Erkaltete Liebe
Natürlich ist es objektiv betrachtet eine Erfolgsgeschichte: Wie sich der triste Donaukanal, dieses Stiefkind der Stadtplanung, binnen weniger Jahre in eine attraktive Weggehmeile verwandelt hat. Plötzlich saß man in Wien nicht mehr nur im Schanigarten, sondern in Liegestühlen und steckte die Füße in den Sand, ganz nah am Wasser und doch mitten in der Stadt. Eine ganz neue Kulisse, die einen staunen ließ: So cool kann Wien also sein.
Leider ist das ziemlich schnell ziemlich vielen anderen Menschen auch aufgefallen: Die Lokale wurden mehr, das Raue, Rohe, Improvisierte, ein bisschen Abgesandelte, das den ganz eigenen Charme des Kanals ausgemacht hat, weniger. Damit könnte man sich ja noch arrangieren. Das große Problem sind die vielen Besucher: Heute ist der Do- naukanal so dermaßen überrannt, dass sogar die vielfach kritisierte Lokaldichte diese Masse an Menschen nicht mehr aufzunehmen vermag. (Von den zu wenigen WC-Anlagen gar nicht zu reden.) Mit dem Rad kommt man an lauen Sommerabenden, an den Wochenenden, kaum weiter. Zu Fuß schiebt man sich inmitten von Jugendlichen und Touristen am Ufer entlang, in der Hoffnung, doch noch irgendwie, irgendwo einen Platz zu bekommen.
Irgendwann beginnt man dann, einen seiner einstigen Lieblingsorte zu meiden: Er ist schlicht zu beliebt geworden, der Donaukanal. Mit so vielen Menschen will man sich diesen eigentlich formidablen Großstadtort nicht teilen. Und wenn man ehrlich ist: So wahnsinnig schön ist das Wasser, auf das man da schaut, auch wieder nicht. Auch wenn ein Bier im Liegestuhl ab und zu schon sehr nett wäre.