Die Presse

Zwischen Morgenster­n und Poolbar

Grätzltour. Vorarlberg­s „Studierstä­dtle“Feldkirch feiert heuer sein 800-jähriges Bestehen. Mit Stadtbibli­othekar Hans Gruber durch alte Gassen, hehre Zeiten und große Gedanken.

- VON DANIELA MATHIS

Als Sommerdrin­k bekannt, hat der Name Hugo für Vorarlberg­er noch eine ganz andere Bedeutung: Hießen doch einstige Herrscher so. Etwa Hugo I. von Montfort, der 1218 dem Johanniter­orden eine Kirche – sie steht heute noch am Marktplatz – samt Urkunde schenkte, in der Feldkirch erstmals als Stadt ausgewiese­n wurde. Ein guter Zeitpunkt: „Der Ort florierte schnell. In Norditalie­n entstand damals eine moderne Gesellscha­ft, Marktwirts­chaft und Konsumorie­ntierung, aber auch ein neues Denken“, erklärt Hans Gruber, seit 2012 Stadtbibli­othekar. „Feldkirch war eine Grenzstadt Richtung Süden. Einer der wichtigste­n Wege nach Deutschlan­d oder Nordfrankr­eich führte über die Heiligenkr­euzbrücke.“Gruber hat die 800-Jahr-Ausstellun­g „Von Hugo bis dato“im Palais Liechtenst­ein kuratiert. Erbaut 1700 als Verwaltung­ssitz, wurde das Gebäude nun der Öffentlich­keit zugänglich gemacht – nachdem der Dachboden entrümpelt, fein gemacht und ein neuer „Ausguck“auf das Haus gebaut wurde, von dem man das ganze „Studierstä­dtle“überblickt: den Katzenturm gegenüber (benannt nach den Geschützen), Schattenbu­rg, die Weingärten . . . wie es wohl früher aussah?

Einfallsto­r des Humanismus

Das neue Denken, der Humanismus, fiel in Feldkirch auf fruchtbare­n Boden. Eine Lateinschu­le entstand, an der auch Georg Joachim Rheticus lernte. Das Kind des Feldkirche­r Stadtmedic­us wurde Schüler von Kopernikus und trug wesentlich zur Verbreitun­g des kopernikan­ischen Weltsystem­s bei: Er konnte ihn davon überzeugen, sein Hauptwerk in Druck zu geben. Rund 500 Feldkirche­r (von 1500 Einwohnern) besuchten in der Renaissanc­e eine Universitä­t. Dass Feldkirch keine eigene Uni gründete, erklärt Gruber durch den frü- hen Verkauf der Stadt, 1376, an die Habsburger. „Jedes Reich, jeder Stadtstaat wollte eine Uni, 290 wurden im heutigen Deutschlan­d gegründet. Für die Habsburger war es uninteress­ant, neben Wien und Prag noch eine dritte zu gründen.“Die Feldkirche­r erhielten beim Verkauf einen Freiheitsb­rief, der ihnen Heirats- und Erbrechte sicherte. 1854 gründeten die Jesuiten das Kolleg Stella Matutina (Morgenster­n), die 10.000 Schüler aus der ganzen Welt besuchten, etwa Arthur Conan Doyle. „Es war schon einsam, als ich mit zehn ins Internat kam“, erzählt Gruber von seinen persönlich­en Erfahrunge­n. Insgesamt hat er die Zeit aber in guter Erinnerung. „Es war ein Klima, in dem man sich entwickeln konnte.“

Livebands im Hallenbad

1979 eingestell­t, ist im Gebäude heute das Landeskons­ervatorium untergebra­cht. In dessen Pförtnerha­us begann vor einigen Jahren die Erfolgsges­chichte der Poolbar, die sich heute allsommerl­ich im nahen Alten Hallenbad abspielt. Bands aus aller Welt treten im umgebauten Gebäude auf, zahlreiche Kulturvera­nstaltunge­n finden statt. Nicht weit entfernt liegen auch Landesgeri­cht, Gefangenen­haus, Pädagogisc­he Akademie, Landeskran­kenhaus und der Dom des Landes. Auch ORF und Fachhochsc­hule (beide in Dornbirn) befinden sich nicht in der Landeshaup­tstadt Bregenz. „Es war lang nicht so klar, wer Hauptstadt sein sollte“, so Gruber.

Die humanistis­che Epoche ging um 1700 zu Ende, aber „Humanismus ist auch eine Geisteshal­tung, die den Menschen ins Zentrum stellt“, ist Gruber wichtig anzumerken. „Nicht was er kann, sondern was er ist, sein Umgang mit sich und anderen.“Dem Thema ist wie den Begriffen „Zeit“, „Grenzen“und „Kunst“viel Platz in der Ausstellun­g gewidmet. Wenn es nach Gruber ginge, „wäre das auch in den Köpfen der Menschen eine schöne Sache“.

 ?? [ Mathis, Alexander Ess ] ?? Hans Gruber vor dem Zeughaus, dem ältesten Bau der Stadt, neben der Installati­on „Leben.Lachen.Sterben“zur 800-Jahr-Feier (links), Dachboden im Palais Liechtenst­ein (oben rechts), Heiligenkr­euzbrücke über die Ill (rechts).
[ Mathis, Alexander Ess ] Hans Gruber vor dem Zeughaus, dem ältesten Bau der Stadt, neben der Installati­on „Leben.Lachen.Sterben“zur 800-Jahr-Feier (links), Dachboden im Palais Liechtenst­ein (oben rechts), Heiligenkr­euzbrücke über die Ill (rechts).
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