Lebensraum, nicht nur Bildungsstätte
Es gibt viele Herausforderungen im Bildungsbau. Dem Stand der Pädagogik entsprechende Räume zu schaffen ist eine davon.
Individualität statt Drill. Kompetenzen statt Auswendiglernen. Die Pädagogik hat sich in den vergangenen Jahrzehnten weiterentwickelt. Das Arbeiten in Gruppen, Wochenarbeitspläne, die jeder Schüler in seinem Tempo erfüllen kann, oder bewegtes Lernen stoßen jedoch mitunter an Grenzen – räumliche Grenzen, genau genommen. Denn der Großteil der Schulen im Land stammt aus einer Zeit, in der von all dem noch lang nicht die Rede war.
Akkurat neben- und hintereinander wurden die Schüler in Klassen geschlichtet, mit dem klaren Ziel, den Vorträgen der Lehrer zu lauschen. Dass Schulneu- und umbauten mittlerweile eine hoch komplexe Angelegenheit geworden sind, liegt aber nicht nur an der sich wandelnden Pädagogik, sondern auch an gesellschaftspolitischen Entwicklungen, Stichwort Ganztagsschule.
Denn abgesehen davon, dass in altehrwürdigen Schulgebäuden der Platz, um eine Kantine zu integrieren, fehlt, sind Klassenzimmer aus Zeiten der vorvorigen Jahrhundertwende nicht von Haus aus dafür prädestiniert, sich austoben oder zurückziehen zu können. „Aber durch die Größe der ganz alten Klassenzimmer hat man gestalterische Möglichkeiten, mit Raummöbeln und Zonierungen zeitgemäße Lernformen anzubieten“, sagt Michael Ogertschnig, Architekt von Holodeck Architects in Wien.
Pädagogik und Infrastruktur sind die aktuellen Arbeitsschwerpunkte des Österreichischen Instituts für Schul- und Sportstättenbau (ÖISS). „Wir arbeiten an einem Leitfaden für räumliche Anforderungen bei der schulischen Tagesbetreuung“, erklärt ÖISS-Direktorin Karin Schwarz-Viechtbauer.
Vier Begriffsfelder werden dabei diskutiert, eines davon ist Freizeit. „Wobei wir nicht von einem Freizeitraum sprechen, sondern von einer wohnlichen Atmosphäre“, betont Schwarz-Viechtbauer. Weiters stehen die Themen „Essen und Verpflegung“sowie „Arbeitsplätze für Lehrerinnen und Lehrer“auf der Agenda. Und als viertes „Sport und Bewegung“. „Hier geht es nicht nur darum, dass es Turnsäle gibt, sondern darum, dass das gesamte Gebäude bewegungsfreundlich gestaltet wird“, sagt die Expertin. Eine ähnliche Situation herrscht in Deutschland. „Die Ganztagsbetreuung ist ein großes Thema beim Schulbau“, sagt Sabine Natebus vom Cubus Medien Verlag. Der Verlag mit Sitz in Hamburg organisiert seit sechs Jahren die Messe Schulbau, bei der über Trends und Best-Practice-Beispiele diskutiert wird und Hersteller ihre Produkte präsentieren. „Die Palette reicht von Fassadengestaltung und Sonnenschutz bis hin zu Akustik, Brandschutz oder Bodenbelägen“, gibt Natebus
Die Anforderungen an Schulen haben sich mit der Pädagogik verändert: weg vom Frontalunterricht, hin zu zeitgemäßen Lernformen wie etwa Gruppenarbeit. Der Ganztagsbetreuung muss ebenfalls Rechnung getragen werden. Alte Schulgebäude stoßen da oft an Grenzen, etwa wenn kein Platz für eine Kantine ist. Ebenso wichtig seien Wohnlichkeit und Bewegungsfreundlichkeit, betont man beim Institut für Schul- und Sportstättenbau (ÖISS). Dort erarbeitet man gerade einen Leitfaden für die Gestaltung von Schulen mit Tagesbetreuung. einen Überblick über die Aussteller. Anfang Februar kamen rund 2000 Messebesucher nach Hamburg, auf dem Programm standen etwa die Themen „Schulhof“, „Lieblingsfach Pause“oder „Lernen in digitalen Zeiten“. „Bei der Pausenhofgestaltung haben die Kinder je nach Alter unterschiedliche Bedürfnisse“, betont Natebus. Während die Jüngeren Platz zum Austoben brauchen, wollen Ältere gemütlich plaudern können – ohne dass der ganze Schulhof mithört.
Bei der Messe können auch Direktoren, denen ein Um- oder Neubau ins (Schul-)Haus steht, Ideen sammeln und sich von anderen Projekten inspirieren lassen. „Sehr wichtig ist das Thema ,Rückzugsmöglichkeit‘“, erklärt Natebus. Weitere Schulbaumessen finden heuer in Berlin (September) und Frankfurt am Main (November) statt. Natebus betont, dass die Erfahrungen aus dem Schulbau auch bei Umgestaltungen oder Neubauten von Universitäten, ja selbst bei Kindergärten Anwendung finden.
Einig sind sich die Experten darin, dass es sinnvoll ist, die Nut- zer des Gebäudes, also Lehrer und Schüler, möglichst früh miteinzubeziehen, wenn eine Sanierung, ein Um- oder Neubau von Landesbeziehungsweise Bundesebene freigegeben, sprich finanziert wird (Pflichtschulen sind Landes-, höhere Schulen Bundesangelegenheit). Bauherr vieler Neubauten und Erweiterungen der Bundesschulen und Universitäten im ganzen Land ist die Bundesimmobiliengesellschaft (BIG).
Erst vor Kurzem wurden die sanierten und erweiterten Tourismusschulen am Wilden Kaiser feierlich übergeben. BIG-Geschäftsführer Wolfgang Gleissner betont: „Für den Erfolg eines Projekts gibt es zahlreiche Faktoren. Das persönliche Engagement aller am Bauvorhaben beteiligten Personen ist aber jedenfalls ein entscheidendes Element.“Ähnlich sieht es Michael Zinner, Architekt und Professor des Studienbereichs Architektur & SchulRAUMkultur an der KunstUni Linz: „Wenn eine bis drei Personen auf Führungsebene Kopf und Herz offen haben, dann ist alles möglich.“Und ja, die moderne Pädagogik wird mittlerweile ebenfalls von Anfang an mitgedacht.