Die Presse

Warum starten Raketen senkrecht?

Der direkte Weg durch die Atmosphäre ins All spart Kraft und damit Treibstoff. Eine leichte Neigung braucht es aber, um auf Kurs zu kommen.

- VON ALICE GRANCY [ Foto: Grabenbaue­r]

Manche Fragen stellen sich erst auf den zweiten Blick. Wohl jeder hat das Bild vom Countdown einer Startrampe eines Weltraumba­hnhofs vor Augen, von der aus eine Rakete hinauf in den Himmel schießt. Aber warum hebt sie eigentlich nicht wie ein Flugzeug von einer Rollbahn aus ab?

„Weil sie samt ihrer Nutzlast den dichten Teil der Atmosphäre so schnell wie möglich durchquere­n soll“, erklärt Christoph Lhotka vom Institut für Weltraumfo­rschung (IWF) der Österreich­ischen Akademie der Wissenscha­ften. Und der kürzeste Weg sei eben der vertikale. Bei einem Flugzeug ist das anders: „Man will von einem Punkt auf der Erde zu einem anderen und nicht in den Weltraum“, so Lhotka. Während ein Flugzeug Tragfläche­n braucht, um mittels Auftrieb fliegen zu können, sitzen an der Seite mancher Raketen nur kleine Stummelflü­gel, sogenannte Finnen. Sie stabilisie­ren die Raketen auf ihrem Kurs, den sie durch den gewaltigen Rückstoß aus den Triebwerke­n einnimmt. „Möglichst viel Masse wird mit möglichst hoher Geschwindi­gkeit durch ständige Explosione­n ausgestoße­n“, sagt Lhotka. Die so erzeugte Kraft treibt die Rakete an.

Die Atmosphäre verursacht nämlich Reibung – und damit einen Widerstand, der Kraft und folglich Treibstoff kostet. Der Widerstand wächst, je schneller man sich durch die Atmosphäre bewegt. Deswegen möchte man die bremsende Angriffsfl­äche – wie bei einem Auto – möglichst gering halten. Eine Rakete ist daher schlank gebaut. Würde sie horizontal starten, würde sie außerdem mehr Angriffsfl­äche bieten. Wäre die Startricht­ung also auf einem Planeten, auf dem es keine Atmosphäre gibt, egal? „Ja, aber auch da möchte man den kürzesten Weg in den Weltraum wählen“, kommentier­t Lhotka das Gedankensp­iel.

Zielt bestimmte Umlaufbahn an

Tatsächlic­h starten Raketen aber nicht ganz vertikal. „Man versetzt sie gleich nach dem Start in eine Neigung, den sogenannte­n ,Gravity turn‘“, berichtet Lhotka. „Die Schwerkraf­t wirkt als Stütze, damit die Rakete dort hinkommt, wo sie hin soll.“Dadurch zielt man, je nach Forschungs­interesse, eine bestimmte Umlaufbahn an, auf der die Nutzlast der Rakete dann etwa die Erde umkreist. Hat die Rakete die Atmosphäre hinter sich gebracht, neigt sie sich weiter entlang der Horizontal­en, um die Geschwindi­gkeit zu bekommen, die sie braucht. „Im Unterschie­d zu einem Flugzeug, das rund 1000 km/h fliegt, muss eine Rakete Geschwindi­gkeiten von mehr als 28.000 km/h erreichen“, sagt Lhotka.

Der Astronom befasst sich in seiner Forschung mit Stabilität und Chaos im Sonnensyst­em: Er berechnet voraus, wie vorhersagb­ar die Rotation von Monden und dem Planeten Merkur ist, oder wie sich Asteroiden und geladener Staub im Weltraum bewegen – chaotisch oder stabil? Der Wissenscha­ftsfonds FWF genehmigte ihm dazu kürzlich ein neues Forschungs­projekt. Auch wenn Lhotka selbst keine Messgeräte an Bord von Raketen ins All schickt, hilft er mit seiner theoretisc­hen Arbeit, andere Missionen am IWF vorzuberei­ten: „Für Messungen mit Magnetomet­ern, mit denen man Magnetfeld­er bestimmt, ist es etwa sehr wichtig, zu wissen, welche Staubkonze­ntrationen es gibt.“Und die im All gesammelte­n Daten helfen Lhotka wiederum, seine Modelle zu verbessern.

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Christoph Lhotka, Astronom „Die Schwerkraf­t wirkt als Stütze, damit die Rakete dort hinkommt, wo sie hin soll.“

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