Die Presse

„Dieser Phönix von einem Hotelier“

- VON ANDREAS AUGUSTIN

Wer war der Mann, dem der zukünftige König von England, der Prinz von Wales, attestiert­e: „Wohin Ritz geht, gehe auch ich“und den der deutsche Kaiser mit dem Attribut „Hotelier der Könige“versah? Als 13. Kind einer Bauernfami­lie im oberen Rhonetal hütete er die Kühe des Vaters. Er zog talauswärt­s, sein erster Lehrherr war ein Wirt in Brig, der dem 17-Jährigen prophezeit­e: „Cäsar – weißt du, in diesem Geschäft der Hotellerie muss man Feingefühl haben, Gespür, ein ganz besonderes Talent. Und du, Cäsar, – du hast es nicht. Hüte wieder Kühe.“Motivieren­de Mitarbeite­rgespräche sind der halbe Erfolg. Der Fremdenver­kehr war noch nicht Devisenbri­nger. Es kam kein Geld rein, also musste Mann raus: In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunder­ts emigrierte­n über 80.000 Schweizer Bergler. Cäsar Ritz ging nach Paris, schrieb sich fortan Cesar.´

Cesars´ Karriere (Piccolo – Oberkellne­r – Maˆıtre d’hotel)ˆ schärfte ihm den Blick für die Bedürfniss­e einer neuen reisefreud­igen unterhaltu­ngssuchend­en Gesellscha­ft, Touristen genannt. Bei der Wiener Weltausste­llung 1873 war er Kellner im Pavillon des Pariser Nobelresta­urants Les Trois Fr`eres Provencaux,¸ die im Prater eine Dependance eröffnet hatten. Das ist wie Alain Ducasse beim Riesenrad. Der 23-jährige Cesar,´ elegantes Jackett, weiße Fliege und lange Schürze, bediente gekrönte Häupter. Eines Tages richtete sich der Prinz von Wales, der Sohn von Königin Viktoria, im Les Trois Fr`eres eine Zigarre. Ritz zückte rasch sein neues amerikanis­ches Gasfeuerze­ug. Als er Jahre später Hoteldirek­tor an der Coteˆ d’Azur war, wohnte der Thronfolge­r sogar bei ihm. Fortan sollte Ritz sein Hotelier sein.

Ritz wurde ein Star. Das „Wiener Salonblatt“feierte ihn 1886 in einem Artikel als Hoteldirek­tor des Grand Hotel National in Luzern: „Herr Cäsar Ritz macht den Eindruck eines Kavaliers vom Scheitel bis zur Zehe – von den denkbar feinsten gesellscha­ftlichen Formen, die Sprachen aller Kulturnati­onen vollkommen beherrsche­nd, sodass er den französisc­hen, englischen, russischen, italienisc­hen Gästen wie ein Landsmann erscheint, übt dieser Phönix von einem Hotelier auf jedermann nach den ersten Minuten einen wahrhaft bestricken­den Eindruck.“

Afternoon Tea, fließend Wasser

Ritz wurde der erste Direktor des neuen Savoy in London, des damals „besten Hotels der Welt“. Hier installier­te er den Afternoon Tea unter Mithilfe der Societydam­e Lady de Grey, während sich sein kongeniale­r Küchenchef Auguste Escoffier (Toast und Pfirsich Melba) beharrlich weigerte, Englisch zu lernen: „Sonst koche ich noch wie die!“

Ritz eröffnete das Grandhotel in Rom (heute St. Regis), übernahm den Frankfurte­r Hof, ma- nagte am Höhepunkt seiner Karriere über ein Dutzend Hotels auf dem ganzen Kontinent und schaffte es schließlic­h, sein eigenes kleines Boutiqueho­tel namens Ritz in Paris zu bauen.

Jedes Zimmer hatte sein Badezimmer, die Mansardenz­immer zumindest ein Waschbecke­n mit fließendem Wasser. Das fand Oscar Wilde gar nicht gut. Sie seien nicht faltbar und wegräumbar, es sei eine Zumutung, sich den ganzen Tag diese Porzellans­chüssel an der Wand ansehen zu müssen. „Wenn ich warmes Wasser will, dann klingle ich!“

Weitere Ritz entstanden in London, in Budapest und Madrid. Ritz’ Londoner Hotel, das Carlton, war Taufpate der amerikanis­chen Ritz-Carlton Kette. Hier, im Carlton, brach Cesar´ 1902 zusammen, als der verehrte Prinz von Wales einen Tag vor seiner Krönung erkrankte und das Fest abgesagt wurde. Seine Frau, Marie, führte fortan die Geschäfte. Cesar´ Ritz hat sich nie wieder erholt und starb in einem Schweizer Sanatorium am 26. Oktober 1918.

Interieur unterm Hammer

Modeschöpf­erin Coco Chanel und Hollywoods Stars zogen nacheinand­er ins Pariser Ritz. 1979 kaufte der ägyptische Geschäftsm­ann Mohammed al-Fayed das Hotel. 2012 schloss er es für vier Jahre, um zu renovieren. Dabei entfernte er die gesamte Einrichtun­g.

Das auch in Wien ansässige Pariser Auktionsha­us Artcurial versteiger­t sie nun, über 10.000 Gegenständ­e kommen in 3406 Konvoluten ab dem 17. April 2018 unter den Hammer. Der Katalog ist online unter www.artcurial.com. Darunter eine Harfe (2000 Euro), ein Set von Barhockern (1500 Euro), Louis-XV.-Tische ab 200 Euro, Louis-XVI.-Hundesofas werden um 600 Euro ausgerufen. Als einer der wenigen Originalge­genstände aus dem Eröffnungs­jahr 1898 präsentier­t sich eine Badewanne mit Dusche ab 1500 Euro. Leicht renovierun­gsbedürfti­g.

 ?? [ Quentin Bertoux pour Artcurial, famoushote­ls 2] ?? Alle wissen zwar, dass es ein Ritz gibt, doch die wenigsten, dass es einen Ritz gab. Gestatten: Cäsar Ritz! Der Hotelier starb vor hundert Jahren.
[ Quentin Bertoux pour Artcurial, famoushote­ls 2] Alle wissen zwar, dass es ein Ritz gibt, doch die wenigsten, dass es einen Ritz gab. Gestatten: Cäsar Ritz! Der Hotelier starb vor hundert Jahren.
 ??  ??
 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Austria