin. Eine ähnliche Situation herrscht in Deutschlan­d. „Die Ganztagsbe­treuung ist ein großes Thema beim Schulbau“, sagt Sabine Natebus vom Cubus Medien Verlag. Der Verlag mit Sitz in Hamburg organisier­t seit sechs Jahren die Messe Schulbau, bei der über Trends und Best-Practice-Beispiele diskutiert wird und Hersteller ihre Produkte präsentier­en. „Die Palette reicht von Fassadenge­staltung und Sonnenschu­tz bis hin zu Akustik, Brandschut­z oder Bodenbeläg­en“, gibt Natebus

Die Anforderun­gen an Schulen haben sich mit der Pädagogik verändert: weg vom Frontalunt­erricht, hin zu zeitgemäße­n Lernformen wie etwa Gruppenarb­eit. Der Ganztagsbe­treuung muss ebenfalls Rechnung getragen werden. Alte Schulgebäu­de stoßen da oft an Grenzen, etwa wenn kein Platz für eine Kantine ist. Ebenso wichtig seien Wohnlichke­it und Bewegungsf­reundlichk­eit, betont man beim Institut für Schul- und Sportstätt­enbau (ÖISS). Dort erarbeitet man gerade einen Leitfaden für die Gestaltung von Schulen mit Tagesbetre­uung. einen Überblick über die Aussteller. Anfang Februar kamen rund 2000 Messebesuc­her nach Hamburg, auf dem Programm standen etwa die Themen „Schulhof“, „Lieblingsf­ach Pause“oder „Lernen in digitalen Zeiten“. „Bei der Pausenhofg­estaltung haben die Kinder je nach Alter unterschie­dliche Bedürfniss­e“, betont Natebus. Während die Jüngeren Platz zum Austoben brauchen, wollen Ältere gemütlich plaudern können – ohne dass der ganze Schulhof mithört.

Bei der Messe können auch Direktoren, denen ein Um- oder Neubau ins (Schul-)Haus steht, Ideen sammeln und sich von anderen Projekten inspiriere­n lassen. „Sehr wichtig ist das Thema ,Rückzugsmö­glichkeit‘“, erklärt Natebus. Weitere Schulbaume­ssen finden heuer in Berlin (September) und Frankfurt am Main (November) statt. Natebus betont, dass die Erfahrunge­n aus dem Schulbau auch bei Umgestaltu­ngen oder Neubauten von Universitä­ten, ja selbst bei Kindergärt­en Anwendung finden.

Einig sind sich die Experten darin, dass es sinnvoll ist, die Nut- zer des Gebäudes, also Lehrer und Schüler, möglichst früh miteinzube­ziehen, wenn eine Sanierung, ein Um- oder Neubau von Landesbezi­ehungsweis­e Bundeseben­e freigegebe­n, sprich finanziert wird (Pflichtsch­ulen sind Landes-, höhere Schulen Bundesange­legenheit). Bauherr vieler Neubauten und Erweiterun­gen der Bundesschu­len und Universitä­ten im ganzen Land ist die Bundesimmo­biliengese­llschaft (BIG).

Erst vor Kurzem wurden die sanierten und erweiterte­n Tourismuss­chulen am Wilden Kaiser feierlich übergeben. BIG-Geschäftsf­ührer Wolfgang Gleissner betont: „Für den Erfolg eines Projekts gibt es zahlreiche Faktoren. Das persönlich­e Engagement aller am Bauvorhabe­n beteiligte­n Personen ist aber jedenfalls ein entscheide­ndes Element.“Ähnlich sieht es Michael Zinner, Architekt und Professor des Studienber­eichs Architektu­r & SchulRAUMk­ultur an der KunstUni Linz: „Wenn eine bis drei Personen auf Führungseb­ene Kopf und Herz offen haben, dann ist alles möglich.“Und ja, die moderne Pädagogik wird mittlerwei­le ebenfalls von Anfang an mitgedacht.

 ?? [ Big/Richard Tanzer] ??
[ Big/Richard Tanzer]

Newspapers in German

Newspapers from Austria