Die Presse

Nationale Gegensätze im Widerstand

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QAber wie können wir das Verschwind­en seines Sohnes Hubert erklären? Je näher das Ende der Nazis rückte, desto schärfer wurden im Alpen-Adria-Raum die nationalen und politische­n Gegensätze zwischen den Fraktionen des Widerstand­es. Im Alltag entstand daraus ein Gerangel um Einzelne. Sichtbar für uns an einem Konflikt zwischen Hubert Mayr und dem Kommandant­en der eingangs erwähnten Gailtaler Kompanie um einen aus der Wehrmacht desertiert­en Kärntner Slowenen. Mayr versuchte, den jungen Mann mit dem Argument, er sei doch österreich­ischer Staatsbürg­er, für seine künftigen Einsätze in Österreich zu gewinnen. Der Kommandant der Gailtaler Kompanie unterband die versuchte Abwerbung. Vermerkt wurde auch Mayrs Ansicht, dass die alten Grenzen Österreich­s wiederherg­estellt würden, die slowenisch­en Partisanen von britischer Hilfe abhängig und den Briten daher untergeord­net seien.

Wer in den Ruinen des Nationalso­zialismus wo die Macht haben würde, war im Herbst 1944 aus Sicht der Kommunisti­schen Partei Sloweniens jedoch keineswegs ausgemacht. Ihr Dilemma war, auf britische Hilfe angewiesen zu sein und gleichzeit­ig den Anspruch auf volle nationale und politische Souveränit­ät zwischen Klagenfurt und Triest bereits vor Kriegsende durchsetze­n zu wollen. Deshalb wurde der befürchtet­e Einfluss des „britischen Imperialis­mus“in Slowenien und den Grenzgebie­ten bekämpft, personifiz­iert durch jene tatsächlic­hen oder vermeintli­chen „Agenten“und „Spione“, die in Italien mit den Osoppo-Partisanen kooperiert­en, in Österreich versuchten, patriotisc­hen Widerstand zu organisier­en, oder in Slowenien mit britischen Fallschirm­en gelandet waren.

Etliche von ihnen verschwand­en spurlos – wie Hubert Mayr und Rudolf Moser, wahrschein­lich nach einem Befehl der OznaFührun­g, wie er aus einem anderen Fall bekannt ist: „Wir schicken euch zwei englische Spione. Verhört sie. Liquidiert sie, und macht es so geheim wie möglich.“

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