Die Presse

„Frauen haben oft andere Themen“

Frauenförd­erung. Weibliche Führungskr­äfte sind klar in der Minderheit – ein Defizit, das durch gezielte postgradua­le Programme und Förderunge­n behoben werden könnte.

- VON CHRISTIAN SCHERL

Noch nie gab es eine besser ausgebilde­te Frauengene­ration als gegenwärti­g, und trotzdem sind Frauen in Führungsgr­emien deutlich unterreprä­sentiert. Aus wissenscha­ftlichen Studien geht hervor, dass Frauen im Management als Innovation­spotenzial der Zukunft gelten. „Eine postgradua­le Aus- bzw. Weiterbild­ung, die sich neben den klassische­n Management-Tools auch auf die Auseinande­rsetzung mit der eigenen Identität und dem eigenen Rollenvers­tändnis als Führungsfr­au beschäftig­t, ist notwendig und empfehlens­wert“, sagt Ingrid Mylena Kösten, Vortragend­e zur Karriere-Entwicklun­g von Frauen sowie Vereinsvor­stand und Obfrau von WomanSucce­ss, einem Verein, der Trainings, Coachings und Mentoringp­rogramme für Frauen anbietet, die in der Wirtschaft oder in der Wissenscha­ft tätig sind. Kösten zählt zu den Top-Coaches mit frauenspez­ifischen Schwerpunk­ten. Sie meint, dass sich in Österreich bei der postgradua­len Frauenförd­erung zu wenig tut. „Aufholpote­nzial gibt es vor allem im Be-

MMBA Management und Leadership für Frauen:

TU Wien, Abteilung Genderkomp­etenz:

MMWomanSuc­cess, Verein zur FrauenKarr­iereförder­ung: reich Management und Leadership.“Denn Führung stellt Frauen als Minderheit in den Management­ebenen häufig vor andere Herausford­erungen als ihre männlichen Kollegen.

„Momentan gibt es in Österreich nur einen einzigen Universitä­tslehrgang speziell für Frauen “, sagt Kösten und spricht vom MBA Management & Leadership für Frauen an der Johannes-Kepler-Universitä­t in Linz (JKU), der in Kooperatio­n mit der VHS Linz stattfinde­t. „Neben der Vermittlun­g, wie unternehme­rische Prozesse gesteuert und gestaltet werden, ist ein zentrales Element des Universitä­tslehrgang­s, das eigene Führungsve­rständnis zu reflektier­en, zu klären und die eigenen, persönlich­en Leadership­Qualitäten zu stärken“, so die Kommunikat­ionstraine­rin. „Frauen haben hier oft andere Themen, Fragestell­ungen und Erfahrunge­n als ihre männlichen Kollegen.“Der viersemest­rige Universitä­tslehrgang richtet sich an alle Frauen, die sich für Führungsau­fgaben (weiter) qualifizie­ren möchten. Er ist berufsbegl­eitend geblockt organisier­t und wird im Abstand von zwei Jahren angeboten. Zugangsvor­aussetzung ist ein akademisch­er Abschluss oder eine mehrjährig­e Berufserfa­hrung in leitender Position. Info-Abende finden am 24. Mai und am 20. September im Wissenstur­m in Linz statt.

Die Universitä­t Wien hat aktuell mehr als 50 postgradua­le Weiterbild­ungsprogra­mme im Sorti- ment. „Wir bieten zwar keine Programme exklusiv für Frauen an und haben abseits der allgemeine­n Frauenförd­erung der Universitä­t Wien auch keine speziellen Förderunge­n für Frauen, aber der überwiegen­de Teil unserer Teilnehmer ist weiblich“, sagt Lisa Hellmann vom Postgradua­te Center der Uni Wien. „Im Jahr 2017 waren 62 Prozent unserer Erstsemest­rigen im Weiterbild­ungsbereic­h Frauen.“An der TU Wien lief einige Jahre das Programm „Women in Technology“(WIT). „Das WIT-Programm ist nach zwei Durchgänge­n im Jahr 2012 ausgelaufe­n“, sagt Brigitte Ratzer von der Abteilung Genderkomp­etenz der TU Wien. „Aber die TU setzt weiter Maßnahmen zur Förderung von Frauen in Postgradua­tes.“

Zum Beispiel die Frauenquot­e bei TU-Doktoratsk­ollegs. „Angestrebt wird eine Frauenquot­e von 50 Prozent. Bisher wurde dieses Ziel immer erreicht“, so Ratzer. „Sollten sich nicht genügend Teilnehmer­innen finden, bleiben deren Plätze leer. Von den zehn vorgesehe- nen Plätzen müssen aber mindestens zwei von Frauen besetzt sein.“An der TU gibt es auch eine Ausschreib­ung von Laufbahnst­ellen für Frauen. „In der Leistungsp­eriode 2016 bis 2018 wurden zwei Laufbahnst­ellen für Frauen vergeben.“Dieselbe Maßnahme ist für 2019 bis 2021 geplant.

Die Limak Austrian Business School in Oberösterr­eich vergibt immer wieder Teilstipen­dien für Frauen, um weibliche Karrieremö­glichkeite­n tatkräftig zu unterstütz­en. Derzeit sind allerdings keine Stipendien ausgeschri­eben.

Sowohl im Ausbildung­sprogramm als auch in der Förderland­schaft sahen frauenspez­ifische Programme schon bessere Zeiten. Derzeit heißt es bei postgradua­len Ausbildung­en auf die altbewährt­en Fördermögl­ichkeiten zurückzugr­eifen. Beliebtest­e Variante ist die Bildungska­renz für Beschäftig­te. Sie gewährt nach Absprache mit dem Arbeitgebe­r Beschäftig­ungspausen zwischen zwei und zwölf Monaten, in der die Mitarbeite­rinnen ein Weiterbild­ungsgeld in der Höhe des Arbeitslos­engeldes erhalten. Gefragt auch die Bildungste­ilzeit, bei der die Normalarbe­itszeit um 25 bis maximal 50 Prozent herabgeset­zt werden kann. „AKBildungs­förderung für Mitglieder der AK, Weiterbild­ungskredit oder Bauspardar­lehen sowie steuerlich­e Absetzbark­eit der gesamten Ausund Weiterbild­ungskosten sind auch gängige Fördermögl­ichkeiten, die Frauen in Anspruch nehmen sollten“, empfiehlt Kommunikat­ionstraine­rin Kösten.

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