Ringelreihen von Anmut und Zerbrechlichkeit
In der 122. Auktion richtet das Auktionshaus den Fokus auf Kunst vor 1900 sowie auf zwei hochkarätige Glassammlungen.
Zwar war Wien für Lucas Cranach den Älteren (1472–1553) nur eine von mehreren Stationen, die den deutschen Renaissancemaler während seiner Lehr- und Wanderjahre zunächst nach Salzburg, St. Florian und Wiener Neustadt führten. Der Wien-Aufenthalt von 1502 bis 1504 bewog den hochtalentierten jungen Maler allerdings, eine in biografischer Hinsicht bemerkenswerte Maßnahme zu setzen: Um sich im kulturellen Getümmel der Kaiserstadt die nötige Aufmerksamkeit zu sichern, benannte er sich 1502 im Alter von 30 Jahren nach dem Ort seiner Herkunft, Kronach in Mittelbayern, und signierte fortan als Lucas Cranach. Keine drei Jahre sollte es dauern, bis ihn der sächsische Kurfürst Friedrich der Weise an den Hof nach Wittenberg rief. Bereits wenige Jahre später schon übersiedelte Cranach mit seiner Werkstatt in ein eigenes großes Stadtatelier.
Eines der Werke aus der Hand Lucas Cranachs, die in diesen Jahren entstanden sind, macht nun in Wien als Höhepunkt der 122. Kunstauktion von sich reden. Seit 1920 in österreichischem Familienbesitz befindlich, ist die nun von den Erben angebotene Version der „Maria mit dem Kind und Johannesknaben“(350.000– 700.000 Euro) bis dato nicht publiziert worden und folglich unbekannt. Infrarotaufnahmen der Unterzeichnungen machen die charakteristische Handschrift Lucas Cranachs des Älteren sichtbar und bestätigen damit die Echtheit des Gemäldes; die horizontale Verleimung der Holztafeln des großformatigen Madonnenbildes erlaubt eine Datierung auf ca. 1512. Eingebettet in eine ausgewogene Dreieckskomposition begeistert die Darstellung vor allem mit der feinen Zeichnung der Gesichtszüge und der harmonischen Farbakzentuierung. Die deutlich erkennbare Italianita` des Gemäldes lässt auf eine Kenntnis der italienischen Renaissance Meister wie z.B. Pietro Perugino schließen.
Aus Peruginos Umfeld zählt eine „Madonna mit Salbgefäß“zu den italienischen Spezialitäten der Auktion, weiters eine spannende „Darbringung im Tempel“der Bologneser Manieristin Lavinia Fontana sowie Francesco de Tattis Pendants „Hl. Rochus“und „Hl. Christophorus“von 1520–25 (60.000–120.000 Euro). Stark vertreten ist auch die flämische Malerei, etwa mit dem prachtvollen Stillleben „Blumen in einem Henkelkorb“(80.000–160.000 Euro) von Jan Brueghel d. J., Adriaen van Stalbemts origineller „Allegorie der vier Elemente“(70.000–140.000 Euro), einem überaus sinnlichen „Stillleben mit Hummer und Himbeeren“aus der Hand Jan van Kessels d. Ä. und dem Genrebild „Die neugierige Alte“von David Tenier d. J.
Einen eigenen kleinen Schwerpunkt innerhalb der Auktion bildet auch das Mittelalter mit einer Salzburger „Anna Selbdritt“, Altartafeln eines Villacher Meisters, Werken aus dem Umkreis von Rueland Frueauf d. Ä. oder einer hochgotischen Florentiner „Himmelfahrt“. Sakral präsentiert sich schließlich Martin Johann (Kremser) Schmidt (1718–1801), einer der Jahresregenten 2018, dessen Geburtstag sich in diesem Jahr zum 300. Mal jährt. Von ihm gelangen unter anderem vier kleinformatige Passionsszenen aus der Spätzeit zur Auktion .
Mit zarten Aquarellen – allen voran Thomas Ender, Jakob Alt, Rudolf von Alt zum Entree – lenkt die zweite Auktion am Dienstagnachmittag den Blick auf die Landschaft als eine Dominante der Kunst des 19. Jahrhunderts und ihre Nebenzweige Architektur und Archäologie. Der Miesenbacher Friedrich Gauermann etwa nahm die Landschaft ab den späten 1820er-Jahren zum Ausgangspunkt für die genaue Beobachtung der Natur. Für die Stimmungsimpressionisten, die mit Olga WisingerFlorian, Marie Egner, Rudolf Ribarz, Emil Jakob Schindler und Eugen Jettel traditionsgemäß stark vertreten sind, wird die Natur zum Vorwand für die Beschäftigung mit den Wirkungsmöglichkeiten der Farbe. Theodor von Hörmann scheint seine idyllische Familienszene „Frühlingsgarten bei Wien“im Jahr 1886 (35.000–70.000 Euro) nachgerade im Wettstreit mit der Sonne gemalt zu haben, die er in blühenden Bäumen irrlichtern lässt. Wisinger-Florian wiederum transformiert mit ihrer „Auenpartie“aus 1897 einen Waldweg zu einer flirrenden Textur aus Licht und Schatten (45.000 - 90.000). Der Weg in die Moderne ist auch auf Anton Romakos großformatiger Leinwand „Zwei Kinder mit Schmetterlingsnetz“angelegt, dem Spitzenlos der Auktion 19. Jahrhundert (50.000–100.000 Euro). Mit ihrer Fokussiertheit auf den Moment und Bewegtheit nimmt diese Malerei Überlegun- Dienstag, 24. April 2018 15 Uhr: Alte Meister 17 Uhr: Gemälde des 19. Jahrhunderts Mittwoch, 25. April 2018 14 Uhr: Privatsammlung Glas 16.30 Uhr: Antiquitäten gen des damals noch jungen Mediums Fotografie vorweg. Zu einem interessanten Vergleich laden zwei Hundeporträts aus verschiedenen Abschnitten des Jahrhunderts ein: Ferdinand Georg Waldmüllers hochrealistischer „Jagdhund des Grafen Esterhazy,´ am Bach liegend“aus dem Jahr 1823 vis-`a-vis von Josef Engelharts „Windhund“von 1891, der – unter dem Eindruck eines Paris-Aufenthalts – ganz dem Impressionismus verpflichtet ist.
Im Zeichen der historischen Glaskultur stehen diesmal gleich zwei Auktionen der Antiquitätensparte. Die Auftaktveranstaltung „Glas von der Gotik bis zum Biedermeier“widmet sich exklusiv einer der bedeutendsten europäischen Privatsammlungen, die nach Jahrzehnten nun wieder dem Kunstmarkt zugeführt wird. Beginnend mit einem merowingischen Faltenbecher aus dem vierten bis sechsten Jahrhundert spannt sich der Bogen der rund 200 Objekte von Emailgläsern aus Böhmen und Deutsch- land über venezianische Raritäten, wertvolle Glasschnitt- und Gravurarbeiten bis hin zu kostbaren Zwischengoldbechern des 18. Jahrhunderts. Den krönenden Abschluss bildet eine Gruppe von Biedermeiergläsern Anton Kothgassers, dazu ein seltenes von Kothgasser bemaltes Thermometer aus dem Jahr 1820.
Spitzenlos ist ein Ignaz Preissler zugeschriebener böhmischer Trichterpokal, entstanden um 1720, verziert in der im Barock beliebten Gold- und Schwarzlotmalerei (50.000-100.000 ).
Historische Glasobjekte dominieren dann auch die zweite Auktion des Tages. Einen Schwerpunkt bildet eine rund 80 Exponate umfassende Selektion von Biedermeiergläsern, die der Wiener Erich Schuster im Lauf von vier Jahrzehnten mit viel Akribie gesammelt hat, darunter eine Gruppe von feinst bemalten KothgasserBechern mit Motiven aus Wien wie Stephansdom oder Karlskirche. Von besonderem Interesse ist auch eine Kollektion von Briefbeschwe- rern aus Glasmanufakturen in Frankreich sowie Böhmen aus der Mitte des 19. Jahrhunderts.
Für den ausgeprägten Glasschwerpunkt zeichnet Michael Kovacek höchstpersönlich als Experte verantwortlich. Der KinskyGesellschafter (mit Ernst Ploil und seit Kurzem Christoph La Garde), der viele Jahre eine eigene Glasgalerie geführt hatte, stand mit den Sammlern sowohl als Händler als auch als Berater seit Jahrzehnten in Kontakt. Abgerundet wird die Auktion mit Objekten und Skulpturen aus unterschiedlichen Epochen, darunter eine Venus von Georg Raphael Donner, ausgeführt um 1738/39 in einer Blei-Zinn-Legierung: einer zum damaligen Zeitpunkt in Wien fast unbekannten Technik, die sich der Künstler wohl auswärts angeeignet hat.