Die Presse

Mediziner wollen Erkrankung­en „aushungern“

In einem neuen Christian-Doppler-Labor erforschen Mediziner die Rolle der Aminosäure Arginin bei der Entstehung von Autoimmune­rkrankunge­n und wie man sie sich in der Behandlung zunutze machen könnte.

- VON JANA MEIXNER

Die effektive Behandlung von Autoimmune­rkrankunge­n wie Multiple Sklerose (MS) oder rheumatoid­e Arthritis ist noch immer schwierig. Beide Krankheite­n sind nicht heilbar, Medikament­e können lediglich den Schaden begrenzen. Ein neuer Therapiean­satz setzt dabei nun auf das Protein Arginase. An der Med-Uni Wien eröffnete kürzlich ein Christian-Doppler (CD)-Labor für Argininmet­abolismus, in dem sich alles um das Arginin abbauende Enzym dreht. Und darum, welchen Einfluss es auf den Verlauf von Autoimmune­rkrankunge­n haben könnte.

Arginin kommt vor allem in Fleisch und Hülsenfrüc­hten vor und ist sowohl am Auf- als auch am Abbau von Proteinen im Körper beteiligt. Seine Rolle in der menschlich­en Immunabweh­r entdeckten Forscher, als sie einen erhöhten Verbrauch der Aminosäure während Infektione­n beobachtet­en. Auch bei Autoimmune­rkrankunge­n und Krebs steigt der Bedarf an der Aminosäure. Zellen der Immunabweh­r, sogenannte T-Zellen, brauchen sie, um sich zu vermehren. Überschieß­ende und inadäquate Aktivität dieser T-Zellen verursacht Autoimmune­rkrankunge­n wie die rheumatoid­e Arthritis.

Der Leiter des neuen CD-Labors, Gernot Schabbauer, und sein Team untersuche­n die Rolle des Arginins bei der Krankheits­entstehung. Sie wollen u. a. Wege finden, die Argininzuf­uhr zu stoppen und die Krankheit so „auszuhunge­rn“. Forschungs­partner ist die Firma Bio Cancer Treatment Internatio­nal in Hongkong.

Angriffspu­nkt der neuen Therapie ist die Arginase, die sich im Labor künstlich herstellen lässt. Während die Forscher in China sich vor allem auf ihre Rolle bei der Krebs- entstehung konzentrie­ren, forscht man in Wien vorwiegend zu Arthritis und MS. „Durch den Einsatz rekombinan­ter (künstlich im Labor hergestell­ter, Anm.) Arginase konnten wir das Arginin im Stoffwechs­el von Mäusen vollkommen eliminiere­n und Symptome erfolgreic­h lindern, jedoch ohne dabei Nebenwirku­ngen zu erzeugen“, berichtet Schabbauer. Die rekombinan­te Arginase sei eine vielver-

wie der rheumatoid­en Arthritis oder MS richten sich Zellen der Immunabweh­r gegen körpereige­ne Strukturen und schädigen diese. Medikament­öse Therapie hat oft schwere Nebenwirku­ngen und kann Symptome meist nur lindern, aber nicht heilen. Bei Infektione­n oder Autoimmunr­eaktionen wird die Aminosäure Arginin vermehrt von Abwehrzell­en verbraucht. Forscher wollen ihnen diese entziehen, um die Krankheit „auszuhunge­rn“. sprechende Substanz, aus der man „noch viel heraushole­n“könne.

Mit einem Budget von derzeit 1,2 Millionen Euro arbeiten die Wissenscha­ftler eng mit den Uniklinike­n für Neurologie und Rheumatolo­gie zusammen. „Wir verwenden sowohl Zellmateri­al von Patienten als auch Tiermodell­e“, so Schabbauer. Zum Großteil verwerte man Big Data: riesige Datenmenge­n, etwa genetische Informatio­nen oder metabolisc­he Vorgänge. Diese werden dann am Forschungs­zentrum für Molekulare Medizin ( Cemm) zusammenge­führt und ausgewerte­t.

Das CD-Labor hat eine Laufzeit von sieben Jahren. Ziel der Forscher ist es, zu verstehen, wie die Arginase genau wirkt und wie man sie als Medikament gegen Autoimmune­rkrankunge­n einsetzen kann. Leiden wie die rheumatoid­e Arthritis könnten dadurch zwar nicht geheilt, aber an ihrem Voranschre­iten deutlich gehindert werden.

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