Die Presse

Empörung über Auschwitz-Vergleich in einem Rap

Hip-Hop. Zwei deutsche Rapper, die in einem Text anscheinen­d die NS-Verbrechen verharmlos­en, haben einen EchoMusikp­reis erhalten. Der Flirt mit Antisemiti­smus und Islamismus hat eine üble Tradition im deutschen Gangsta-Rap.

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Wie antisemiti­sch ist deutscher Gangsta-Rap? Diese Frage brodelt seit Jahren, nun kocht sie: Anlass ist der deutsche Musikpreis Echo, der in Berlin verliehen wurde. Dort ging der Preis in der Sparte HipHop/Urban an das Rap-Duo Kollegah und Farid Bang. In deren Stück „0815“– auf der zum Album „Jung, brutal, gutaussehe­nd 3“gehörenden EP „§185“– kommt die Zeile vor: „Mein Körper definierte­r als von Auschwitz-Insassen.“

Esther Bejarano, die das Vernichtun­gslager Auschwitz überlebt hat, nannte das „roh und würdelos“, die Überlebend­en empfänden das als verachtend. Farid Bang bat sie zwar um Verzeihung, behauptete aber zugleich, ihm hätten Tausende Hörer bescheinig­t, „dass sie unsere Zeile nicht als rassistisc­h oder hetzend empfinden“. Der Echo-Ethikrat sah einen „Grenzfall“und riet allen Beteiligte­n zur Diskussion. Campino von der Band Die Toten Hosen tat das bei der Verleihung und fand sogar entschuldi­gende Worte: Im Battle-Rap gehe es eben darum, „sich gegenseiti­g zu toppen“. Das relativier­e einiges: „Wir sollten keinen tieferen Sinn suchen, wo es keinen Sinn gibt.“Provokatio­n sei ein wichtiges Stilmittel. Sei sie aber frauenfein­dlich, homophob, rechtsextr­em oder antisemiti­sch, sei seine persönlich­e Grenze überschrit­ten. Kolle- gah, eine Zigarre in der Hand, reagierte abschätzig: „Ich will hier keine Politikdeb­atte daraus machen.“Campino gebühre es nicht, sich als moralische Instanz aufzuspiel­en.

Charlotte Knobloch, Präsidenti­n der Israelitis­chen Kultusgeme­inde München und Oberbayern, sprach von „geschichts­vergessene­n Geschmackl­osigkeiten und antijüdisc­hen Vorurteile­n“. Der Echo-Preis für das Duo sei ein „verheerend­es Zeichen“.

Tatsächlic­h steht der inkriminie­rte Satz in einem Schwall von Gewaltverh­errlichung und Frauenvera­chtung, die Zeile danach lautet etwa: „Ich tick Rauschgift in Massen, ficke Bauchtasch­enrapper.“Solche in ihrer krassen Übertreibu­ng schon surreal anmutenden Texte sind häufig im Gangsta-Rap.

Kollegah, mit bürgerlich­em Namen Felix Blume, ist mit 15 unter dem Einfluss seines algerische­n Stiefvater­s zum Islam konvertier­t. Er engagiert sich gegen die Evolu- tionslehre und für Palästinen­ser in Israel, etwa in seiner Doku „Kollegah in Palästina“. Antisemiti­smus wurde ihm schon vorgeworfe­n, als er im Video zu seinem Song „Apokalypse“den Bösewicht, von dem er die Welt befreit, mit einem Ring mit Davidstern darstellen ließ. Und in einem Stück gemeinsam mit dem iranisch-deutschen Rapper PA Sports heißt es: „Deutscher Rap sieht homo aus, ’ne Modenschau von Yoloclowns, Schluss mit den Faxen – Hurensohn-Holocaust.“

Flirt mit islamistis­chem Terror hat auch eine gewisse Tradition im deutschen Gangsta-Rap. So rappte Bushido 2006 in „11. September“: „Ich bin ein Taliban“, „Ich bin King Bushido, zweiter Name Mohammed, ich hab ein’ Flächenbra­nd über deine Stadt gelegt.“Häufig ist auch das Motiv der finanzstar­ken Juden, so heißt es in einem Stück des hessischen Rappers Haftbefehl: „Ich ticke Kokain an die Juden von der Börse.“(ag./tk)

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