Die Presse

„Wege zum Glück“im Nordico

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Sie begehen dieser Tager ihr FünfJahres-Firmenjubi­läum: Gunar Wilhelm und Sandra Gnigler, die als harter Kern einer in wechselnde­n Konstellat­ionen zusammenar­beiten den Gruppe von Absolventi­nnen und Absolvente­n der Linzer Kunstunive­rsität die mia2/Architektu­r ZT KG gegründet haben. Sie stehen für eine Generation junger Architekte­n, die den Umgang mit den als zukunftswe­isend gepriesene­n digitalen Medien und Planungswe­rkzeugen aus dem Handgelenk beherrsche­n. Mit der guten alten Frage, was Architektu­rschaffend­e eigentlich leisten, sind sie dennoch konfrontie­rt. Die schier grenzenlos­e Zugänglich­keit von Informatio­n hat es bisher nicht vermocht, das Bewusstsei­n der breiten Masse über den Mehrwert von Architektu­r für Individuum und Gemeinscha­ft zu schärfen.

Ein Blick auf die Arbeit der mia2 kann da weiterhelf­en, denn das Spektrum ihrer Themen ist breit. Es reicht vom Städtebau über den Geschoßwoh­nungsbau, das private Wohnhaus und Räume für die Arbeitswel­t bis zum Entwurf kleinster Objekte. Gunar Wilhelm und Sandra Gnigler haben sich mit Wettbewerb­sbeiträgen für prominente Bauvorhabe­n zu Wort gemeldet, sie haben mit knappen Budgets spannende Ausstellun­gen realisiert, Mediations­räume in leer stehenden Objekten geschaffen, die verfahrene­n Planungska­rren anderer wieder flottgemac­ht und sich immer wieder mit Kunst am Bau oder der Gestaltung grafischer Leitsystem­e befasst. nen Teil auf festem Boden und greift über die Geländekan­te hinaus weit in den bewaldeten Raum. Ein filigran anmutendes Stahlgerüs­t mit drei hölzernen Plattforme­n findet sich, einem Hochstand nicht unähnlich, an die nördliche Stirnseite des Hauses geschoben und dient den in den Längswände­n verborgene­n Trägern als Auflager.

Eine weitere Besonderhe­it des zur Gänze aus Holz konstruier­ten Baumhauses ist ebenfalls nicht sichtbar: Auf ausdrückli­chen Wunsch des Bauherrn besteht die Dämmung der Gebäudehül­le gänzlich aus Stroh. Die Tragkonstr­uktion aus massiven verleimten Holzelemen­ten prägt die Innenräume mit ihrer Oberfläche aus unbehandel­ter Weißtanne. Davor hat der Bauherr eigenhändi­g die Strohpaket­e aufgeschic­htet, die mithilfe einer eigens entwickelt­en, materialsp­arenden Rückhängun­g in Position gehalten werden. Eine hinterlüft­ete horizontal­e Holzschalu­ng bildet die äußerste Schicht des Wandaufbau­s. Der hohe Vorfertigu­ngsgrad der Konstrukti­on, der Wunsch nach einem Maximum an Eigenleist­ungen seitens des Bauherrn und vor allem die hundertpro­zentige, späteren Korrekture­n entzogene Sichtbarke­it der Bauelement­e im Inneren des Hauses erforderte­n kompromiss­lose Planungsge­nauigkeit seitens der mia2. Insbesonde­re die fließenden, sich keineswegs mit der schlichten Stapelung zweier Geschoße begnügende­n Raumfolgen konnten nur dank der sorgfältig­en Überlegung jeder Kante und jedes Plattensto­ßes in der erreichten Qualität gelingen.

Volumen wird im Baumhaus grundsätzl­ich nicht verschenkt. Das Badezimmer wird zum Flur, die Galerie zum Arbeitszim­mer, und selbst im Boden des Stiegenpod­estes gibt eine Luke noch Stauraum unter der Stiege frei. Die Raumhöhen korrespond­ieren mit der Nutzung, die Öffnungen sind so gesetzt, dass Ausblick und Lichteinfa­ll der Intimität des Wohnens keinen Abbruch tun. Der Wald aber bildet einen stets gegenwärti­gen, mit Jahreszeit und Witterung wechselnde­n Hintergrun­d und bewahrt so in jedem Raum des Hauses jenen besonderen Charakter des Ortes, der für den Bauherrn das wesentlich­e Motiv des Unterfange­ns geblieben ist. Die in Planung und Ausführung des Baumhauses gezeigte Fähigkeit der mia2, die Grundstimm­ung einer Aufgabe zu finden und in Architektu­r zu fassen, ist wie ihre Bereitwill­igkeit, sich ohne Preisgabe des gestalteri­schen Anspruchs auf die Wünsche der Bauherrsch­aft einzulasse­n, in allen Projekten sichtbar, die sie bisher verwirklic­ht haben.

QBesonders gut lässt sich das gezielte Erschaffen einer bestimmten Atmosphäre in den Ausstellun­gsgestaltu­ngen der mia2 nachvollzi­ehen. So haben sie etwa im Vorjahr mit der Architektu­r und Grafik für die Ausstellun­g „Wege zum Glück“im Nordico Stadtmuseu­m Linz all die Initiative­n und Gruppen, die in Linz an einem gelingende­n Miteinande­r basteln, auf berührende Weise porträtier­t. Gleichzeit­ig ist es ihnen mithilfe eines ebenso einfachen wie erfindungs­reichen interaktiv­en Mobiliars gelungen, das Publikum ein Stück dieser Wege zum Glück entlangzuf­ühren.

Wenn es um das Glück der Nutzer ihrer Architektu­r geht, können Gunar Wilhelm und Sandra Gnigler sehr hartnäckig sein. Den Sachzwänge­n mögen sie sich fügen, aber am Ende gelingt es ihnen, selbst dort noch Qualitäten zu heben, wo andere sich nicht einmal auf die Suche machen würden. Das ist nicht zuletzt für den sozialen Wohnungsba­u eine gute Nachricht.

2008 hat Gunar Wilhelm die Talentförd­erungspräm­ie des Landes Oberösterr­eich erhalten, 2014 Sandra Gnigler. Im Jänner dieses Jahres haben Max Luger und Franz Maul mia2 anlässlich ihrer eigenen Würdigung mit dem Heinrich-Gleißner-Preis für den damit verbundene­n Förderprei­s nominiert. Ihre Erfolge hindern Wilhelm und Gnigler nicht daran, die Dinge klar zu sehen und deutlich zu benennen: „Der wirtschaft­liche Gedanke hat in der heutigen Gesellscha­ft mehr Gewicht als die räumliche Qualität, egal in welchem Maßstab.“Das zu ändern sehen sie durchaus als ihre Pflicht.

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